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Der TiAM FundResearch Wochenrück- und -ausblick.
Kolumne

Brüsseler Nachhaltigkeit 2.0

TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Wie Regulierung und Realismus zueinanderfinden.

24.11.2025 | 09:00 Uhr von «Matthias von Arnim»

Rückblick auf die vergangene Woche

Ökonomen, Umweltschützer und Klimaforscher fordern schon lange, dass unsere Natur einen monetären Wert bekommen sollte. Denn Umwelt- und Klimarisiken werden noch immer zu wenig in den Bilanzen von Unternehmen berücksichtigt. Dass die Zerstörung von Natur – unserer Lebensgrundlage – für die Verursacher keine finanziellen Folgen hat, ist nicht mehr länger hinnehmbar. Die Auflage des Investitionsfonds Tropical Forest Forever Facility (TFFF), zu dem Deutschland eine Milliarde Euro beisteuern will, ist deshalb ein wichtiger Schritt: Der Tropenwald hat seit vergangener Woche einen Preis. 125 Milliarden US-Dollar (etwa 108 Milliarden Euro) soll der Fonds nach einiger Anlaufzeit umfassen und dann rund vier Milliarden US-Dollar pro Jahr ausschütten. Das wäre fast dreimal so viel, wie derzeit alle internationalen Wald-Finanzhilfen aufbringen. Der Mechanismus funktioniert nach einem leicht zu verstehenden Prinzip: Länder, die ihre Wälder erhalten, sollen mit Ausschüttungen belohnt werden. Dafür fallen für jeden zerstörten Hektar Wald Strafe an. Überprüft wird das Ganze mit Satellitenbildern. Wumms. So einfach geht das, wenn man es will. 

So viel Pragmatismus hätte man sich in den vergangenen Jahren auch von der EU-Kommission gewünscht. Seit Jahren tut sie sich schwer damit, für das Thema Nachhaltigkeit ein nachvollziehbares, transparentes, widerspruchsfreies Regelwerk zu schreiben. Die gute Nachricht lautet immerhin: So langsam zieht auch in Brüssel die Erkenntnis ein, dass eine einfachere Regulierung manchmal mehr Wirkung entfaltet als komplexe Paragrafen. Man muss deshalb auch mal ein Kompliment aussprechen: Die Kommissare in Brüssel versuchen derzeit, die EU-Taxonomie sowie die Offenlegungs- und ESG-Regelwerke für die Wirtschaft und die Finanzindustrie so zu entschärfen, dass sie der Lebenswirklichkeit gerecht werden. 

Ein Beispiel: Seit Dezember 2024 dürfen ESG-Fonds auch in Unternehmen investieren, die mehr als zehn Prozent ihrer Umsätze mit der Herstellung oder dem Vertrieb von Rüstungsgütern erzielen. Nur Investitionen in Hersteller völkerrechtlich geächteter Waffen sind noch untersagt. Olivfarbene Panzer als grüne Technologie. Da sage einer, die Regulierer seien nicht flexibel. Und auch beim Lieferkettengesetz sind die Regeln gelockert worden. Aus dem engmaschigen Knebelwerk ist selbst für international aufgestellte Unternehmen eine bequem tragbare Regelweste geworden. Ungereimtheiten im European Green Deal werden derzeit so nonchalant glattgebügelt, wie man es noch vor wenigen Jahren nicht für möglich gehalten hätte. 

Ist das Thema Nachhaltigkeit damit vom Tisch? Sind die Regulierungsreste nur noch zur Gewissensberuhigung da? Mitnichten. Was derzeit in Brüssel passiert, ist eine verspätete Anpassung der Regelwerke an die Realität. Und die sieht so aus, dass die meisten Menschen keine Fundamentalisten sind, sondern eher pragmatisch agieren. Vor allem, wenn es um ihre Geldanlage geht. So ist etwa laut BVI-Statistik das Volumen nachhaltiger Fonds, die vermehrt auch in Rüstungsunternehmen investieren, seit Jahresbeginn 2025 deutlich angestiegen. Offensichtlich bewerten Anleger Aufrüstung als friedensstiftend – oder sie wollen einfach nur von einem Wachstumstrend profitieren. Nun ja, die Welt ist komplex. 

Ein anderes Beispiel für eine Richtungskorrektur in der Nachhaltigkeitsfrage ist die Überarbeitung der Offenlegungsverordnung. Die Regulierer haben die Schwachstellen erkannt und entsprechend gehandelt. Die Komplexität der Verordnung wurde heruntergeschraubt. Das war nötig. Vermögensverwalter und Finanzberater sind aber schon viel weiter. Längst hat sich die Praxis durchgesetzt, auch Anlegern, die gezielt nachhaltig investieren wollen, zu empfehlen, den Fragenkatalog zu den Nachhaltigkeitspräferenzen geschmeidig zu umgehen. Zum einen, weil das Anlageuniversum für die Anleger dadurch sonst oft deutlich eingeschränkt würde. Zum anderen, weil Finanzintermediäre für viel Geld Lizenzen einkaufen müssen, wenn sie die Nachhaltigkeits-Bewertungen der Ratingagenturen ISS ESG, MSCI, Sustainalytics, EcoVadis oder S&P Global für ihre Anlage-Empfehlungen nutzen wollen. Selbst mittelgroße Vermögensverwaltungen können sich die Lizenzkosten oft kaum leisten. Und wenn sie es tun, haben sie das Problem, dass die Ratings der verschiedenen Agenturen sich zum Teil deutlich unterscheiden.

Hintergrund: Da das Brüsseler ESG-Regelwerk Lücken hat und oft nicht eindeutig ist, setzen die Ratingagenturen ihre eigenen Schwerpunkte bei der Bewertung. Man kann das beklagen – oder so reagieren, wie es nun schon üblich ist: Man lässt den gesunden Menschenverstand entscheiden, lässt den ganzen ESG-Regelkram weg und empfiehlt seinen Kunden die passenden ESG-Fonds einfach so. Weil sie Sinn machen. Und siehe da: Das funktioniert. Zwar ist das Neugeschäft bei Artikel 8- und Artikel 9-Fonds laut BVI-Statistik insgesamt leicht rückläufig. Das liegt allerdings auch daran, dass etliche Fonds, die vormals unter diesen Labeln liefen, von den Fondsgesellschaften neu kategorisiert wurden und damit aus der Statistik flogen. Gleichzeitig ist es so, dass sich das investierte Volumen in nachhaltige Publikums- und Spezialfonds laut der neuesten BVI-Studie „Fokus Nachhaltigkeit“ auf Rekordniveau befindet. 

Was fast noch viel wichtiger ist: Tatsächlich sind institutionelle Anleger sogar überwiegend Nachhaltigkeits-Überzeugungstäter. Das zeigt unter anderem eine ESG-Studie der BNP Paribas, die 420 institutionelle Anleger befragt hat. Das Ergebnis: 87 Prozent dieser Investoren behalten ihre Nachhaltigkeitsziele bei. Und 84 Prozent erwarten, dass Nachhaltigkeitsthemen in den kommenden fünf Jahren mindestens gleich wichtig bleiben oder noch wichtiger werden. Wow. Die Menschen haben das Interesse am Thema Nachhaltigkeit also nicht verloren. Im Gegenteil. 

Was lernen wir daraus? Der Gesetzgeber kann die Richtung vorgeben. Der gesunde Menschenverstand kann dann dafür sorgen, dass die Regeln angepasst werden. Nicht umgekehrt. Es ist ein Lehrstück gelebter, pragmatischer Demokratie. Quasi Abstimmung mit den Füßen. Und dies ausgerechnet beim Thema Geldanlage und Finanzen. Siehe da. Geht doch.

Zugegeben: Die Transformation der europäischen Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit zu regulieren, ist eine deutlich komplexere Aufgabe, als das Abholzen von Wäldern per Satellit zu überwachen. Aber die simple Idee des TFFF, gefüttert mit viel Geld und ausgestattet mit einem einfachen Regelwerk, sollte zumindest ein zusätzlicher Ansporn für die Kommissare in Brüssel sein, ihr Werk der Vereinfachung der Nachhaltigkeitsregularien weiter voranzutreiben. Motto: Weniger ist manchmal mehr. 

Interessante Termine in den kommenden Tagen

Am Dienstag findet in Berlin das InnoNation Festival des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) statt, unter anderem mit Bundesforschungsministerin Dorothee Bär von der CSU. Auf der Veranstaltung werden die jüngsten Ergebnisse des „Innovationsindikators“ vorgestellt. Der Indikator vergleicht die Innovationsfähigkeit der 35 wichtigsten Volkswirtschaften und erstellt ein Ranking der innovativsten Länder. Deutschland stand in der Liste zuletzt auf Platz zwölf. Nun ja. 

Am Mittwoch wird ebenfalls in Berlin der MINT-Report 2025 vorgestellt. Unter MINT werden Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zusammengefasst. Veranstaltet von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall und der Initiative „MINT Zukunft schaffen“. Man kann der Initiative nur das Beste wünschen und sie nach Kräften unterstützen. Denn sonst wird es in Zukunft nicht einmal mehr für den zwölften Platz beim Thema Innovation reichen. 

Auch am Donnerstag bleiben wir in Berlin, beim Bankendialog im Haus des Bankenverbandes. Dort reden führende Banker über das Thema „Leitwährungsdiskussion und Kapitalflüsse – wie können Deutschland und der Euroraum profitieren?“ Hinter der schwurbeligen Formulierung verbirgt sich unter anderem die Streitfrage, ob Europa den digitalen Euro braucht. Die EZB findet: Ja. Banken finden: Nein. Warum nur? Weil der digitale Euro ihr Geschäftsmodell untergräbt. Wer braucht noch eine Bank, wenn er den Zahlungsverkehr über seine eigene Wallet abwickeln kann? Wer die Möglichkeiten einer guten Blockchain-Technologie zu Ende denkt, kann zu keinem anderen Schluss kommen, als dass Banken in Zukunft weitestgehend überflüssig werden könnten. 

Am Freitag ist Black Friday! Rabatte, Rabatte, Rabatte! Nicht zögern! Jetzt kaufen! Jedes Jahr am vierten Freitag im November (in den USA einen Tag nach Thanksgiving) reduzieren Händler und Onlineshops auf der ganzen Welt für mindestens 24 Stunden ihre Preise und unterbieten sich gegenseitig mit Sonderangeboten. Tipp: Es lohnt sich, auch jetzt schon einmal nachzusehen, was das Wunschobjekt, das man eventuell am Freitag erstehen möchte, aktuell im Durchschnitt kostet. Denn wie heißt es so schön: Rabatt, mein Freund, das lass Dir sagen, wird immer vorher aufgeschlagen!

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