EU-Kommission legt umfangreiche Überarbeitung des Pan-Europäischen Pensionsprodukts vor – AfW sieht deutliche Risiken für Beratungsqualität, Vergütung und faire Wettbewerbsbedingungen
24.11.2025 | 10:30 Uhr
Die
Europäische Kommission hat am 20. November einen umfassenden Vorschlag zur
Reform des Pan-Europäischen Pensionsprodukts (PEPP) vorgelegt. Das PEPP ist ein
europaweit standardisiertes privates Altersvorsorgeprodukt, das
Verbraucherinnen und Verbrauchern grenzüberschreitend einen einfachen und
transparenten Aufbau langfristiger Vorsorge ermöglichen soll.
Das ursprünglich 2019 eingeführte PEPP ist bisher nahezu komplett
gefloppt. Die Kommission will dem Produkt nun mit einem weitreichenden Maßnahmenpaket
neuen Schub verleihen.
Der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung begrüßt grundsätzlich das Ziel, die
private Altersvorsorge in der EU zu stärken. Der vorliegende Reformvorschlag
führt jedoch zu erheblichen Bedenken – insbesondere im Hinblick auf
Beratungspflichten, Vergütungsstrukturen und die Rolle unabhängiger
Vermittlerinnen und Vermittler.
Kernstück der Reform ist eine umfassende Neugestaltung des sogenannten
Basic-PEPP. Während bisher eine vollständige Beratung nach den üblichen
europäischen Standards erforderlich war, soll künftig im Falle einer Beratung
für das Basic-PEPP keine Abfrage der Kenntnisse und Erfahrungen des
potenziellen Sparers mehr erfolgen müssen.
Dies stellt aber einen klaren Bruch mit sämtlichen bestehenden
Qualitätsstandards in Deutschland und Europa dar.
„Die EU-Kommission will ein einfaches Produkt schaffen und senkt dafür
zentrale Beratungspflichten ab. Doch Einfachheit ersetzt nicht die fachliche
Einordnung in die individuelle Lebenssituation“, betont AfW-Vorstand Norman
Wirth. „Gerade bei langfristiger Altersvorsorge sind Kenntnisse, Erfahrungen
und finanzielle Ausgangslage der Anleger entscheidend. Die vorgesehene
Reduzierung der Standards gefährdet die Beratungsqualität und schafft ohne Not
ganz erhebliche Risiken für die Verbraucher.“
Die Beratung zum Basic-PEPP soll künftig ausschließlich unabhängig erfolgen.
Das ist besonders kritisch, denn es bedeutet aus Sicht der EU-Kommission: Eine
Vergütung durch Produktgeber, mit anderen Worten eine Provision, darf
nicht mehr fließen. Damit verbindet die EU eine Absenkung der
Beratungspflichten mit einer weitgehenden Einschränkung der Vergütungsmodelle.
Wirth: „Eine Beratung zweiter Klasse, verbunden mit einem Provisionsverbot –
das passt nicht zusammen. Wer hochwertige Altersvorsorgeberatung leisten und
für deren Inhalt auch haften soll, braucht ein tragfähiges Geschäftsmodell.
Hier schafft die EU ein strukturell komplett unausgegorenes Regime.“
Die Folge: Unabhängige Vermittlerinnen und Vermittler könnten diesen Bereich
kaum noch wirtschaftlich abdecken. Große Banken, Versicherer oder digitale
Plattformen könnten das PEPP-Produkt hingegen als standardisiertes
Massengeschäft etablieren – ohne individuellen Beratungsanspruch. Dies würde zu
deutlichen Wettbewerbsverzerrungen zulasten der unabhängigen Beratung führen.
Durch die geplanten Reformen könnte eine Beratung zweiter Klasse entstehen:
einfacher, weniger verpflichtend, aber gleichzeitig nicht mehr wirtschaftlich
darstellbar. Dies widerspräche aber den berechtigten Erwartungen der
Verbraucher an qualifizierte Altersvorsorgeberatung ebenso wie den hohen
deutschen Qualitätsstandards.
Zugleich würde die zwingende Unabhängigkeit der Beratung nach Definition
der EU-Kommission beim Basic-PEPP faktisch ein partielles Provisionsverbot
schaffen. Der AfW lehnt solche Verbote ausdrücklich ab. Zahlreiche Studien
belegen eindeutig, dass Beratungs- und Versorgungslücken durch ein solches
Verbot größer, nicht kleiner werden.
Der AfW fordert von Kommission, Rat und Parlament wesentliche Nachbesserungen
im nun anlaufenden Verfahren der EU-Gesetzgebung:
1. Keine Absenkung der Beratungsstandards – insbesondere Beibehaltung der Pflicht zur Abfrage von Kenntnissen und Erfahrungen.
2. Praxisgerechte Vergütungsmodelle, die unabhängige Beratung wirtschaftlich ermöglichen.
3. Keine Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten kleiner und mittelständischer Beratungshäuser.
4. Keine Einführung eines faktischen Provisionsverbots durch die Hintertür.
5. Stärkung der qualifizierten persönlichen Beratung statt Rückbau der etablierten Qualitätsstandards.
„Wer die private Altersvorsorge fördern will, braucht starke, qualifizierte
Beraterinnen und Berater – nicht weniger Beratung und nicht weniger Vielfalt“,
so Wirth. „Der AfW wird sich in Berlin und Brüssel dafür einsetzen, dass die
Reform nachgebessert und die unabhängige Beratung nicht geschwächt wird.“
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