Die Investitionen in künstliche Intelligenz haben historische Ausmaße erreicht. Doch während Tech-Giganten ihre Expansion zunehmend über Kredite finanzieren, bleibt offen, ob und wann sich diese Summen jemals rentieren werden.
04.12.2025 | 12:15 Uhr
Die weltweite Investitionswelle rund um künstliche Intelligenz zeigt keine Anzeichen einer Abkühlung. Doch trotz beeindruckender Zahlen bleibt die zentrale Frage unbeantwortet: Wie werden diese gigantischen Summen langfristig monetarisiert?
Justin Thomson, Head of Investment Institute und CIO bei T. Rowe Price, analysiert die Dynamik eines Marktes, der zwischen echtem Bedarf, spekulativem Überschwang und wachsenden Risiken schwankt.
Die Ausgaben für KI erreichen inzwischen rund ein Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts – in einer Volkswirtschaft, die nur um 1,8 Prozent wächst. Nvidia, Sinnbild des aktuellen Booms, erzielte zeitweise eine Marktkapitalisierung von fünf Billionen US-Dollar, was etwa 15 Prozent der US-Wirtschaft entspricht.
„Bei einer Konferenz in Hongkong bezeichnete ein CEO einer großen Vermögensverwaltung 2,5 Billionen US-Dollar an Investitionen über fünf Jahre als „nicht viel.“
Für Thomson eine bemerkenswerte Einschätzung – und ein Hinweis darauf, wie sehr der Markt von Erwartungshaltungen getragen wird.
Thomson identifiziert zwei parallele KI-Booms:
Besonders deutlich werde das an den stillen, aber gigantischen Bauprojekten: Während über den 3-Milliarden-Dollar-Hauptsitz von JP Morgan diskutiert wird, entstehen in Texas nahezu unbeachtet Rechenzentren für 40 Milliarden Dollar.
Steigende Bewertungen beeinflussen laut Thomson die realen Fundamentaldaten – und diese wiederum die Erwartungen. Ein sich selbst verstärkender Kreislauf, der derzeit besonders bei KI-Megadeals sichtbar wird.
Er zieht eine weitere Parallele zur Dotcom-Ära: Infrastrukturanbieter investierten in KI-Unternehmen, die wiederum auf ihre Dienste angewiesen sind – ein Modell, das früher als „Vendor Financing“ bekannt war.
Bisher stützten Tech-Giganten den KI-Boom vor allem durch Eigenkapital. Nun beginnt für Thomson eine neue Etappe: Die Kreditaufnahme steigt – teils außerhalb der Bilanz, und sie dürfte sich weiter beschleunigen.
Nicht jede Blase sei per se schädlich. Historisch hätten „gute Blasen“ zu technologischen Sprüngen geführt – etwa bei Eisenbahnen, Elektrizität oder dem Internet.
Doch alle hätten eines gemeinsam: Frühinvestoren verloren häufig viel Geld, bevor die langfristigen Produktivitätsgewinne sichtbar wurden.
Für die KI gilt laut Thomson:
Ein weiterer Konfliktpunkt:
Die Anreize der Infrastruktur- und der Softwareseite seien nicht deckungsgleich.
Während Rechenzentrumsbetreiber vom Ausbau profitieren, arbeiten KI-Anwendungsentwickler daran, Rechenkosten und -bedarf zu senken.
Die aktuellen Bewertungen der Hyperscaler spiegelten eine Erwartung ständiger, nahezu grenzenloser Nachfrage wider. Doch historische Beispiele zeigen: „Auf Hybris folgt oft Nemesis – oder in moderner Sprache: Nicht alle Akteure können gleichzeitig gewinnen“, so Thomson.
Der KI-Boom hat das Potenzial, einen neuen technologischen Superzyklus einzuleiten. Doch der Weg zur Monetarisierung ist unklar, die Verschuldung steigt, und die Risiken einer Überinvestition sind real. Investoren sollten deshalb vorsichtig sein. (jk)
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