Die drohende Altersarmut ist eines der drängendsten Probleme in Deutschland. Wie eine neue Lösung nach der gescheiterten Riester-Rente aussehen könnte, darüber hat sich die von der Bundesregierung eingesetzte Fokusgruppe private Altersvorsorge Gedanken gemacht. Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI, war Teil der Fokusgruppe und referierte auf der 21. Acatis-Value-Konferenz über den Stand der Dinge beim geförderten Altersvorsorgedepot.
13.06.2024 | 13:00 Uhr von «Jörn Kränicke»
„Mehr als zwei Jahrzehnte nach Einführung der Riester-Rente ist die Reform der privaten Altersvorsorge überfällig“, konstatierte Richter. Riester sei 2002 vor allem ein Geschenk der Politik an die Lebensversicherer gewesen, denn er habe die Alleinstellungsmerkmale in der Lebensversicherung in den Vordergrund gerückt, in erster Linie die Leibrente. „Dies ist eine Benachteiligung der Asset Manager“, so Richter. Denn der größte Teil des angesparten Kapitals muss zu Beginn der Auszahlphase in eine Rentenversicherung eingezahlt werden. Diese ist jedoch teuer und schmälert die Rendite. Mit Union Investment, Deka und später auch der DWS gebe es nur drei Anbieter aus der Asset-Management-Branche.
Die Branche wartet seit vielen Jahren auf eine Reform
Die Branche warte laut Richter seit vielen Jahren auf eine Reform, und in den 16 Jahren unter Angela Merkel sei es keinen Millimeter vorangegangen, obwohl es immer wieder Mahnungen aus der Finanzindustrie und auch von Verbraucherschützern gegeben habe. „In der letzten Legislaturperiode standen wir kurz vor einer Reform der Riester-Rente. Diese scheiterte dann auf den letzten Metern kurz nachdem bekannt wurde, dass Olaf Scholz Kanzlerkandidat wird. Er war damals Finanzminister, und sein Staatssekretär Kukies hatte eine Reform vorbereitet. Im Zuge des Wahlkampfs wurden jedoch andere Prioritäten gesetzt, und das Thema Altersvorsorge geriet in den Hintergrund“, so Richter weiter.
Staatsfonds versus Wahlfreiheit
Richter berichtete plastisch, wie fordernd die monatlich stattfindenden Sitzungen der Fokusgruppe in Berlin waren. Denn bei der Zusammensetzung der Gruppe mussten laut dem BVI-Chef die verschiedensten Gruppen berücksichtigt werden. Neben dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gehörten der Fokusgruppe Vertreterinnen und Vertreter der Anbieterverbände (GDV und BVI), des Verbraucherschutzes (Stiftung Warentest und vzbv), der Sozialpartner (BDA und DGB), der betrieblichen Altersversorgung (aba) sowie der Wissenschaft an. Insgesamt waren dies 19 Personen. Daher prallten dort laut Richter die verschiedensten Vorstellungen aufeinander. Die Fokusgruppe hatte auch den Auftrag zu prüfen, ob der Staatsfonds ein Modell für die private Altersvorsorge sein soll und wie man eine Reform umsetzen kann. „Die Grünen wollen einen Staatsfonds. Ihre Absicht dürfte die Umgehung der Finanzvertriebe, also der Banken und Anlageberater, und damit ein Angriff auf die Provisionsberatung sein. Denn ein Staatsfonds würde durch die Arbeitgeber vertrieben, und damit würden keine Vertriebskosten anfallen. Die FDP hingegen vertritt den freien Wettbewerb. Die Sparer sollten ihre private Altersvorsorge frei wählen können und nicht zwangsweise in einen Staatsfonds einbezogen werden“, so Richter.
Lange Sitzungen
Der BVI-Hauptgeschäftsführer berichtete von langen Sitzungen, in denen der Bericht Wort für Wort – Komma für Komma – vorgelesen wurde. „So habe ich am eigenen Leibe erfahren, wie politische Dokumente entstehen“, sagte Richter. Aus seiner Sicht hätten sich jedoch die Mühen gelohnt. „Das Ergebnis ist bahnbrechend. Denn zum ersten Mal ist Altersvorsorge ohne Kapitalgarantie und ohne Verrentungspflicht möglich. Darüber hinaus soll die Idee eines Staatsfonds in der privaten Altersvorsorge nicht weiterverfolgt werden. Das revolutioniert die Altersvorsorge in Deutschland“, freute sich Richter. „Ich bin seit 14 Jahren beim BVI, und ich habe mich immer gefragt, warum es keinen geförderten Aktiensparplan gibt, da Aktien langfristig hohe Renditen abwerfen. Wenn ich mit der Idee bei Rentenpolitikern angeklopft habe, wurde ich verwundert angeschaut. Zocken mit der Rente, das sei doch unmöglich“, so Richter. Dort herrsche das Mantra, dass Altersvorsorge nur mit Garantien möglich sei. Kapitalgarantien kosteten jedoch viel Geld und erforderten einen hohen Anteil festverzinslicher Wertpapiere in der Kapitalanlage. Die langfristig hohen Aktienrenditen blieben den Riester-Sparern damit verwehrt. Selbst die Versicherungswirtschaft könne sich mit geringeren Garantien anfreunden.
Gesetzentwurf bietet viele Freiheiten
„Das Finanzministerium arbeitet nun seit einem knappen Jahr an dem Gesetzentwurf. Wir erwarten ihn im Sommer“, so Richter weiter. Der Gesetzentwurf soll laut Richter weitreichende Freiheiten bieten. „Im förderfähigen Altersvorsorgedepot sollen Fonds, Anleihen und einzelne Aktien möglich sein. Wer es sicherer mag, darf auch in Garantieprodukte investieren. Eine vorzeitige Entnahme soll nicht möglich sein“, erklärte Richter. Ein Knackpunkt sei laut dem BVI-Hauptgeschäftsführer die Art der Förderung. Am einfachsten sei dies über Steuererleichterungen umsetzbar. Jedoch würde dies Bürger mit geringem Einkommen benachteiligen. „Deshalb muss die Förderung wie bei der Riester-Rente über Zulagen geregelt werden. Das macht das Prozedere aber wieder komplex.“ Geklärt werden müsse auch, welche Produkte förderfähig sein werden, ob dies jeder Fonds sein werde oder eine Auswahl an Produkten. „Ich freue mich auf den Gesetzentwurf und hoffe, das Parlament verabschiedet das Gesetz, bevor es im Wahlkampf 2025 untergeht.“ Es wäre fatal, sollte wieder eine Legislaturperiode ohne Reform der privaten Altersvorsorge verstreichen, resümiert Richter.
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