Auf der ersten Kapitalmarktkonferenz der BaFin, bei der TiAM FundResearch vor Ort war, hat Präsident Mark Branson einen klaren Appell an Politik und Branche gerichtet: Weniger Bürokratie, mehr Effizienz und ein strategischer Einsatz von Künstlicher Intelligenz sollen den Kapitalmarktstandort Deutschland und Europa zukunftsfest machen. Die Aufsicht kündigt zugleich an, ihre eigene Digitalisierung voranzutreiben.
03.06.2025 | 12:15 Uhr von «Jörn Kränicke»
Mark Branson eröffnete am gestrigen Montag in Frankfurt die erste Kapitalmarktkonferenz der BaFin mit dem klaren Ziel, Aufsicht und Marktakteure stärker miteinander ins Gespräch zu bringen. Ausgangspunkt seiner Rede ist die große europäische Investitionsherausforderung: Bis 2030 müssen laut ex-EZB-Präsident Mario Draghi jährlich 750 bis 800 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden, um den Klimawandel, technologische Umbrüche und geopolitische Herausforderungen zu bewältigen. Da die öffentliche Hand dies nicht allein stemmen kann, sollen vor allem kleine und mittlere Unternehmen sowie innovative Firmen verstärkt Kapital aufnehmen – insbesondere über liquide und leistungsfähige Kapitalmärkte. Die können laut Branson jedoch ihren Investitionsbedarf nicht allein durch Bankfinanzierungen decken. Daher sei es notwendig, die hohen Bankeinlagen, die es in Europa gibt, verstärkt in Kapitalmarktinvestitionen zu leiten.
Die BaFin macht nicht die Gesetze
In diesem Zusammenhang begrüßt Branson die neue Strategie der EU-Kommission zur „Savings- und Investmentunion“, eine Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion. Ziel ist es, die hohen privaten Bankeinlagen in Europa besser in den Kapitalmarkt zu lenken. Branson lobte die politische Dynamik dahinter, betont aber, dass die BaFin nicht die Gesetze macht, sondern als Aufsicht handelt – vergleichbar mit einem Schiedsrichter, der für Fairness sorgt und den besten Spielern den Freiraum gibt, ihr Talent zu zeigen.
Mehr KI im Einsatz
Ein zentrales Element der Weiterentwicklung der BaFin ist der verstärkte Einsatz von Technologie. Insbesondere hebt Branson das eigene Analyse- und Überwachungssystem ALMA hervor, das inzwischen durch Künstliche Intelligenz unterstützt wird. Ein Machine-Learning-Algorithmus hilft dabei, marktmissbräuchliches Verhalten frühzeitig in großen Datenmengen zu erkennen. Die Trefferquote sei dadurch deutlich gestiegen. Auch in der Bilanzkontrolle hat die BaFin sich gewandelt: Sie ist nun einstufig organisiert, arbeitet risikoorientiert und legt vermehrt Wert auf Transparenz – etwa durch öffentliche Ankündigungen von Anlassprüfungen oder Fehlerfeststellungen schon während laufender Verfahren.
Erste Erfolge bei der Entbürokratisierung
Ein weiteres Schwerpunktthema seiner Rede ist die Entbürokratisierung. Branson fordert, die Kapitalmärkte durch einfache, effiziente und prinzipienbasierte Regulierung zu stärken. Die derzeitige Komplexität, mit detaillierten Vorschriften für jede Einzelfallkonstellation, sei weder praktikabel noch nachhaltig. Stattdessen plädiert er für mehr Proportionalität: Kleine und mittlere Unternehmen sollen nicht durch überbordende Vorschriften belastet werden. Als gutes Beispiel nennt er die neue Nachhaltigkeitsregulierung, bei der noch deutliches Verbesserungspotenzial besteht – etwa durch klar definierte Produktkategorien, die für Anleger nachvollziehbar sind.
Branson betont, dass auch die Aufsicht selbst Prozesse vereinfacht hat, etwa durch ein beschleunigtes Verfahren für Aktienprospekte, das die Bearbeitungszeit von zehn bis zwölf auf sechs bis acht Wochen verkürzt. Gleichzeitig ruft er dazu auf, auch bestehende nationale Regelungen kritisch zu hinterfragen. So hat die BaFin beispielsweise vorgeschlagen, das Mitarbeiter- und Beschwerderegister für Anlageberatung abzuschaffen – ein Vorschlag, der im Zukunftsfinanzierungsgesetz II aufgegriffen wurde.
Europa braucht einheitliche Regeln
Ein weiterer zentraler Punkt seiner Rede ist die europäische Dimension der Regulierung. Branson warnt vor einem „Race to the Bottom“, bei dem Länder mit laxeren Aufsichtsstandards versuchen, Marktteilnehmer anzuziehen. Gerade bei digitalen, skalierbaren Geschäftsmodellen sei eine konsequente, einheitliche Durchsetzung der EU-Regeln entscheidend. Die BaFin spricht sich deshalb für mehr Aufsichtskonvergenz aus – also nicht nur gleiche Regeln, sondern auch eine einheitliche Anwendung. Eine stärkere Zentralisierung der Aufsicht auf EU-Ebene kann aus seiner Sicht dort sinnvoll sein, wo sie Effizienz und Wirksamkeit erhöht – wie es etwa beim Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) für systemrelevante Banken bereits gelungen sei.
Kapitalmärkte müssen zukunftsfähig werden
Insgesamt sieht Branson die BaFin in einem fortlaufenden Erneuerungsprozess: technologiegestützt, transparenter, mutiger – aber auch effizienter und bürgernäher. Damit will die Aufsicht ihren Beitrag dazu leisten, dass deutsche und europäische Kapitalmärkte zukunftsfähig, attraktiv und widerstandsfähig bleiben.
Fazit
Mark Branson plädiert für eine zukunftsfähige Kapitalmarktarchitektur in Europa: durch einen liquiden Binnenmarkt, technologiegestützte Aufsicht (KI), weniger Bürokratie und europäische Aufsichtsharmonisierung. Nur so könne man Investitionen mobilisieren, Vertrauen sichern und den Kapitalmarkt als Innovationsmotor stärken.
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