Die Reform des European Long-Term Investment Fund (ELTIF) öffnet den Markt für Privatanleger und verändert die Spielregeln für Real-Asset-Investments. Was unterscheidet ELTIFs von AIFs und direkten Beteiligungen – und wieso prägt dies die Zukunft des europäischen Kapitalmarkts? Teil 2 der dreiteiligen Serie: die regulatorischen, strukturellen und wirtschaftlichen Unterschiede von ELTIF.
09.12.2025 | 14:00 Uhr von «Klaus Wolfermann»
Regulatorische, strukturelle und wirtschaftliche Unterschiede
3. Regulatorische Unterschiede im Detail
Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind das Fundament, auf dem alle alternativen Anlageformen ruhen. Zwischen AIFs, ELTIFs und direkten Beteiligungen verläuft die Trennlinie dort, wo Regulierung in Verantwortung übergeht – also zwischen beaufsichtigtem Finanzprodukt und unmittelbarem Unternehmerrisiko.
3.1 AIFs – Das Rückgrat des regulierten Markts
AIFs unterliegen in Deutschland dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), das die AIFM-Richtlinie (2011/61/EU) in nationales Recht übersetzt.
Dieses Regelwerk regelt wer verwalten darf, wie investiert werden darf und welche Pflichten gegenüber Anlegern bestehen.
Kernelemente:
Damit entsteht ein engmaschiges Aufsichtsnetz, das Missbrauch und Interessenkonflikte verhindern soll. Die Kehrseite: hohe Komplexität und natürlich Kosten.
Praktisch betrachtet sind AIFs die „regulierte Komfortzone“ privater und institutioneller Investoren – mit klarer Governance, aber eingeschränkter Flexibilität. Wer in diesem Rahmen arbeitet, verzichtet bewusst auf individuelle Freiheitsgrade zugunsten von Rechtssicherheit. Darüber hinaus bieten die AIFs je nach Ausgestaltung den jeweils geeigneten Umsetzungsmantel, um strategiekonform die Umsetzungszeit durch entsprechende Kapitalbindung sicherzustellen.
Publikums-AIFs (§§ 261 ff. KAGB) bilden die inländische Entsprechung des ELTIF-Regimes – ein vollständig reguliertes Anlagevehikel für Privatanleger mit BaFin-Genehmigung und Verkaufsprospektpflicht.
Sie kombinieren institutionelle Fondsaufsicht mit nationalem Verbraucherschutz und unterliegen strengen Vorgaben zu Diversifikation, Beleihung und Laufzeitgestaltung.
In ihrer Zielsetzung sind sie dem ELTIF gleichgestellt: Zugang zu langfristigen, realwirtschaftlichen Vermögenswerten für Privatanleger.
Im Unterschied dazu adressiert der Spezial-AIF (§§ 284 ff. KAGB) professionelle und semiprofessionelle Anleger, die höhere Freiheitsgrade bei Leverage, Reporting und Portfoliostruktur wünschen.
Damit ergibt sich eine Dreigliederung des europäischen Real-Asset-Regimes:
– Publikums-AIF (DE): nationaler Privatanlegerrahmen,
– Spezial-AIF: institutionelle Flexibilität,
– ELTIF 2.0: europäische Skalierung mit Passporting-Funktion.
3.2 ELTIFs – Europäischer Pass und politische Agenda
Der ELTIF baut auf der AIF-Struktur auf, ergänzt sie jedoch um spezifische Vorschriften zur Investitionsrichtung und Anlegeröffnung.
Seine Besonderheit ist der europäische Vertriebspass: Ein einmal zugelassener ELTIF darf in allen EU-Staaten angeboten werden, ohne zusätzliche nationale Genehmigung (Art. 31 ELTIF-VO).
Wesentliche Neuerungen durch die Reform 2023:
Das Ziel ist klar: Kapital, das bisher in Sparprodukten oder Geldmarktfonds gebunden war, soll produktiv in Real Assets fließen.
Der ELTIF 2.0 ist kein Marketing-Gag, sondern Ausdruck eines finanzpolitischen Paradigmenwechsels: weg vom kurzfristigen Handel, hin zur Finanzierung realwirtschaftlicher Transformation.
3.3 Direkte Beteiligungen – Regulierung durch Verantwortung
Direktbeteiligungen
entziehen sich dem europäischen Fondsrecht vollständig. Sie basieren auf
Gesellschaftsverträgen, Gesellschafterbeschlüssen und individuellen
Vereinbarungen.
Nur wenn Anteile öffentlich angeboten werden, greift das Vermögensanlagengesetz
(VermAnlG) mit Prospektpflicht und Mindestinformationsanforderungen.
Ein Anleger, der sich an einer GmbH & Co. KG beteiligt, agiert rechtlich als Mitunternehmer. Er hat Einsichtsrechte, Mitwirkungspflichten und trägt das volle wirtschaftliche Risiko.
Der Gesetzgeber betrachtet diese Form der Kapitalanlage als unternehmerisches Handeln, nicht als Finanzprodukt. Der Schutz entsteht nicht durch Aufsicht, sondern durch Vertragsfreiheit und Eigenverantwortung.
3.4 MiFID II – Anlegerkategorisierung und Beratungspflichten
Sowohl AIFs als auch ELTIFs fallen in den Anwendungsbereich der MiFID II-Regeln, sofern sie über Banken oder Finanzdienstleister vertrieben werden.
Die entscheidende Kategorie ist die Anlegerklassifizierung:
Direkte Beteiligungen unterliegen MiFID II nur, wenn ein Vermittler sie vertreibt. Erfolgt der Erwerb im privaten Umfeld, greifen die Regeln nicht.
Die Folge ist eine deutliche Asymmetrie: Während Fondsprodukte durch Regulierung Vertrauen erzeugen, lebt die Direktbeteiligung von persönlicher Beziehung und Due Diligence-Kompetenz.
4. Strukturelle und wirtschaftliche Unterschiede
4.1 Aufbau und Funktionsweise
Ein AIF oder ELTIF ist ein mehrschichtiges Konstrukt:
Bei einer direkten Beteiligung hingegen entfällt diese Mittelschicht. Der Investor tritt unmittelbar in die operative Gesellschaft ein.
Das führt zu fundamentalen Unterschieden:
4.2 Liquidität und Kapitalbindung
Einer der zentralen Differenzierungsfaktoren ist die Liquidität.
| Struktur | Typische Laufzeit | Rückgabemöglichkeit | Sekundärmarkt |
|---|---|---|---|
| Publikums-AIF (DE) | 10–20 Jahre | Nein (geschl.), Kündigung nur ausnahmsweise | Spezialisierte Zweitmärkte (national) |
| Spezial-AIF | 8–15 Jahre | Nein (geschl.), vertraglich definierte Sondersituationen | Institutionelle Zweitmärkte/OTC |
| ELTIF 2.0 (EU) | 7–12 Jahre | Rückgabefenster möglich (Art. 18 ELTIF-VO) | im Aufbau (EU-weit, Plattformlogik) |
| Direkte Beteiligung | Unbegrenzt/Exit-basiert | Verkauf/Abtretung nur individuell | Individuell verhandelbar, illiquide |
Während der AIF traditionell ein illiquides Vehikel bleibt, will der ELTIF mit geregelten Rückgabefenstern ein Stück Flexibilität schaffen – ohne die Langfristlogik zu zerstören. Er ist somit das erste regulierte Hybridmodell zwischen Fondsbindung und Teilverfügbarkeit.
4.3 Kosten- und Ertragsstrukturen
Die Kostenmechanik unterscheidet sich deutlich:
| Kostenart | ELTIF | P-AIF | S-AIF | Direkte Beteiligung |
|---|---|---|---|---|
| Management Fee | 1,0–3,0 % p. a. | ~ 1,0–3,5% p.a. | ~ 0,8-2,0% p.a. | keine, ggf. Geschäftsführervergütung |
| Performance Fee | Oft. 10–20 % über Hurdle Rate | Häufig (Carried/ | Häufig (Carried/ | keine, direkte Gewinnbeteiligung |
| Hurdle) | Hurdle) | |||
| Verwahrstelle / Audit | verpflichtend | verpflichtend | verpflichtend | keine |
| Transaktionskosten | zentral, prospektiert | zentral, prospektiert | zentral, mandatsabhängig | individuell (oft höher) |
| Steuerberatung / Strukturkosten | EU-weit harmonisiert | einheitlich/ national | institutionell/ mandatsbasiert | individuell |
Wirtschaftlich betrachtet ist die Fondsbeteiligung teurer, aber effizienter: Sie verteilt Fixkosten auf viele Anleger und schafft institutionelles Controlling. Direktbeteiligungen sind günstiger in der laufenden Verwaltung, bergen aber erheblich höhere Transaktionsrisiken.
4.4 Rendite, Risiko und Hebel
Renditeprofile hängen unmittelbar mit dem Leverage-Einsatz zusammen.
AIFs und ELTIFs dürfen Fremdkapital einsetzen, allerdings innerhalb gesetzlicher Grenzen.
Direkte Beteiligungen sind frei in der Finanzierungsstruktur – ein zweischneidiges Schwert. Ohne regulatorische Begrenzung steigt die Gefahr der Überschuldung, insbesondere bei Projektgesellschaften.
Der Renditevorteil direkter Beteiligungen ist keine systemische Überlegenheit, sondern eine Kompensationsprämie für fehlende Diversifikation und mangelnde Liquidität.
4.5 Risikomanagement und Governance
In Fondsstrukturen sind Risikosteuerung und Compliance Pflicht.
Die KVG überwacht Marktrisiken, Konzentrationsrisiken, Gegenparteirisiken und Liquidität.
Bei ELTIFs kommen zusätzliche ESG-Prüfungen hinzu, da viele Fonds nach Art. 8 oder 9 SFDR klassifiziert sind.
Direkte Beteiligungen kennen kein standardisiertes Risikomanagement – dort ersetzt der Gesellschafterausschuss oder Beirat die institutionelles Controlling.
Governance ist der entscheidende qualitative Unterschied: Ein Fonds erzeugt „Sicherheit durch System“, eine Beteiligung „Sicherheit durch Beziehung“.
4.6 Steuerliche Perspektive
Die steuerliche Behandlung variiert erheblich:
Für vermögende Privatanleger ist die steuerliche Planung häufig ausschlaggebender als die Renditeerwartung selbst. Der ELTIF bietet hier mit seiner EU-weiten Depotfähigkeit ein strategisches Argument: klare Dokumentation, einheitliches Reporting, einfache Integration in Vermögensverwaltungsmandate.
4.7 Transparenz und Reporting
AIFs und ELTIFs unterliegen umfangreichen Berichtspflichten:
Direktbeteiligungen dagegen berichten nach Gesellschaftsvertrag – oft unregelmäßig und ohne einheitlichen Standard.
Diese formale Transparenz ist mehr als Bürokratie: Sie schafft Vergleichbarkeit, ein entscheidendes Kriterium für professionelle Investoren und Family Offices.
4.8 ESG und Impact-Aspekte
Seit der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) steht Nachhaltigkeit im Zentrum institutioneller Produktgestaltung.
AIFs und ELTIFs müssen offenlegen, ob sie ESG-Ziele verfolgen (Artikel 8 oder 9) oder nicht (Artikel 6).
Direkte Beteiligungen unterliegen keiner Pflicht, können jedoch freiwillig ESG-Kriterien anwenden.
In der Praxis entsteht hier eine doppelte Dynamik:
Der ELTIF eignet sich besonders, um Impact-Investments strukturiert und skalierbar zugänglich zu machen – ein zentrales Argument für die EU, dieses Regime zu fördern.
Morgen lesen Sie an gleicher Stelle in Teil 3 der Serie einen Anlegervergleich, ein Praxisbeispiel und das Fazit.
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