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Interview

Der Unternehmer des Jahres: „Wir haben mehr Zug zum Tor“

Bernd Montag: Der Chef von Siemens Healthineers über Lektionen aus dem Profisport für Manager, Rekord-Deals mitten in der Pandemie und den Anfang vom Ende der Angst vor dem Krebs.

31.03.2022 | 12:30 Uhr von «Stefan Bauer und Felix Petruschke»

Der Chef der Healthineers wirkt aufgeräumt beim virtuellen Gesprächstermin. Noch vor einem Monat hob Vorstandschef Bernd Montag die Jahresprognose der Medizintechniktochter von Siemens trotz ungünstiger wirtschaftlichen Rahmenbedingungen an. Es läuft schon eine geraume Weile beachtlich bei den Erlangern, bei genauerem Blick mindestens seit dem Börsengang im März 2018.

Siemens Healthineers stellte in der Pandemie fix ein lukratives Schnelltestgeschäft auf die Beine, das den Gewinn des DAX-Konzerns noch immer beschleunigt. Mit dem Kauf des US-Krebsspezialisten Varian für 16 Milliarden Dollar stemmten Montag und sein Team zudem die größte Übernahme in der Siemens-Geschichte. Die Leser von €uro am Sonntag, €uro und BÖRSE ONLINE, den Wirtschaftspublikationen des Finanzen Verlags, haben den Chef von Siemens Healthineers auch wegen dieser Leistungen zum „Unternehmer des Jahres 2022“ gewählt. Weiterer Grund: Die Aktie brachte seit dem Börsengang im Schnitt über 20 Prozent jährlich, sie ist damit eine der besten im DAX.

€uro am Sonntag sprach mit Ex-Profisportler und Konzernlenker Montag über die Perspektiven des Medizintechnikkonzerns in Krisenzeiten, den stärkeren Zug zum Tor der Selbstständigen — und wie sich die Franken gegen die Ambitionen der mächtigen Digitalkonzerne aus dem Silicon Valley wappnen.

Herr Montag, Sie spielten lange als Profi in der Basketball-Bundesliga. Werfen Sie gelegentlich noch ein paar Bälle?

Bernd Montag: Nein, diese Zeiten sind leider vorbei. Der Reiz am Basketball war, dass man in jedem Spiel versuchen musste, an seiner Leistungsgrenze zu spielen, als Hobby macht es mir weniger Spaß. Zudem lässt sich Mannschaftssport mit meinem Beruf zeitmäßig schlicht nicht vereinbaren. Für jedes Team wäre ich heute deshalb eine ziemliche Enttäuschung.

Haben Sie aus dem Profisport etwas für Ihre anschließende Karriere als Manager gelernt?

Im Nachhinein betrachtet, ja. Man lernt — so abgedroschen es vielleicht klingt —, wie ein Team funktioniert, was ein Team stark macht und dass man sich unbedingt aufeinander verlassen können muss. Als Manager ist das ähnlich, hier geht es darum, die verschiedenen Interessen und Fähigkeiten der Mitspieler, also der Kollegen, so aufzustellen, dass sie an einem Strang ziehen.

Zu Ihrem aktuellen Team: Healthineers war als Spezialist für Medizintechnik lange Zeit Teil des Siemens-Konzerns und wurde erst vor vier Jahren selbstständig. Was ist der Unterschied zwischen der Arbeit als Spartenchef und der als CEO eines DAX-Konzerns?

Der größte Unterschied ist sicherlich, dass wir als eigenständiges Unternehmen mit rund 66000 Mitarbeitern allesamt nur ein einziges Ziel verfolgen: Wir wollen die Gesundheitsversorgung auf der Welt durch unsere Systeme und Innovationen besser machen. Das ist unser Anspruch und Teil unserer Unternehmenskultur.

Siemens hält 75 Prozent der Aktien. Wie selbstständig sind Sie tatsächlich?

(lacht) Dass Siemens weiterhin Hauptaktionär ist, merken wir im Alltag nicht. Wenn Sie in meinen Kalender schauen, finden Sie kein einziges Meeting mit der Siemens-Chefetage. Abgesehen von der Aufsichtsratssitzung alle drei Monate und einem Jour fixe mit Ralf Thomas, dem Aufsichtsratsvorsitzenden, gibt es keinen Austausch. Und das ist auch adäquat so.

Würden Sie sich wünschen, dass Siemens seinen Anteil reduziert?

(überlegt lange) Es ist natürlich ein großer Vorteil, einen Hauptaktionär zu haben, der unsere langfristigen Ziele mitträgt und unterstützt.

Könnten wir auch ohne Siemens arbeiten?

Sicher! Gemessen an der Marktkapitalisierung ist Healthineers die Nr. 10 im DAX. Das zeigt: Wir stehen auf eigenen Füßen.

Aber?

Ich sehe in der aktuellen Konstellation keinen Nachteil. Wenn Sie so wollen, haben wir das jeweils Beste aus zwei Welten: einerseits die Stabilität eines Großaktionärs, andererseits die Flexibilität eines eigenständigen Unternehmers. Von der Nähe zu Siemens haben wir auch profitiert, zum Beispiel hat uns Siemens bei der Varian-Übernahme sehr geholfen, besonders was die Finanzierung der Transaktion angeht.

Der Kauf des US-Krebstherapiespezialisten 2020 war die größte Akquisition in der Siemens-Historie und galt als sehr teuer. Zahlt sich die Übernahme bereits aus?

Ja. Wir rechnen bis 2025 mit Gesamtsynergien von mehr als 350 Millionen Euro und einer Marge von über 20 Prozent. Vor allem freut mich aber zu sehen, wie die Teams mit großer Begeisterung zusammenarbeiten und wie wir bei Kunden auftreten — das fühlt sich alles sehr gut an.

Wollen Sie künftig noch stärker durch Übernahmen wachsen?

Grundsätzlich werden wir nur in Bereiche investieren, von denen alle Sparten im Konzern profitieren und die sich gegenseitig ergänzen. Was ich nicht will, ist, dass unser Unternehmensprofil verwässert wird. Die Sachen müssen einen logischen Zusammenhang haben.

Sind womöglich Akquisitionen drin, die an Varian heranreichen?

Akquisitionen sind für uns immer Mittel zum Zweck. Das heißt, eine Möglichkeit, Krankheiten besser diagnostizieren und/ oder behandeln zu können. Kurzfristig wäre eine weitere Übernahme in der Größenordnung von Varian ein falscher Schritt.

Jetzt haben wir nach der Pandemie die nächste Krise. Wie stark trifft Sie der Krieg in der Ukraine?

Das ist — unabhängig von allem Ökonomischen — ganz einfach inakzeptabel und fürchterlich. Als weltweit aktiver Konzern hat man ein ganz anderes Verhältnis zu diesen Dingen. Wir sind ein globales Team — und jetzt zu sehen, dass Kolleginnen und Kollegen innerhalb dieses Teams und deren Familien und Freunde von Krieg und Tod bedroht sind, das setzt mir auch persönlich sehr zu. Wir haben Mitarbeiter in 75 Ländern, darunter etwas weniger als 50 in der Ukraine und rund 400 in Russland. Mir ist deshalb wichtig, in Zeiten wie diesen zu zeigen, dass eine globale Zusammenarbeit möglich und sinnvoll ist. Meiner Meinung nach die einzig wirkliche Zukunftsperspektive für uns Menschen.

Wieweit sind Sie wirtschaftlich betroffen?

Unser Umsatzanteil beträgt etwa ein Prozent. Lieferanten haben wir dort so gut wie keine und daher auch keine Probleme mit Lieferketten. Als Medizintechnikhersteller sind wir bisher auch nur indirekt von Sanktionen betroffen.

Siemens und Siemens Energy haben ihr Neugeschäft in Russland eingestellt. Was tun Sie?

Das ist für uns keine Option. Wir wollen den Menschen in Russland den Zugang zu Therapien, unter anderem gegen Krebs, nicht vorenthalten. Ähnlich handelt auch die Pharmaindustrie. Den Krieg hat schließlich nicht die russische Bevölkerung zu verantworten.

Sie erwarten für das Geschäftsjahr 2022 einen Umsatzzuwachs zwischen drei und fünf Prozent, das Plus beim Ergebnis je Aktie soll zwischen sieben und 13 Prozent liegen. Ist das angesichts des Kriegs und der konjunkturellen Folgen realistisch?

Ja. Was uns als Unternehmen besonders auszeichnet, sind ein hohes Wachstum und gleichzeitig eine hohe Krisenfestigkeit. Das hat zwei Gründe: Einerseits ist das Gesundheitswesen von der normalen Konjunktur abgekoppelt, jedes Land investiert unabhängig von anderen in den Ausbau seiner Versorgung. Somit gleichen sich Krisen auch immer ein wenig aus. Und zweitens machen das Servicegeschäft, also die Wartung unserer Produkte und die Reagenzien auf unseren Labordiagnostiksystemen, fast 50 Prozent unseres Umsatzes aus. Das sind stabile Einnahmen, die sich bestens planen und kalkulieren lassen.

Dann können Sie die Jahresprognose bestätigen?

Ja, wir sind zuversichtlich, trotz der aktuellen Entwicklungen die Konzernprognose erfüllen zu können.

Ein wichtiger Treiber war zuletzt das Geschäft mit Corona-Schnelltests. Wäre der rasche Launch der Tests im Frühjahr 2020 auch ohne die Selbstständigkeit möglich gewesen?

Da bin ich mir nicht sicher. Ein Vorteil war sicherlich, dass wir ein reiner Medizinspezialist sind, deswegen haben wir es als unsere Aufgabe gesehen, bei der Entwicklung vorn dabei zu sein, und konnten schnell handeln. Wären wir noch eine Sparte unter dem Dach des Siemens-Konzerns gewesen, hätte es sicher auch andere Prioritäten gegeben. Um in der Sportlersprache zu sprechen: Wir hatten mehr Zug zum Tor und durch unsere Selbstständigkeit auch einen kürzeren Weg zum Tor.

Ganz konkret: Sie rechnen nur bei den Schnelltests im Geschäftsjahr mit einem Zusatzumsatz von 700 Millionen Euro, vorher planten Sie mit 200 Millionen. Läuft das Geschäft länger als gedacht?

Ich hoffe nicht! Je länger wir Schnelltests verkaufen können, desto länger wird uns schließlich die Pandemie begleiten. Wir sind deshalb in unserer Kommunikation sehr deutlich: Die Schnelltests sind ein Sondergeschäft, das zu unseren üblichen Umsätzen obendrauf kommt. Das neue erwartete Umsatzplus basiert vor allem darauf, dass wir im vergangenen Herbst die Omikron- und auch die Delta-Welle noch nicht in vollem Ausmaß abschätzen konnten.

Bis 2025 haben Sie pro Jahr ein Umsatzwachstum zwischen sechs und acht Prozent angepeilt. Wie gelingt das, wenn das Schnelltest-Geschäft nachlässt?

Wir glauben an unsere innovativen Produkte und haben langfristige Wachstumsprojekte. Denken Sie an neue bildgebende Verfahren in den Bereichen Computertomografie, Kernspintomografie, Labordiagnostik oder Krebstherapie. Schon heute sind wir Weltmarktführer. In den vergangenen Jahren konnten wir kontinuierlich Marktanteile gewinnen und schaffen das auch weiterhin. Vor 20 Jahren waren wir die Nummer 2 bei der Kernspintomografie, mit einem Marktanteil von 20 Prozent. Mittlerweile sind es Mitte 40 Prozent. Das ist gewaltig. Zudem gelingt es uns, neue Märkte zu generieren, indem wir etwa unsere Diagnosegeräte in Entwicklungsländer bringen, die diese Techniken bisher gar nicht kannten.

Welche Technologie ist der wichtigste Wachstumstreiber?

Das ist fast so, als ob Sie mich fragen würden: „Wer ist mein Lieblingskind?“ Das eigentlich Spannende aus meiner Sicht ist, dass wir genau die Schlüsseltechnologien haben, die moderne Gesundheitsversorgung ausmachen. Dabei geht es darum, den Patienten — und seine Krankheit — bestmöglich zu beschreiben. Wir arbeiten an der Erstellung eines digitalen Patientenzwillings, einem sogenannten Patient Twin, an dem dann auch mögliche Therapien erprobt werden könnten. Das hilft in entwickelten Ländern, aber das hilft auch den 3,5 Milliarden Menschen in Schwellen- oder Entwicklungsländern, die bislang leider keinen oder nur einen unzureichenden Zugang zu Medizin haben.

Wie weit sind Sie hier? Inwiefern wird eine digitale Simulation des Körpers bereits bei der Diagnose oder sogar der Therapie eingesetzt?

Die ersten Schritte sind gemacht. Zum Beispiel ist auf heutigen CT-Bildern bereits äußerst detailliert das Innere des menschlichen Körpers zu sehen. Und es gibt bereits Versuche, anhand einer digitalen Simulation Therapien zu entwickeln. Ein komplettes Bild des Patienten ist bislang noch nicht möglich, das ist aber unser Ziel. Besonders Krebs ist eine Krankheit, für die wir prädestiniert sind: Hier kommt es auf präzise Diagnosen und bildgebende Verfahren an, um dann die individuell erfolgversprechendste Therapie zu entwickeln.

Was glauben Sie, wann wird Krebs seinen Schrecken verlieren?

Schwierige Frage. Wir kämpfen für eine Welt, in der es den Krebs vielleicht noch gibt, vor dem man aber keine Angst mehr haben muss. In den nächsten Jahrzehnten wird es gelingen, den Krebs — wenn nicht zu heilen — zumindest zu einer chronischen Krankheit zu machen. Dabei spielt die Diagnostik eine entscheidende Rolle. Je früher der Krebs durch neue Diagnoseverfahren erkannt werden kann, desto besser sind die Therapiemöglichkeiten.

Diese neuen Diagnose- und Therapie- verfahren sind, zumindest bei der Anschaffung, sehr teuer. Zementiert das eine Zwei-Klassen-Medizin?

Die Kosten muss man in Relation setzen. Ein typisches Krankenhaus hat ein Investitionsbudget in Sachanlagen von rund zehn Prozent. Und wiederum zehn Prozent hiervon gehen in Technologien, die wir im Portfolio haben. Darauf basieren aber 70 Prozent aller klinischen Entscheidungen. Die Frage ist also, wie die Mittel verwendet werden — und ob man sich es leisten kann, nicht in neue Diagnose- und Therapieverfahren zu investieren. Ich sehe uns als einen Teil der Lösung und nicht als Treiber der Kosten.

Innovationen sind essenziell, will man Marktanteile gewinnen. Was ist das nächste große Ding der Healthineers nach dem photonenzählenden CT?

Das ist leider noch nicht spruchreif. Aber ich glaube, dass wir in allen Unternehmensteilen gut aufgestellt sind und überall an neuen Lösungen arbeiten. Denken Sie zum Beispiel an Robotik oder künstliche Intelligenz, die es möglich machen werden, Patienten aus der Ferne zu behandeln. Hier gibt es bereits gewaltige Fortschritte, ein super Beispiel, wozu Technologie in Verbindung mit Digitalisierung und präziser Diagnostik in der Lage ist.

Apropos Digitalisierung: Die großen US-Digitalkonzerne Apple und Alphabet streben mit ihren enormen Ressourcen bei künstlicher Intelligenz ins Gesundheitssegment. Sehen Sie darin eine Bedrohung?

Wir fühlen uns ganz wohl, scheuen den Wettbewerb mit diesen Riesen aber nicht. Wir sind nicht umsonst Patent- und Marktführer bei bildgebenden Verfahren und künstlicher Intelligenz. Wir haben eine eigene Datenbank mit über einer Milliarde Patientendaten, die einen Supercomputer füttert. Allein das ist ja schon ein enormes Pfund. Hinzu kommt, dass die Medizinbranche komplizierter ist als die Digitalbranche. Ich sehe keinen Grund zur Besorgnis, aber natürlich beobachten wir sehr genau, was diese Unternehmen tun.

Sie wollen regelmäßig 50 bis 60 Prozent des Nettogewinns ausschütten. Dürfen Aktionäre sich für das laufende Geschäftsjahr auf eine Anhebung der Dividende einstellen?

Wir haben eine klare Dividendenstrategie und wollen die Kontinuität wahren. Und ich denke, dass die Aktionäre bisher keinen Grund zur Klage hatten. Der wahre Wert des Unternehmens liegt für mich aber in seinen guten Wachstumsperspektiven.

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