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ELTIF, AIF & Co: Das müssen Investoren wissen

EU-Kommission machte den Weg für ELTIF frei
Alternative Anlagen

Die Reform des European Long-Term Investment Fund (ELTIF) öffnet den Markt für Privatanleger und verändert die Spielregeln für Real-Asset-Investments. Was unterscheidet ELTIFs von AIFs und direkten Beteiligungen – und wieso prägt dies die Zukunft des europäischen Kapitalmarkts? Zum Start der dreiteiligen Serie: Erläuterungen zu den wesentlichen Grundbegriffen und eine Einordnung des ELTIF.

08.12.2025 | 13:00 Uhr von «Klaus Wolfermann»

1. Einleitung – Wieso die Unterscheidung heute so wichtig ist

Die Investmentlandschaft Europas befindet sich in einem Umbruch, der tiefgreifender ist, als es auf den ersten Blick erscheint. In den vergangenen zehn Jahren haben Regulatoren, Fondsanbieter und Investoren die Regeln des langfristigen Kapitaleinsatzes neu definiert. Was früher die Domäne institutioneller Anleger war – Beteiligungen an Infrastruktur, Private Equity oder Immobilien – steht heute zunehmend auch vermögenden Privatanlegern offen. Der Kern dieser Öffnung ist die Entwicklung spezialisierter Fondsvehikel – allen voran der European Long-Term Investment Fund (ELTIF).

Der ELTIF wurde 2015 als Instrument konzipiert, um privates Kapital in die Realwirtschaft zu lenken. Doch erst die Reform von 2023 (VO (EU) 2023/606) beseitigte die meisten Eintrittsbarrieren: Die Mindestanlageschwellen wurden gesenkt, Rückgaberegeln flexibilisiert, der Produktpass vereinfacht. Damit rückte der ELTIF 2.0 in das Zentrum einer europäischen Kapitalmarktunion, die langfristige Investitionen fördern will.

Warum ist diese Entwicklung relevant? Weil Kapital heute zwar reichlich vorhanden ist, doch der Vertrauensrahmen, in dem es angelegt werden kann, immer enger wird. Anleger müssen verstehen, ob sie sich an einem streng regulierten Fonds beteiligen, eine direkte gesellschaftsrechtliche Position eingehen oder in eine Mischstruktur investieren, die zwischen beiden Extremen liegt.

In Deutschland ist der Markt für sogenannte Alternatives – also Anlagen außerhalb börsennotierter Wertpapiere – historisch zweigeteilt. Auf der einen Seite stehen die AIFs (Alternative Investment Funds), die unter dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) reguliert sind und typischerweise über eine Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) gemanagt werden. Auf der anderen Seite finden sich direkte Beteiligungen, die häufig von Unternehmern, Family Offices oder erfahrenen Privatinvestoren genutzt werden, um gezielt Einfluss auf operative Geschäfte zu nehmen.

Zwischen diesen Polen etabliert sich der ELTIF 2.0 als Brückenlösung: institutionelle Governance mit breitem Anlegerzugang. Er ist das erste EU-weit harmonisierte Vehikel, das professionelles Fondsmanagement mit langfristiger Kapitalbindung und Privatanleger-Kompatibilität verbindet.

Diese Differenzierung ist mehr als semantisch. Sie entscheidet über Haftungsumfang, steuerliche Behandlung, Liquiditätszugang und – letztlich – über die psychologische Wahrnehmung von Risiko. Ein Anleger, der glaubt, sich „an einem Unternehmen zu beteiligen“, erwartet Mitgestaltung. Wer hingegen einen Fondsanteil zeichnet, erwartet Schutz durch Regulierung. Beide Ansprüche müssen verstanden, abgegrenzt und kommuniziert werden.

Der folgende Beitrag analysiert diese Unterschiede systematisch – juristisch, wirtschaftlich und anlegerorientiert – und zeigt, welche Strukturen in der Praxis welche Zielgruppen adressieren.


2. Grundbegriffe und Einordnung

2.1 Alternative Investment Funds (AIF)

Der Begriff AIF wurde mit der Richtlinie 2011/61/EU (AIFMD) eingeführt und durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) in deutsches Recht überführt. Danach gilt als AIF jedes kollektive Investmentvehikel, das Kapital von Anlegern einsammelt und nach einer definierten Anlagestrategie investiert, ohne ein OGAW-Fonds (UCITS) zu sein.

AIFs können offen oder geschlossen, inländisch oder ausländisch, professionell oder semi-professionell sein. Typische Beispiele:

  • Geschlossene Immobilienfonds
  • Private-Equity-Beteiligungsfonds
  • Infrastruktur- und Energie-Fonds
  • Debt-Fonds oder Loan-Originators

Wesentliche Merkmale:

  • Regulierte Struktur: Verwaltung durch eine zugelassene oder registrierte KVG.
  • Risikomanagement-System: Vorgaben zu Leverage, Liquidität, Verwahrstelle.
  • Transparenzpflichten: Periodisches Reporting gemäß Annex IV AIFMD.
  • Vertriebsbeschränkung: Öffentlicher Vertrieb nur mit BaFin-Anzeige.

AIF ist nicht gleich AIF: National sind Publikums-AIFs (§§ 261 ff. KAGB) und Spezial-AIFs (§§ 284 ff. KAGB) zu unterscheiden. Publikums-AIFs (P-AIF) richten sich ausdrücklich an Privatanleger und sind als geschlossene Fonds mit BaFin-Zulassung, Prospektpflicht, strengen Anlagegrenzen (u. a. Diversifikation, max. Fremdkapitalquote) und umfassenden Berichtspflichten konzipiert. Spezial-AIFs adressieren semi-/professionelle Anleger und bieten größere Gestaltungsfreiheit (Anlagepolitik, Leverage, Reporting-Taktung). In der Gesamtschau stehen Publikums-AIFs (national), Spezial-AIFs (institutionell) und ELTIFs (europaweit) als gleichwertige, aber unterschiedlich skalierte Regulierungswege nebeneinander – mit jeweils eigenem Stärkenprofil für Real-Assets.

Publikums-AIFs — Eckdaten (Deutschland):
Zielgruppe: Privatanleger (national)
Aufsicht/Prospekt: BaFin-Zulassung und gebilligter Verkaufsprospekt, KID
Anlagegrenzen (typisch): Diversifikationspflichten (z. B. Immobilienfonds mind. 3 Objekte),
Fremdkapital­obergrenzen (regelmäßig konservativer als bei Spezial-AIF)
Berichte/Transparenz: Jahresbericht (geprüft), regelmäßige Anlegerinfos, Annex-IV-Pflichten
via KVG

Liquidität: geschlossene Struktur; Zweitmarkt über spezialisierte Handelsplattformen
Stärkenprofil: nationaler Verbraucherschutz, einheitliche Anlegerinformationen, geringerer
Mindestbetrag
(marktüblich ab ca. 10 000 €)

2.2 European Long-Term Investment Funds (ELTIF)

Der ELTIF ist eine europäische Spezialform des AIF. Seine rechtliche Basis bildet die Verordnung (EU) 2015/760, zuletzt umfassend novelliert durch Verordnung (EU) 2023/606 („ELTIF 2.0“).
Er verfolgt ein klares politisches Ziel: langfristiges Kapital für Infrastruktur, kleine und mittlere Unternehmen (KMU), nachhaltige Energie- und Transformationsprojekte zu mobilisieren.

Kernmerkmale des ELTIF 2.0:

  • Zugang für Privatanleger: Mindestanlagepflichten entfallen (Art. 30 Abs. 3 ELTIF-VO neu).
  • Breiter Anlagekatalog: Neben Infrastruktur und Private Equity sind nun auch ELTIF-Eligible Loans, Green Assets und Fund-of-Funds-Strukturen zulässig.
  • Verbesserte Liquidität: Rückgabefenster (gemäß Art. 18 ELTIF-VO) während der Laufzeit möglich, sofern Liquiditätsmanagementsystem vorhanden ist (Art. 18 ELTIF-VO neu).
  • Europäischer Pass: Einheitliches Vertriebsregime, keine nationale Doppelzulassung erforderlich.

In der Praxis bedeutet das: Ein Anleger aus Deutschland kann einen luxemburgischen ELTIF über eine in Frankfurt registrierte KVG zeichnen, die ihrerseits von der CSSF beaufsichtigt wird. Damit entsteht ein europaweit einheitlicher Investorenmarkt für langfristige Realwerte.

Der ELTIF 2.0 verbindet institutionelle Governance mit Retail-Tauglichkeit – ein Novum. Er ist zugleich ein politisches Instrument: Die EU will private Ersparnisse produktiver machen und Kapitalströme in den grünen Umbau lenken.

2.3 Direkte Beteiligungen

Unter direkten Beteiligungen versteht man den unmittelbaren Erwerb von Gesellschaftsanteilen, typischerweise an einer GmbH, GmbH & Co. KG oder AG. Der Investor wird Gesellschafter und trägt unternehmerisches Risiko.
Rechtsgrundlagen sind das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Handelsgesetzbuch (HGB) und das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG).

Merkmale:

  • Volle Kontrolle und Haftung im Rahmen der Beteiligungsform.
  • Keine Finanzaufsicht: außer bei öffentlichem Angebot (Prospektpflicht nach VermAnlG).
  • Kein regulatorisches Risikomanagement: Die Verantwortung für Transparenz, Bewertung und Exit liegt vollständig beim Anleger.

Direkte Beteiligungen bieten Gestaltungsspielraum, verlangen aber Erfahrung in Bilanzanalyse, Gesellschaftsrecht und Marktkenntnis. Für viele Anleger sind sie Ausdruck eines „unternehmerischen Selbstverständnisses“, nicht eines Finanzprodukts.

Im Gegensatz zu Fondsbeteiligungen sind direkte Engagements nicht fungibel. Der Investor handelt auf eigenes Risiko, ohne KVG-Kontrolle oder Verwahrstelle. Was Freiheit bedeutet, kann schnell in Intransparenz münden – ein Punkt, den Fondsstrukturen systematisch entschärfen.

2.4 Abgrenzung zu OGAW (U.C.I.T.S.)

Zur Einordnung gehört auch der Hinweis, was nicht unter die AIF-Logik fällt: OGAW-Fonds (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren).

Diese „Publikumsfonds“ investieren überwiegend in liquide, börsennotierte Wertpapiere und unterliegen der OGAW-Richtlinie 2009/65/EG.

Ihr Hauptmerkmal ist tägliche Rückgabefähigkeit und strenge Diversifikationsvorgabe (max. 10 % Emittentenrisiko).

Während OGAWs das Rückgrat des Retail-Markts bilden, sind AIFs und ELTIFs die langfristigen Bausteine institutioneller und privater Vermögensstrukturierung.

Der ELTIF schließt damit die Lücke zwischen kurzfristig handelbaren UCITS-Produkten und unternehmerischen Direktinvestitionen. Er ist der Versuch, die Renditeprämie illiquider Anlagen kontrolliert zugänglich zu machen.

2.5 Die Rolle der KVG und des Aufsichtsrahmens

Sowohl AIFs als auch ELTIFs müssen von einer Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) verwaltet werden. Diese übernimmt:

  • Portfoliosteuerung,
  • Risikomanagement,
  • Bewertung,
  • Anlegerkommunikation und
  • regulatorisches Reporting.

Die KVG benötigt eine Zulassung nach Art. 6 AIFMD bzw. §§ 20 ff. KAGB. Ihr unterliegt eine Verwahrstelle, die die Fondsmittel kontrolliert und gegen unautorisierte Transaktionen schützt (Art. 21 AIFMD).

Das Zusammenspiel aus KVG und Verwahrstelle ist das Sicherheitsnetz des europäischen Fondsrechts. Bei Direktbeteiligungen fehlt es vollständig – dort entscheidet allein der Vertragspartner über Mittelverwendung und Berichtswesen.

2.6 Kapitalfluss und Transparenz

Die Kapitalflusskette eines Fonds lässt sich vereinfachend so darstellen:

Investor → KVG → Zweckgesellschaft (SPV) → Zielinvestments (z. B. Immobilien, Unternehmen, Infrastrukturprojekte).

Bei einer direkten Beteiligung entfällt die KVG-Ebene; der Investor tritt unmittelbar in die Gesellschaft ein. Diese strukturelle Trennung erklärt die regulatorische Logik:

Je weiter der Anleger von der operativen Ebene entfernt ist, desto stärker müssen Verwaltung und Aufsicht standardisiert sein.

2.7 Psychologische Perspektive – Komplexität und Kontrolle

Aus Sicht der Behavioral Finance ist der Unterschied zwischen AIFs, ELTIFs und direkten Beteiligungen auch ein Frage der Wahrnehmung von Kontrolle.

Investoren tendieren dazu, Risiko dort zu unterschätzen, wo sie direkten Einfluss glauben zu haben. Direkte Beteiligungen befriedigen dieses Bedürfnis – der Anleger „kennt“ das Unternehmen. Fondsbeteiligungen wirken abstrakter, aber sie bieten Diversifikation und institutionelle Prüfung.

Die Kunst der modernen Finanzkommunikation besteht darin, diesen psychologischen Zielkonflikt aufzulösen: Sicherheit durch Struktur zu vermitteln, ohne Unternehmertum zu entmutigen. Genau hier positioniert sich der ELTIF 2.0 – er übersetzt institutionelle Qualität in anlegergerechte Zugänglichkeit.


Morgen lesen Sie an gleicher Stelle alles über die regulatorischen, strukturellen und wirtschaftlichen Besonderheiten von ELTIF.

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