Die Aktienkurse von Waffenherstellern sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Die Nachfrage ist groß – und das Angebot an neuen Fonds ebenfalls. Nun lautet die Frage: Lohnt sich noch ein Einstieg? Plus: Die besten Fonds und ETFs
10.10.2025 | 10:30 Uhr von «Matthias von Arnim»
Aktien von Rüstungsunternehmen galten lange Zeit als schwere Kost. Insbesondere private Anleger mieden Papiere von Waffenherstellern wie Rheinmetall, Lockheed Martin oder Northrop Grumman. Zum einen, weil mit der Transformation der Industrieländer zu mehr Nachhaltigkeit solche Unternehmen aus den Kauflisten vieler Fonds flogen. Die meisten ESG-Fonds schließen Rüstungsunternehmen sogar kategorisch aus. Zum anderen, weil die Wachstumsperspektiven von Waffenherstellern systemisch begrenzt sind. Denn die Auftraggeber sind fast ausschließlich Staaten. Deren Rüstungsbudgets werden normalerweise langfristig geplant und sind deshalb überschaubar.
Der Vorteil, der sich daraus ergibt: Rüstung ist ein sicheres, planbares Geschäft. Anleger, die auf regelmäßige Dividendenausschüttung setzen, sind mit großen Rüstungsunternehmen deshalb bisher meistens gut gefahren. Nachteil: Auf überdurchschnittlich hohes Kurswachstum im Vergleich zum Gesamtmarkt konnten Investoren bis vor einigen Jahren kaum hoffen.
Das hat sich zuletzt stark geändert. Der Krieg in der Ukraine und die zunehmende Bedrohung der europäischen Staaten durch Russland hat dafür gesorgt, dass die europäischen NATO-Mitglieder ihre Budgets ihrer Verteidigungshaushalte deutlich angehoben haben. Nicht erst, seit Russland begonnen hat, Drohnen über europäischen Flughäfen kreisen zu lassen, ist klar: Europa muss im Eiltempo seine Rüstungsproduktion hochfahren. Erstens, um wenigstens ansatzweise die Lücken zu füllen, die in den vergangenen Jahren durch Vernachlässigung der Militärhaushalte entstanden sind. Zweitens, um darüber hinaus schleunigst eine eigene abschreckende Wehrfähigkeit herzustellen. Die Herausforderungen sind groß genug. Jetzt geht es auch ums Tempo – und damit auch ums Geld. Und da geht Deutschland mit bemerkenswerten Schritten voran: Das Wehrbudget ist nicht mehr begrenzt. Fast noch wichtiger: Die Ausschreibungs- und Beschaffungsprozesse wurden deutlich verkürzt.
Brüssel will die nationalen Finanzierungslücken schließen
Damit auch die finanziell weniger starken EU-Mitglieder ihren Aufrüstungsankündigungen Taten folgen lassen können, hat die EU den Wiederaufrüstungsplan „ReArm Europe“ ins Leben gerufen. Unter dem Dach der EU sollen 800 Milliarden Euro mobilisiert werden. Dazu gehören auch Umschichtungen innerhalb des EU-Haushalts zugunsten „rüstungsnäherer“ Projekte. Das meiste Geld müssen die EU-Mitglieder am Ende zwar selbst stemmen. Doch sie können dies über den EU-Umweg leichter in ihren Staatshaushalten unterbringen. Das Projekt ist ein komplexes buchhalterisches Versteckspiel. Was aber wichtig ist: Die EU setzt damit neue Prioritäten, von denen insbesondere europäische Rüstungsunternehmen profitieren sollen. Es ist zudem allen Beteiligten klar, dass Europa gar keine andere Chance hat, als sehr schnell Taten folgen zu lassen. Dafür ist die Situation im Osten Europas zu brenzlig.
Waffenhersteller profitieren vom politischen Aufrüstungswillen
Die aktuelle geopolitische Situation ist für Rüstungsunternehmen selbstredend günstig. Ihre Fabriken, insbesondere diejenigen im Bereich der Munitionsherstellung, arbeiten schon jetzt unter Vollauslastung. Und die Auftragsbücher sind voll – nicht nur in Europa. Denn während viele europäische Unternehmen ihre Kapazitäten erst noch mit viel Aufwand hochfahren müssen, profitieren derzeit ausländische und insbesondere US-Waffenhersteller von der gestiegenen Nachfrage aus Europa. Die Aktienkurse der Rüstungsunternehmen und der Fonds, die in diese Unternehmen investieren, spiegeln die Entwicklung wider. So hat sich zum Beispiel der weltweit anlegende Future of Defence ETF von HANetf in den vergangenen Monaten deutlich besser entwickelt als der auf europäische Rüstungsunternehmen spezialisierte HANetf - Future of European Defense ETF. Wobei grundsätzlich gilt: Die Aussicht auf ein EU-finanziertes Zusatzpaket von 800 Milliarden Euro hat für viel Optimismus in der Branche und bei Anlegern gesorgt. Wer vor einem Jahr in einen der damals noch wenigen börsennotierten Fonds, die das Thema Verteidigung bespielen, investiert hat, darf sich heute über Buchgewinne freuen, die zwischen 60 und 90 Prozent liegen.
Die neue Rüstungs-Fonds-Flut
Wenn Fondsgesellschaften eine hohe Nachfrage in einem Bereich feststellen, dann lassen sie diese Chance erfahrungsgemäß nicht gerne ungenutzt. Und so kommt es, dass sich die Zahl der aktiven und passiven Rüstungs-Fonds in den zurückliegenden zwölf Monaten mehr als verdoppelt hat. Die Verkaufserfolge der Fondsgesellschaften variieren dabei deutlich. Während etwa der Global X Europe Focused Defence Tech ETF seit seinem Start im Mai dieses Jahres gerade einmal 5,6 Millionen Euro an Anlegergeld einsammeln konnte, brachte es der WisdomTree Europe Defence UCITS ETF fast aus dem Stand seit März auf fast 3,7 Milliarden (!) Euro.
Ausgereizte Wachstumsaussichten
Klar ist: Die Story „Europa muss jetzt schnell aufrüsten“ verkauft sich derzeit gut. Das Interesse der Anleger ist hierzulande besonders hoch. Das bestätigt auch eine aktuelle Umfrage unter deutschen Anlegern (siehe Grafik). Deshalb hält der Hype um die Waffenhersteller an der Börse auch noch an.
Doch ob die neu gestarteten Fonds, die auf das Thema Verteidigung setzen, ihren Anteilseignern in den kommenden Monaten und Jahren ebenso viel Freude bereiten werden wie die Fonds, die schon vor einem Jahr am Markt waren, muss sich noch zeigen. Denn die Kurse der Rüstungsunternehmen spiegeln die gestiegenen Rüstungsbudgets der Staaten und die höheren Erwartungen der Anleger bereits wider. Unterbewertete Aktien findet man in diesem Sektor kaum noch.
Die Grafik zeigt: Die Kurssteigerungen der Rüstungsunternehmen folgen den politischen Vorgaben aus Brüssel und den europäischen Mitgliedstaaten der NATO.
Analysen* mit der Fondssoftware FVBS professional zeigen, dass Investoren bei den derzeit am Markt befindlichen Rüstungs-Fonds für die kommenden zwölf Monate im Durchschnitt nur noch mit einem realistischen Kurswachstum von unter drei Prozent rechnen dürfen. Ausnahmen sind der HANetf Future of Defence ETF mit der Aussicht auf rund fünf Prozent Plus und der VanEck Defense ETF mit einer errechneten möglichen Performance von rund sieben Prozent.
(* Die FVBS pro-Analyse errechnet die 95prozentige Wahrscheinlichkeit, dass die angegebene Rendite innerhalb von 12 Monaten mindestens erreicht wird.)
| ISIN | Kurzname | Auflegung | Fondsvolumen in Mio. Euro | Perf. lfd. Jahr | TER |
|---|---|---|---|---|---|
| IE000JCW3DZ3 | Global X Defence Tech ETF $ Acc | 10.09.24 | 340,42 | 68,00% | 0,50% |
| IE000YYE6WK5 | VanEck Defense ETF $ A | 31.03.23 | 6776,26 | 59,88% | 0,55% |
| IE000NVDQXE1 | First Trust Indxx Glo Aerosp&Defence ETF | 11.12.24 | 53,74 | 47,20% | 0,65% |
| IE000OJ5TQP4 | HANetf Future of Defence ETF Acc | 03.07.23 | 2694,31 | 46,63% | 0,49% |
| IE000U9ODG19 | iShares Global Aerospace&Defence ETF | 01.02.24 | 868,98 | 38,68% | 0,35% |
| IE000BRM9046 | Invesco Defence Innovation ETF Acc | 29.10.24 | 49,8 | 37,82% | 0,35% |
| DE000LB6B0M7 | LBBW Sicher Leben | 27.12.24 | 146,69 | 30,20% | 1,74% |
| IE000I7E6HL0 | HANetf Future of European Defence ETF | 07.04.25 | 156,8 | 0,39% | |
| LU3038520774 | Amundi Stoxx Europe Defense ETF Acc | 12.05.25 | 200,85 | 0,35% | |
| IE000WRQ9RR1 | Global X Europe Focused Defence Tech ETF | 20.05.25 | 5,6 | 0,40% | |
| IE0008GRJRO8 | SPDR S&P Europe Defense Vision ETF acc | 06.05.25 | 13,54 | 0,15% | |
| IE000IAXNM41 | iShares Europe Defence ETF € acc | 23.05.25 | 104,01 | 0,35% | |
| DE000A40X8V3 | European Defence R | 01.07.25 | 50,19 | 1,54% | |
| IE000C7EUDG1 | HANetf Future of Def IndoPac exCH ETF | 29.07.25 | 2,97 | 0,69% | |
| LU3061478973 | Xtrack Europe Defence Tech ETF 1C | 12.08.25 | 7,01 | 0,15% | |
| LU3079548858 | CPR Europe Defense A € acc | 01.07.25 | 22,39 | 1,95% | |
| IE0002Y8CX98 | WT Europe Defence ETF € acc | 04.03.25 | 3648,74 | 0,40% |
Neue Player könnten den Markt aufmischen
Was in den Analysen und Prognosen nur schwer zu berücksichtigen ist, ist der technologische Wandel bei Rüstungsgütern, ausgelöst durch die Entwicklungen, die sich derzeit im russisch-ukrainischen Krieg vollziehen. Aufrüstung bedeutete in den vergangenen Dekaden vor allem Panzer, Artillerie, Flugzeuge, Helikopter, Schiffe – also sehr, sehr teure Objekte mit langen Planungs-, Bau- und Lieferzeiten. Der Krieg im Osten Europas hat die Prioritäten jedoch deutlich verschoben. Dort kämpfen mittlerweile vor allem Infanteristen mit Drohnenunterstützung gegeneinander. Panzer und Flugzeuge spielen kaum noch eine Rolle. Und Russlands ehemaliger Stolz, die Schwarzmeerflotte, versteckt sich, so gut es geht, im Hafen von Noworossijsk vor den ukrainischen Seedrohnen.
Wie sehr sich das Bild gewandelt hat, zeigt sich in den Produktionskapazitäten der beiden kriegführenden Länder. Die Ukraine wird eigenen Angaben zufolge im Jahr 2025 rund 4,5 Millionen Drohnen produziert haben. Russlands Rüstungsindustrie dürfte auf ähnliche Zahlen kommen. Zum Vergleich: Deutschland verfügt derzeit insgesamt über weniger als 1.000 Drohnen, die meisten davon sind Aufklärungsdrohnen. Die ersten der bestellten 160 Kampfdrohnen vom Typ Argus sind gerade erst in Dienst gestellt worden. Der Rest soll bis 2027 folgen. Angesichts der Millionenproduktionen im Osten Europas sind das geradezu lächerliche Zahlen. Der Grund: Eine europäische Drohnenindustrie existiert de facto noch nicht und entsteht gerade erst – allerdings mit enormem Wachstumspotenzial. Anbieter wie etwa die beiden Rüstungs-Startups Helsing und Quantum-Systems oder die französische Firma Azur Drones sind noch nicht an der Börse gelistet, könnten aber unabhängig davon schon bald für Marktverschiebungen sorgen, falls die großen etablierten Rüstungsunternehmen, die derzeit noch den Verteidigungs-Sektor dominieren, nicht schnell genug innovative Lösungen und Produktionskapazitäten anbieten. Anleger, die jetzt in Rüstungs-Fonds investieren, sollten diese Entwicklung im Blick behalten.
Fazit: Aufrüstung ist derzeit leider ein zentrales Thema. Russlands zunehmende Provokationen werden vermutlich auch in den kommenden Monaten und vielleicht sogar Jahren dafür sorgen, dass das so bleibt. Rüstungsunternehmen werden davon zweifelsfrei profitieren – aber mit Sicherheit nicht alle in gleichem Maße. Denn im Zuge der zwingend nötigen Vereinheitlichung der Waffensysteme in Europa werden manche Hersteller auf der Strecke bleiben. Außerdem sind die Wachstumsperspektiven der Unternehmen eingeschränkt. Denn sie sind abhängig von Staatsaufträgen, die wiederum finanziert werden müssen. Angesichts der hohen Schuldenlasten vieler europäischer Staaten sind hier Grenzen gesetzt. Deshalb gilt: Es kann nicht schaden, Rüstungsfonds im Portfolio zu haben. Aber aktuell nur mit Augenmaß. Käufe nach Kursrücksetzern können Chancen bieten.
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