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ELTIF, AIF & Co: Das müssen Investoren wissen Teil 3

EU macht den Weg für ELTIF frei
Alternative Anlagen

Die Reform des European Long-Term Investment Fund (ELTIF) öffnet den Markt für Privatanleger und verändert die Spielregeln für Real-Asset-Investments. Was unterscheidet ELTIFs von AIFs und direkten Beteiligungen – und wieso prägt dies die Zukunft des europäischen Kapitalmarkts? Teil 3 der dreiteiligen Serie: ein Anlegervergleich, ein Praxisbeispiel und das Fazit.

10.12.2025 | 13:30 Uhr von «Klaus Wolfermann»

Anlegervergleich, Praxisbeispiel und Fazit

5. Vergleich aus Anlegersicht

Für Anleger entscheidet sich der wahre Unterschied nicht im Gesetzestext, sondern im Erlebnis der Kapitalanlage. Wie transparent, steuerlich handhabbar und psychologisch kontrollierbar eine Struktur ist, prägt das Vertrauen – und damit die Investitionsbereitschaft.

Kriterium Publikums-AIF (DE) Spezial-AIF ELTIF 2.0 (EU) Direkte Beteiligung
Zugang Privatanleger, marktüblich ab ~10 000 € semi-/professionell,  i. d. R. ≥ 200 000 € Retail & pro-fessionell, markt-üblich ab ~10 000 € individuell
Schutzlogik BaFin-Prospekt/KID, strenge Grenzen & Berichte institutionelle Governance/KVG-Pflichten EU-Pass, KID, ELTIF-VO, SFDR-Einordnung vertraglich
Liquidität geschlossen (nationaler Zweitmarkt) geschlossen (OTC/Institutionell) geschlossen mit Rückgabefenstern (Art. 18 ELTIF-VO) illiquide/Exit-basiert
Diversifikation vorgeschrieben (z. B. ≥ 3 Objekte im Immobereich) flexibel (Mandat) vorgeschrieben (Portfolioquoten) konzentriert
Einflussnahme gering (Beirat) gering–mittel (Beirat/Anlegergremien) gering (Beirat/Advisory) direkt
Steuereinbindung national konsistent (InvStG/Transparenz) mandatsabhängig EU-weit gut integrierbar (Depot-/Reporting-Standard) individuell/ unternehmerisch


Anleger erleben diese Unterschiede emotional: Fonds schaffen Distanz = Schutz, Beteiligungen Nähe = Kontrolle. Der ELTIF 2.0 nutzt dieses Spannungsfeld gezielt: Er kombiniert institutionelle Governance mit dem narrativen Versprechen direkter Wirkung – „Ich finanziere reale Projekte in Europa“. Der Publikums-AIF bildet zusammen mit Spezial-AIF und ELTIF 2.0 eine dreistufige Architektur der Real-Asset-Investments: national – institutionell – europäisch.

5.1 Privatanleger

Privatanleger suchen planbare Strukturen, rechtliche Sicherheit und nachvollziehbare Berichte.

Publikums-AIFs und ELTIFs erfüllen die Retail-Anforderungen (Prospekt/KID, Verwahrstelle, ESG-Einordnung); Spezial-AIFs adressieren semi/professionelle Anleger mit Mandatsfreiheit. Die Einstiegssummen sind meist niedrig genug, um Diversifikation zu ermöglichen.

Direkte Beteiligungen dagegen setzen Branchenwissen voraus; ohne aktives Controlling droht Intransparenz.

5.2 Semiprofessionelle Anleger

Diese Gruppe – vermögende Privatpersonen, Stiftungen oder kleinere Family Offices – schätzt die Kombination aus Kontrolle und Diversifikation.

AIFs und ELTIFs dienen als Kernbausteine für strategische Allokationen. Sie verlangen allerdings Grundkenntnisse in Reporting-Logik und steuerlicher Behandlung.

5.3 Institutionelle Investoren

Pensionskassen und Versicherer bewerten Strukturen primär nach Solvency-II-Fähigkeit und Kapitalunterlegung.

ELTIFs sind hier interessant, weil sie EU-weit zugelassen und mit nachhaltigen Investmentrichtlinien kompatibel sind.

Der ELTIF 2.0 transformiert den europäischen Privatanlagemarkt – weg von bloßem Konsumentensparen, hin zu beteiligtem Kapital, das volkswirtschaftlich wirksam ist.

6. Praxisfall – Drei regulierte Wege + Unternehmertum

Ausgangslage

48-jähriger Ingenieur, 300 000 € frei, Ziel: planbare Ausschüttungen, ESG-Konformität, moderate Laufzeit, klare Berichtsstandards.

Optionen:

  1. Publikums-AIF „Solar Deutschland III“ (DE): Mindestbeteiligung ~10 000 €, BaFin-Prospekt/KID, Laufzeit ~15 J., Diversifikation ≥ 3 Parks, prognostizierte. Ausschüttung 4,5–5,5 % p. a., Zweitmarkt national.
  2. ELTIF 2.0 „Green Infrastructure Europe“ (EU): Mindestbeteiligung ~10 000 €, EU-Pass (europäischer Produktpass (Art. 31 ELTIF-VO)), Laufzeit ~10 J., Rückgabefenster ab Jahr 6, ESG-Art.9, länderübergreifende Diversifikation.
  3. Spezial-AIF „Renewable Energy IV“ (DE): ab 200 000 €, 12 J. Laufzeit, flexible Allokation (Equity und Debt), Carried-Struktur.
  4. Direktbeteiligung (Kommanditist): 100 000 € Kommanditanteil, 7,5 % Ziel-IRR, volle Mitunternehmerrolle, illiquide.

Entscheidungslogik:

– Sicherheits- und Transparenzorientierung: Publikums-AIF.

– Diversifikation / Rückgabefenster / EU-Pass: ELTIF 2.0.

– Gestaltungsfreiheit: Spezial-AIF.

– Einflussnahme / höchstes Risiko: Direktbeteiligung.

Ergebnis (Fall):

Der Anleger kombiniert Publikums-AIF (50 %) + ELTIF (30 %) + Liquiditätspuffer (20 %).

Dadurch nutzt er nationale Berichtstransparenz und EU-weite Diversifikation zugleich.

Kommentar:

„Publikums-AIF und ELTIF erfüllen dieselbe Anlegerfunktion auf zwei Ebenen – national vs. europäisch. Spezial-AIFs sind ergänzende Profisegmente, Direktbeteiligungen reine Unternehmerrisiken.“

Dieses Beispiel verdeutlicht: Der Regulierungsrahmen ersetzt nicht Vertrauen, aber er schafft institutionalisierte Verlässlichkeit, die Privatanlegern früher verwehrt war.

6.1 Family-Office-Variante

Ein mittelgroßes Family Office strukturiert sein Real-Asset-Portfolio neu. Es kombiniert:

  • 30 % in ELTIF-Strukturen (europäische Infrastruktur, Private Debt),
  • 50 % in Spezial-AIFs (Immobilien, Private Equity),
  • 20 % in direkte Co-Investments.

Dadurch entsteht ein dreistufiges Exposure-System:

  1. Breite Regulierung (ELTIF) schafft Vergleichbarkeit.
  2. Spezialfonds sichern steuerliche Optimierung.
  3. Direkte Beteiligungen bieten Einfluss und Netzwerkvorteile.

Diese Hybridstrategie illustriert, wie ELTIFs den Mittelstandsanlegern ermöglichen, an institutionellen Mechanismen teilzuhaben, ohne die Agilität privater Engagements zu verlieren.

6.2 Ökonomische Bewertung

Langfristige Kapitalbindung gilt oft als Nachteil. Tatsächlich entsteht hier jedoch die Illiquiditätsprämie, also jene Mehrrendite, die Anleger für den Verzicht auf kurzfristige Verfügbarkeit erhalten.

Fondsstrukturen wie AIFs und ELTIFs machen diese Prämie mess- und handelbar; direkte Beteiligungen tun das nicht – sie sind eine Wette auf den individuellen Projekterfolg.

6.3 Kommunikative Dimension

Für Berater und Produktanbieter ergibt sich eine kommunikative Herausforderung: Wie erklärt man einem Privatanleger, dass Regulierung nicht Einschränkung, sondern Schutz ist?

Professionelle Kommunikation nutzt narrative Übersetzungen:

„Sie investieren nicht in Bürokratie, sondern in Verlässlichkeit.“

„Ein geregelter Fonds ist kein Korsett, sondern ein Sicherheitsgurt.“

Solche Formulierungen öffnen das Verständnis für den Mehrwert institutioneller Strukturen, ohne den Unternehmergeist zu bremsen.

7. Fazit „Drei-Säulen-Architektur“

Die Unterschiede zwischen ELTIFs, AIFs und direkten Beteiligungen sind keine bloße Typenlehre – sie markieren unterschiedliche Kulturen des Investierens.

Die Dreisäulen-Struktur der Real-Asset-Investments:

· Publikums-AIF: nationaler Verbraucherschutz und Rechtssicherheit für Privatanleger,

· Spezial-AIF: institutionelle Freiheit und steueroptimierte Mandate,

· ELTIF 2.0: europäische Skalierung und internationale Kapitalmobilisierung.

Diese drei Regime sind nicht hierarchisch, sondern funktional komplementär.

Der deutsche Markt verfügt damit über ein vollständiges, abgestimmtes System, das vom Retail-Investor bis zur Versicherung dieselbe Grundidee trägt: institutionelle Qualität, aber differenzierte Zugangswege.

7.1 Struktureller Paradigmenwechsel

Mit der Reform 2023 wurde der ELTIF aus seinem Nischendasein befreit. Die Abschaffung der Vermögensschwelle und die Öffnung für Fund-of-Funds machen ihn vertriebsfähig für das Retail-Segment.

Die EU erreicht damit ihr Ziel, privates Kapital für den „Green Deal“ und die Kapitalmarktunion zu mobilisieren.

Damit entsteht ein neues Anlageökosystem: Retail-Geld trifft auf institutionelle Prozesse. Die KVG wird zum Übersetzer zwischen beiden Welten – eine Rolle, die künftig strategisch an Bedeutung gewinnt.

7.2 Herausforderungen

  • Marktreife: Nur wenige Anbieter verfügen über zugelassene ELTIF-Strukturen; Verwaltungs- und Reporting-Kosten sind weiterhin hoch.
  • Vertriebskompetenz: Vermittler müssen MiFID- und SFDR-Pflichten kennen, um ELTIFs korrekt einzuordnen.
  • Sekundärmarkt: Noch fehlt eine funktionsfähige Handelbarkeit; digitale Register und Tokenisierung könnten Abhilfe schaffen.

7.3 Zukunftsausblick – ELTIF 3.0 und Tokenisierung

In den nächsten Jahren wird sich der ELTIF weiterentwickeln. Denkbar sind:

  • digitale Anteilregister auf Blockchain-Basis,
  • sekundäre Handelsplattformen für Retail-Anleger,
  • Verknüpfung mit MiCAR-Regulierung für tokenisierte Wertpapiere,
  • Integration in ESAP (European Single Access Point) zur Transparenzsteigerung.

Diese Entwicklungen könnten den ELTIF endgültig als europäischen Standard für langfristiges, verantwortungsbewusstes Kapital etablieren.

7.4 Schlussbetrachtung

Investieren heißt heute, zwischen Freiheit und Sicherheit zu wählen – zwischen Unternehmertum und Regulierung.

Der ELTIF 2.0 bietet erstmals die Möglichkeit, beides zu vereinen:

  • Er professionalisiert den Zugang zu illiquiden Assets,
  • schafft Anlegerschutz durch Struktur,
  • und öffnet den Markt für privates Kapital, das bisher an der Schwelle institutioneller Anforderungen scheiterte.

In einer Zeit, in der Europa seine wirtschaftliche Souveränität stärken will, sind ELTIFs mehr als Finanzprodukte. Sie sind ein politisches Werkzeug, ein Vertrauensvehikel – und vielleicht der Schlüssel, um Sparvermögen wieder in reale Wertschöpfung zu überführen.

Teil 1 der dreiteiligen Serie lesen Sie hier.

Teil 2 der dreiteiligen Serie lesen Sie hier.


Quellenverzeichnis

Primärrechtliche Grundlagen

  • Europäische Kommission (2011): Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie). Amtsblatt der Europäischen Union, L 174/1.
  • Europäische Kommission (2015): Verordnung (EU) 2015/760 über europäische langfristige Investmentfonds (ELTIF-Verordnung). Amtsblatt der Europäischen Union, L 123/98.
  • Europäische Kommission (2023): Verordnung (EU) 2023/606 zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/760 (ELTIF 2.0). Amtsblatt der Europäischen Union, L 80/1.
  • Bundesministerium der Justiz (2024): Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), in der Fassung vom 19. Dezember 2023.
  • Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) (2024): Merkblatt zum Vertrieb von Investmentvermögen nach §§ 293 ff. KAGB.
  • Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) (2024): Q&A on the Application of the ELTIF Regulation (updated March 2024).

Fachliteratur und wissenschaftliche Beiträge

  • Baur, D. & Scheid, A. (2024): ELTIF 2.0 – Die neue Generation langfristiger Fondsprodukte in Europa. Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 77(5), 243–250.
  • Diekmann, F. (2023): Alternative Investmentfonds und ihre Rolle in der europäischen Kapitalmarktunion. Betriebs-Berater, 78(19), 1041–1049.
  • Hens, T. & Rieger, M. O. (2016): Behavioral Finance für Praktiker: Entscheidungsfehler erkennen und vermeiden. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
  • Langenbucher, K. (2022): Europäisches Finanzmarktrecht – Kommentar. München: C.H. Beck.
  • Lüdemann, S. (2024): ELTIF 2.0 – Chancen und Grenzen des europäischen Wachstumsfonds. Die Bank – Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis, 3/2024, 32–39.
  • Sidley Austin LLP (2025): A U.S. Fund Sponsor’s Perspective on AIFMD 2.0. London: Sidley Publications.
  • Wöhe, G., Döring, U. & Brösel, G. (2020): Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. München: Vahlen.

Regulatorische und institutionelle Publikationen

  • ESMA (2023): Sustainable Finance Roadmap 2023–2026. Paris: European Securities and Markets Authority.
  • Europäische Kommission (2022): Capital Markets Union Progress Report 2022. Brüssel.
  • EFAMA (2024): European Long-Term Investment Funds – Market Overview and Outlook. Brüssel: European Fund and Asset Management Association.
  • OECD (2023): Institutional Investors and Long-Term Investment. Paris: OECD Publishing.

Markt- und Branchenberichte

  • PwC (2024): The Future of ELTIFs – Unlocking Europe’s Long-Term Capital. London: PricewaterhouseCoopers.
  • KPMG (2023): Alternative Assets 2023: Global Outlook. Frankfurt am Main: KPMG Advisory.
  • Preqin (2024): Global Alternatives Report 2024. London.

Gesetzes- und Datenquellen online

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