Der Bundesverband deutscher Volks- und Raiffeisenbanken rät seinen Mitgliedern, Kunden verstärkt auf Negativzinsen vorzubereiten. Verbraucherschützer halten dagegen.
30.10.2019 | 14:40 Uhr von «Christian Bayer»
Ein Papier des Lobby-Verbandes der Genossenschaftsbanken sorgt aktuell für
Aufregung. Der Bundesverband deutscher Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) rät in
einem Rundschreiben zu vorsichtigem, aber deutlichem Vorgehen im Zusammenhang
mit Negativzinsen. Zunächst sollen Bankkunden unverbindlich auf das Thema
angesprochen werden. Danach empfiehlt der BVR für neue Konten-Verträge, Regelungen
für mögliche Minuszinsen in die Verträge einzubinden. In einer folgenden Stufe
könnten dann beim Überschreiten bestimmter Beträge auf Girokonten bei besonders
wohlhabenden Kunden Negativzinsen erhoben werden. Auf Tagesgeldkonten würden
laut BVR-Papier bei jeder Anlagesumme Strafzinsen erhoben werden. Kunden sollen
auf renditeträchtigere Alternativen wie Wertpapiere und Investmentfonds verwiesen
werden. Ob das im Sinne der Verbraucher ist, muss mit einem großen Fragezeichen
versehen werden. Denn Wertpapier-Investments verfolgen oft langfristige Ziele und
sind eher nicht dazu geeignet, Sparvermögen, beispielsweise für den Kauf eines
Autos, zu parken. Im Neukundengeschäft könnten nach Vorstellung des BVR bald
Negativzinsen im Preis- und Leistungsverzeichnis ausgewiesen werden.
Nicht nur Neukunden sollen ins Visier genommen werden, auch bei Bestandskunden wollen
die Banken zugreifen. Der Druck könnte langsam und in homöopathischen Dosen
erhöht werden. Zunächst soll ein unverbindlicher Hinweis erfolgen, Beratung
über Alternativen in Anspruch zu nehmen. Falls der Kunde nicht reagiert, könnte
ein deutlicher Hinweis auf mögliche Negativzinsen erfolgen. Wer dann immer noch
zu den Beratungsverweigerern gehört, würde eine Änderungskündigung erhalten.
Falls dieser widersprochen wird, könnten sich die Institute per Kündigung von
den Kunden trennen. Während zunächst nur wohlhabende Kunden betroffen waren,
soll bald auch Otto Normalsparer dafür zahlen, dass er sein Geld auf einem
Konto verwahrt. Wer bislang davon ausgegangen ist, dass Negativzinsen nur
größere Vermögen treffen, könnte bei der Bank seines Vertrauens bald eines
Besseren belehrt werden. Verbraucherschützer haben sich allerdings bereits gegen
die Pläne des Banken-Verbandes positioniert. Aus ihrer Sicht sind beispielsweise
bei Girokonten mit Kontoführungsentgelt Minuszinsen überhaupt nicht zulässig,
und zwar unabhängig davon, ob es sich um bestehende oder neue Konten handelt.
Letztendlich werden also Gerichte die Angelegenheit entscheiden müssen.
Mittlerweile führt die Minus-Zinspolitik auch bei der Wertpapierverwahrung zu
höheren Kosten. So wird beispielsweise die Augsburger Aktienbank das Depotführungsentgelt
ab nächstem Jahr erhöhen. Auch bei der DAB BNP Paribas kann es Anlegern ans
Geld gehen. Grundsätzlich sind Geschäfts- und Privatkunden betroffen, und zwar
unabhängig von einer bestimmten absoluten Einlagehöhe. Die Online-Bank betrachtet
bei Depots den prozentualen Anteil des Geldes auf dem Verrechnungskonto im
Verhältnis zum gesamten Vermögenswert. Überschreiten die Einlagen 15 Prozent des
Gesamtvermögenswertes werden Negativzinsen fällig. Konkret: Machen die gesamten
Vermögenswerte beispielsweise 25000 Euro aus, und es liegen 5000 Euro auf dem
Verrechnungskonto, müsste der Kunde ab kommendem Jahr auf 1250 Euro 0,5 Prozent
Strafzinsen zahlen. Zuletzt hatte die Deutsche Bank ebenfalls Negativzinsen angekündigt.
„Wir erwägen über alle unsere Geschäftsbereiche hinweg, negative Zinsen an die
Kunden weiterzugeben, wo es klug und vernünftig und auch legal ist”, so
Finanzvorstand James von Moltke in einem aktuellen Statement.
Mittlerweile ist die Anlegerwut über die Negativzinsen auch in der Politik angekommen. Politiker unterschiedlicher Couleur wie Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) haben ein gesetzliches Verbot von Negativzinsen für Bankkunden ins Spiel gebracht. Das Finanzministerium hat letztendlich abgewunken und auf eine Anfrage der FDP-Fraktion bestätigt, dass kein gesetzliches Verbot geplant ist. Experten verweisen darauf, dass es in dem Zusammenhang verfassungsrechtliche Bedenken gibt. Das Bundesfinanzministerium ruft den Banken allerdings in Erinnerung, dass sich für sie das Risiko durch Verbraucherschützer oder Kunden vor den Kadi zitiert zu werden, durch die Einführung von Negativzinsen deutlich erhöht.
Warum die DAB Bank bald auch von Privatkunden Strafzinsen verlangt, lesen Sie hier.
Diesen Beitrag teilen: