Das Aus für Bankfilialen geht weiter, und zwar schneller und radikaler als von vielen gedacht. Zusätzlich werden über Negativzinsen Neukunden vergrault.
20.11.2019 | 14:40 Uhr von «Christian Bayer»
Die Tatsache, dass Online-Banken und Fintechs das Geschäftsmodell der
Bankfiliale um die Ecke zunehmend in Frage stellen, ist Branchenbeobachtern
seit langem klar. Doch die aktuellen Hiobsbotschaften für Mitarbeiter und
Bankkunden deuten auf einen drastischeren Wandel hin als manche vermuten. Aktuell
lässt sich die Entwicklung bei der Sparda-Bank West beispielhaft verfolgen. Das
Finanzinstitut betreut über 700000 Kunden und ist damit nach Mitgliederzahl die
größte deutsche Genossenschaftsbank. Von 82 Filialen im nordrhein-westfälischen
und niedersächsischen Raum sollen längerfristig nur 39 überleben. Den übrigen
droht bis 2022 das Aus, im Feuer stehen dabei 250 von mehr als 1000 Arbeitsplätzen.
Die Entwicklung der Branche folgt einem Teufelskreis. Einerseits müssen Banken
ihre Kapazitäten auf die Digitalisierung fokussieren. Wenn Kunden dann vermehrt
digitale Kontaktwege nutzen, verwaisen zunehmend Filialen und fallen irgendwann
dem Sparstift zum Opfer. „Aktuelle Analysen zeigen, dass unsere Kunden immer
seltener eine Filiale besuchen und stattdessen andere Kontaktmöglichen
bevorzugen. Als eine Genossenschaftsbank, die sich an den Bedürfnissen ihrer
Mitglieder und Kunden orientiert, müssen wir darauf reagieren und unser Angebot
an die Wünsche und Erwartungen unserer Kunden anpassen“, erläutert Manfred
Stevermann, Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank West, die aktuelle Situation.
Erst im vergangenen Jahr hat die Sparda-Bank West mit der Sparda-Bank Münster fusioniert.
Bei dieser Gelegenheit hatte Stevermann noch Optimismus verbreitet. Anlässlich
der Bekanntgabe der Fusion hieß es, dass Filialschließungen nicht geplant
seien. „Niedrigzinsphase, Regulatorik, Digitalisierung – es warten eine Menge
Herausforderungen auf uns, die wir als größere Bank besser bewältigen können“,
so begründete Stevermann damals den Zusammenschluss der beiden Institute. Zum
einen lässt sich daraus schließen, dass bei Banken hinsichtlich der
Wettbewerbsfähigkeit die Größe kein entscheidendes Kriterium ist, wenn
weiterhin Ertragsschwäche droht. Zum anderen zeigt die negative Entwicklung in
wenigen Monaten, wie stark der Gegenwind für Retail-Banken mittlerweile weht.
Die Sparda-Bank West kein Einzelfall. Auch bei anderen Instituten wird
geschlossen und gespart, was das Zeug hält. So wird die BW-Bank aus Stuttgart
bis Anfang übernächsten Jahres ihre Filialen von 132 auf 100 reduzieren. Vor
drei Jahren gab es noch 168 Geschäftsstellen. Die Hamburger Sparkasse Haspa hat
angekündigt, in den kommenden Jahren ihr Filialnetz von 130 auf 100 zu
reduzieren. Experten gehen davon aus, dass sich der Trend der
Filialschließungen weiter fortsetzen wird. Besonders stark könnten Filialen der
Sparkassen und der Genossenschaftsbanken betroffen sein, die bislang auch in
ländlichen Regionen für eine Versorgung mit Bankdienstleistungen sorgten. Kunden
wurden dort weniger durch Wettbewerb gewonnen, sondern einfach dadurch, dass
eine Filiale vor Ort war. Ein geändertes Nutzungsverhalten der Kunden, die
zunehmend ihre Bankgeschäfte online erledigen, wird weiter Auswirkungen auf die
Filialdichte haben. Laut aktuellem Global Retail Banking Report der Boston
Consulting Group (BCG) wurden im vergangenen Jahr ein Drittel der neuen Konten in
Deutschland bei Direktbanken oder Fintechs eröffnet. Unter den in der Studie
untersuchten elf Ländern liegt Deutschland gemeinsam mit Österreich
hinsichtlich der Nutzung des Online-Service von Banken mit 58 Prozent auf Platz
3 hinter Belgien und den Niederlanden
Während sich die Branche im Wandel befindet, versuchen die Banken, sich gegen bröckelnde Erträge zu wehren. Die Volksbank Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck wagt aktuell den Tabubruch. Bei den meisten Banken werden Negativzinsen bzw. Verwahrentgelte, wie sie von den Banken euphemistisch genannt werden, erst oberhalb eines Freibetrags von 100000 Euro fällig. Bei der Genossenschaftsbank werden dagegen bei Tagesgeldkonten für Neukunden Strafzinsen in Höhe von 0,5 Prozent ab dem ersten Cent erhoben. Bei Girokonten gilt dagegen ein Freibetrag von 20000 Euro. Geworben wird bei der Volksbank Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck für die Strafzinsen mit dem Argument, Bestandskunden möglichst lange vor entsprechenden Maßnahmen schützen zu wollen.
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