Interview

„Von gestern auf heute cross-medial“

Veranstaltungen sind out, Webkonferenzen dafür plötzlich normal. Im Interview erzählen FondsConsult-Geschäftsführer Rüdiger Sälzle und Michael Schmidt, Chef von €uro Advisor Services, wie sie innerhalb weniger Tage ein neues Geschäftsmodell entwickelt haben.

11.05.2020 | 12:45 Uhr von «Matthias von Arnim»

Herr Schmidt, Herr Sälzle, wie sieht Ihr Tag aus?

Michael Schmidt: Wir haben uns relativ schnell neu organisiert. Mehr Arbeit ins Homeoffice zu verlagern, hatten wir schon länger geplant. Und mit unserem Umzug im vergangenen Jahr haben wir auch schon die technischen Weichen dafür gelegt. Womit wir natürlich nicht rechnen konnten, war, dass durch Corona aus dem vorgesehenen einen Arbeitstag zu Hause plötzlich fünf pro Woche werden würden. Aber man gewöhnt sich ja an alles.

Rüdiger Sälzle: Naja, fast an alles. Oberflächlich könnte ich natürlich sagen, mein Arbeitstag hat sich kaum geändert. Ich telefoniere eigentlich noch mehr als zuvor. Nur, dass ich dabei jetzt nicht auf eine stark befahrene Straße in der Münchener City schaue, sondern ins Grüne. Aber der kurze Dienstweg im Büro ist schon etwas anderes. Wenn man mit Kollegen über komplexere Themen spricht, stößt man in Telefonkonferenzen, bei Web-Meetings über Zoom, Skype oder MS Teams doch schnell an seine Grenzen. Gerade bei kreativen Prozessen muss man sich doch auch mal gegenseitig in die Augen schauen.

Kreative Prozesse waren in den vergangenen Monaten durchaus angesagt, oder?

Michael Schmidt: In der Tat. Unsere Jahresplanung ist durch Corona komplett über den Haufen geworfen worden. Präsenzveranstaltungen wie die €uro Roundtables, die Investmentkonferenzen und das €uro Fund Forum im Juni mussten wir absagen. 

Was war Ihre erste Reaktion, als Ihnen das klar wurde?

Michael Schmidt: Ganz ehrlich: Das war schon ein Schock. Wir sind mit unseren Formaten in Deutschland einer der Marktführer in diesem Bereich. Und plötzlich kommt so ein Virus daher und macht Präsenz-Veranstaltungen unmöglich.

Rüdiger Sälzle: Gleichzeitig wissen wir von unseren Kunden und denjenigen, die jedes Jahr zu unseren Veranstaltungen kommen, dass das Kommunikations- und Informations-Bedürfnis im Bereich Finanzmarkt und -produkte unglaublich groß ist…

Michael Schmidt: …deshalb wollten wir zügig einen adäquaten Ersatz bieten. Uns war sehr schnell klar, dass das eine digitale Lösung sein musste. 

Wie sind Sie vorgegangen, um ein passendes Konzept dafür zu finden?

Michael Schmidt: Sagen wir mal so: Wir haben eine steile Lernkurve durchlaufen. Unser erster Gedanke bei unserem ersten Meeting war noch recht naiv. Wir haben überlegt, wie wir unsere Veranstaltungen einfach online abbilden können. Dabei sind wir schnell übereingekommen, dass das gar nicht geht. Wie wollen Sie ein Web-Meeting so gestalten, dass es auch nur annähernd an das heranreicht, was wir zum Beispiel im Rahmen unserer Investmentkonferenz am Tegernsee oder an unser €uro Fund Forum in München bieten? Die Umgebung, das Ambiente in einem Fünf-Sterne-Hotel, der persönliche Austausch zwischen den Teilnehmern, der direkte Kontakt zu den Experten und den Keynote-Sprechern – das bekommen Sie nicht auf einen PC-Monitor gezaubert.

Wie haben Sie das Problem gelöst?

Michael Schmidt: Nach dem ersten Brainstorming waren wir erstmal verzweifelt.

Rüdiger Sälzle: Das war im Nachhinein gar nicht so schlecht. Denn wir haben gar nicht erst versucht, die Idee, eine analog ablaufende Veranstaltung online irgendwie abzubilden, zu retten. Stattdessen haben wir von vorne angefangen, um etwas komplett Neues zu erfinden. Etwas, das uns von allen anderen unterscheidet, die ebenfalls angefangen haben, irgendwelche digitalen Angebote in der Art ins Netz zu stellen. Denn das ist uns ja auch klar: Als renommierter Anbieter haben wir einen Ruf zu verlieren. 

Michael Schmidt: Also haben wir gemeinsam alles auf den Tisch gepackt, was wir unseren Kunden und Teilnehmern als Medienhaus bieten können: Wir haben mit FundResearch.de einen hervorragenden Online-Auftritt für eine professionelle Zielgruppe mit dem Schwerpunkt Finanzen und Vertrieb, mit dem hochwertigen Print-Titel TiAM setzen wir im Bereich Asset Management-Magazine ein Ausrufezeichen…

Rüdiger Sälzle: Wir haben hochwertiges Research durch eigene Analysten…

Michael Schmidt: …und mit dem Finanzen Verlag im Hintergrund weitere Medien, die wir zur Reichweitensteigerung einsetzen können. Also haben wir uns dafür entschieden, ein cross-mediales Konzept zu entwerfen, mit dem wir all unsere Stärken ausspielen können.

Das hört sich jetzt erstmal recht theoretisch an.

Rüdiger Sälzle: Das war es vielleicht im ersten Moment für uns selbst auch. Aber als wir das Grundkonzept mit den vielen Medien so klar hatten, sind die Ideen fast von selbst gekommen. Herausgekommen ist dabei unser Projekt FundResearch TV: Wir zeichnen eine Videokonferenz mit Experten auf, schneiden die interessantesten Passagen mit wertvollen Inhalten zusammen und bringen es auf diese neue Website.

Michael Schmidt: Die Videos ergänzen wir durch geschriebenen Content wie Fondsportraits, Berichte und Interviews, die wir auf unserer Website FundResearch.de auf die Homepage und in die jeweiligen Partner-Center der Webkonferenz-Expertenrunde bringen. Dazu wird jede Webkonferenz in unserem Print-Magazin TiAM anspruchsvoll aufbereitet.

Das ist ziemlich viel für eine Veranstaltung. Wer sieht sich so viel Content auf einmal an?

Rüdiger Sälzle: Von dem Gedanken einer einzigen Veranstaltung haben wir uns ja getrennt. Das Format wird jetzt über einen längeren Zeitraum ausgebreitet. Die Produktion streckt sich über mehrere Wochen. Es gibt nahezu jeden Tag etwas Neues.

Michael Schmidt: Dabei setzen wir auch technisch neue Maßstäbe. Wir arbeiten mit der Filmproduktionsgesellschaft B.O.A. zusammen, die zufällig um die Ecke direkt hinter unserem Verlag firmiert. Hier wird auch für den Bayerischen Rundfunk und Sky gedreht. 

Wie sind Sie an den Kontakt gekommen?

Michael Schmidt: Meine Cousine, die TV-Journalistin Birgit Künzel, hat mich auf die Idee gebracht. Sie hat mit B.O.A. schon viel zusammengearbeitet. Sie berät uns jetzt auch bei der Umsetzung. 

Rüdiger Sälzle: Wir haben schnell gelernt, wie wichtig es ist, TV-Profis dabei zu haben. Die Arbeit vor der Kamera ist schon etwas anderes, als bei einer Veranstaltung auf einer Bühne zu stehen. Und bei der Umsetzung ins digitale Format lauern etliche Fallstricke. 

Michael Schmidt: Wir haben ja schon die ersten Aufzeichnungen hinter uns und lernen stündlich dazu. Das ist wirklich spannend.

So spannend, dass Sie vorstellen können, mit diesem Format in Zukunft komplett die Präsenz-Veranstaltungen zu ersetzen?

Rüdiger Sälzle: Nein. Auf keinen Fall. Man will die Experten und Kollegen nicht nur auf der Mattscheibe sehen, sondern mit ihnen auch mal zusammenstehen und einen guten Wein trinken.

Michael Schmidt: Das heißt aber nicht, dass wir das Digitalformat einstellen werden, wenn das Leben wieder seinen gewohnten Gang geht und die Corona-Monate nur noch eine blasse Erinnerung sind. Ich denke, wir werden in Zukunft Print, Video, Digitales, Analoges und auch die Veranstaltungen noch besser miteinander verbinden. Das Wort „cross-medial“ füllen wir dann mit einer weiteren Dimension. Wenn uns das gelingt, dürfen wir uns dann hoffentlich auch wieder gegenseitig ermunternd auf die Schultern klopfen.

Rüdiger Sälzle: Vielleicht sogar ohne Mundschutz.

Michael Schmidt: Ich freue mich jetzt schon darauf.

Herr Sälzle, Herr Schmidt, vielen Dank für dieses Gespräch.

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Hinweis der Redaktion: Unser neues Format Fonds im Fokus startet in den kommenden Tagen auf FundResearch TV.

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