Anleger überschätzen möglicherweise aktuelle Risiken in den Emerging Markets. Dadurch geht der Blick für längerfristige Chancen in dynamischen Regionen verloren.
06.11.2019 | 14:45 Uhr von «Christian Bayer»
Der Asset Manager Robeco blickt auf 25 Jahre Entwicklung in den Schwellenländern
zurück. Dabei wird deutlich, dass sich dieses Anlage-Universum drastisch
verändert hat. Mitte der 1990er-Jahre war die Bedeutung Mexikos bedeutend
größer, mittlerweile dominiert China die Emerging Markets. In den breiten Schwellenländer-Indizes
macht die asiatische Region insgesamt etwa 75 Prozent aus. Das Übergewicht
Asiens stellte nach Auffassung der Robeco-Experten Investoren vor das Problem,
dass es in der Vergangenheit trotz hohen Wachstums in der Region schwierig war,
attraktive Renditen zu erzielen. Die Gründe lagen aus Sicht von Arnout van
Rijn, Chefanlagestratege für den asiatisch-pazifischen Raum bei Robeco, teilweise
in der Bilanzstruktur. Eigenkapital würde von asiatischen Unternehmen bevorzugt,
selbst wenn es effizienter wäre, sich Fremdkapital zu beschaffen.
„Wir versuchen, den Managern der Unternehmen aufzuzeigen, dass sie durch Fremdkapitalaufnahme eine höhere Eigenkapitalrentabilität erreichen können“, so van Rijn. Zudem sind aus Sicht des Anlage-Strategen die Gewinnausschüttungen gering gewesen. Mit einer neuen Managergeneration würden jetzt allerdings zunehmend Dividenden gezahlt. Unter Bewertungsgesichtspunkten hält Wim-Hein Pals, Leiter des Emerging Markets-Teams bei Robeco, Schwellenländer-Aktien für extrem billig:
„Bei den Kurs-Gewinn-Verhältnissen gibt es gegenüber den
Industrieländern Abschläge von 30 Prozent – verglichen mit einem historischen
Durchschnitt von etwa zehn Prozent. Dies dient als Ausgleich für höhere Risiken
und geringere Liquidität.“ Die Robeco-Experten gehen davon aus, dass die
nächsten zehn Jahre eine Dekade der Emerging Markets sein könnten.
Aus Sicht des Schwellenländer-Strategen von Lazard Asset Management, James
Donald, konzentrieren sich Anleger aktuell zu sehr auf negative Faktoren in den
Emerging Markets und vernachlässigen dabei positive Perspektiven. Neben der
Furcht vor einer globalen Rezession treiben aus seiner Sicht länderspezifische
Probleme die Anleger um. Als Beispiele nennt er die bevorstehenden Wahlen in
Argentinien sowie die Anschläge auf die Öl-Anlagen in Saudi-Arabien. Anleger
würden die Stärke einiger Volkswirtschaften unterschätzen und die Anstrengung
einiger Regierungen zur Stimulierung der Nachfrage ignorieren. Donald nimmt
unter den Schwellenländern auch Gewinner des Handelskonfliktes zwischen China
und den USA wahr: „Global produzierende Konzerne versuchen, ihre Zulieferketten
zu optimieren und die Produktion in Länder auszulagern, die vom Konflikt nicht
betroffen sind, zum Beispiel Vietnam und Mexiko.“
Neben Vietnam sehen die Multi Asset-Experten von Nikko Asset Management Taiwan
als großen Gewinner des Handelskonfliktes zwischen China und den USA. Andere
Länder der Region zeigten immerhin Widerstandskraft gegen negative Auswirkungen
des Streites. „Das Wachstum innerhalb der ASEAN-Region bleibt stabil – eine
Mischung aus Direktinvestitionen aus dem Ausland, lockerer Geldpolitik und
fiskalpolitischer Impulse konnte den Nachfrageausfall aus China teilweise
kompensieren“, erläutern die Investment-Strategen. In Lateinamerika beklagen
die Experten ein schwaches Wachstum und mangelnde Reformen. Allerdings gibt es aus
ihrer Sicht neben reformunwilligen Ländern der Region auch Ausnahmen: „Brasilien
hält derweil an seiner Reformagenda fest, auch wenn manchen Wählern und
Politikern die Geduld zu reißen droht, da die versprochene Rückkehr auf den
Wachstumspfad auf sich warten lässt.“
Die Emerging Markets-Experten von M&G nehmen nach einer soliden Performance im ersten Halbjahr bei Schwellenländer-Anleihen zuletzt wieder stärkere Schwankungen wahr. Claudia Calich, Fondsmanagerin des M&G Emerging Markets Bond Fund, erwartet allerdings weiter ein positives Umfeld in den aufstrebenden Volkswirtschaften: „Nach unserer Einschätzung werden sich einige Faktoren vorteilhaft auf die längerfristige Entwicklung der Schwellenländermärkte auswirken: Zum einen haben diese Länder einen beträchtlichen Anteil am globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) und punkten ganz klar mit demografischen Vorteilen. Außerdem sind sie im Vergleich mit Industrieländern relativ gering verschuldet. Auch das derzeit sehr niedrige Zinsniveau der Industrieländer dürfte die Beliebtheit von Schwellenländertiteln in Hart- oder Landeswährungen erhöhen.“ Die Fondsmanagerin hat neu emittierte Dollar-Staatsanleihen aus El Salvador gekauft, da sich aus ihrer Perspektive die Aussichten für das Land aktuell stabilisieren.
Die 10 besten Schwellenländer-Aktienfonds der letzten 5 Jahre
Quelle. BÖRSE ONLINE
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