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„Trump könnte ein künstliches Wirtschaftswunder auslösen“

Kay-Peter Tönnes gehört zu den erfolgreichsten Fondsmanagern.
Interview

Antecedo Asset Management hat sich einen Namen mit seinen Fonds, die Optionsstrategien verfolgen, gemacht. Kay-Peter Tönnes, Gründer und Vordenker der Bad Homburger Fondsboutique erklärt im Interview, warum Donald Trump einen baldigen Börsenboom auslösen könnte, welche Rolle KI im Asset Management spielt und warum aktives Fondsmanagement vor einem Umbruch steht.

21.08.2025 | 13:00 Uhr von «Jörn Kränicke»

TiAM FundResearch: Herr Tönnes, viele Fonds mit Optionsstrategien haben derzeit Schwierigkeiten. Wie schlägt sich Antecedo in diesem Umfeld?

Kay-Peter Tönnes: Unsere Ergebnisse sind insgesamt sehr solide. Unsere Rentenfonds liefern stabile Erträge im Bereich von zwei bis vier Prozent. Die wahre Stärke zeigt sich aber in unseren Strategien, die auf Volatilität setzen – insbesondere beim Antecedo Independent Invest. Seit der Strategieänderung 2018 läuft der Fonds sehr konstant. Selbst 2023, als die Volatilität um über zwölf Prozent fiel, konnte er sich behaupten. In diesem Jahr liegt die Performance bereits bei über elf Prozent, auf Sicht von zwölf Monaten sogar bei über 17 Prozent.

Vor 2018 lief der Fonds nicht so konstant. Was hat sich geändert?

Damals war der Fonds tatsächlich nicht ausreichend gegen Kursrückgänge abgesichert. Wir haben unser Modell seither konsequent weiterentwickelt. Heute ist es deutlich robuster – gerade in Phasen plötzlicher Marktschwankungen, wie sie durch geopolitische Krisen wie den Ukraine-Krieg oder Spannungen in Asien ausgelöst werden.

Erwarten sie eine Rückkehr der Volatilität?

Nicht jeden Monat, aber etwa im Halbjahresrhythmus ist mit neuen Volatilitätsschüben zu rechnen. Externe Schocks oder politische Eingriffe wirken dabei immer wieder als Katalysatoren. Dennoch bleibt unser Basisszenario für Aktien positiv – vor allem wegen der US-Notenbank, der Fed.

Welche Rolle spielt die Fed in diesem Kontext?

Eine zentrale. Donald Trump hat bereits in seiner ersten Amtszeit versucht, Einfluss auf die Fed zu nehmen. Nach seiner Wiederwahl dürfte er dieses Ziel konsequent verfolgen – etwa durch die Ablösung von Jerome Powell zugunsten eines Kandidaten, der eine expansivere Geldpolitik verfolgt. Das erinnert in gewisser Weise an das Vorgehen von Präsident Erdogan in der Türkei.

Ein gewagter Vergleich. Was genau meinen Sie damit?

Erdogan hat zwischen 2019 und 2023 Notenbank zu massiven Zinssenkungen gedrängt und kurzfristige wirtschaftliche Erfolge erzielt – die ihm Wahlsiege ermöglichten. Der Aktienmarkt in der Türkei entwickelte sich in dieser Zeit sehr stark, während die Landeswährung massiv an Wert verlor. Ein ähnliches Szenario wäre unter Trump nicht ausgeschlossen: Zinssenkungen auf ein bis zwei Prozent könnten die US-Börsen kurzfristig beflügeln – aber auf Kosten des Dollars.

Was wären die Folgen für Europa und die EZB?

Die EZB wäre unter Zugzwang. Wenn die Fed die Zinsen drastisch senkt, müsste die EZB ebenfalls reagieren, um eine starke Aufwertung des Euro zu verhindern. Auch die Schweizer Nationalbank würde sich gezwungen sehen, die eigene Währung zu schwächen. Hinzu kommt: Trump steht für unorthodoxe Schuldenfinanzierung. Sollte er diese Kontrolle über die Fed tatsächlich erlangen, könnte der Dollar gegenüber dem Euro auch auf 1,30 steigen – oder höher.

Wie realistisch ist eine solche Machtverschiebung in der Fed?

Ich halte es für sehr wahrscheinlich – zu rund 80 Prozent. Bereits in Kürze könnte Trump über einen neuen Gouverneursposten seinen Einfluss ausbauen. Das wäre ein Testlauf für die Besetzung des Fed-Vorsitzes. Seine wirtschaftspolitische Strategie beruht auf dem Ziel, ein künstliches Wirtschaftswunder zu erzeugen – als Mittel zur Absicherung seiner politischen Nachfolge.

Aber was, wenn dieser Kurs scheitert?

Dann droht erhebliche Instabilität. Die kurzfristigen Kursgewinne könnten rasch ins Gegenteil umschlagen. Anleger sollten sich dieser Risiken bewusst sein – auch wenn sie nicht sofort sichtbar sind.

Geopolitische Risiken werden derzeit von den Märkten weitgehend ignoriert. Wird das so bleiben?

Bis zu einem gewissen Punkt – ja. Solange es sich um regionale Konflikte handelt, die wirtschaftlich nicht systemrelevant sind, bleibt die Marktreaktion meist verhalten. Selbst ein vollständiger russischer Sieg in der Ukraine würde die großen Indizes kaum bewegen.

Anders wäre es, wenn China Taiwan angreift?

Absolut. Sollte China versuchen, Taiwan militärisch zu übernehmen, wäre das ein echter Einschnitt. Aufgrund der globalen Abhängigkeit von taiwanesischen Halbleitern würde ein solcher Schritt massive wirtschaftliche Verwerfungen auslösen – nicht nur in Asien, sondern weltweit.

Welche Rolle spielt Trump in diesem geopolitischen Szenario?

Er ist ein permanenter Unsicherheitsfaktor. Seine Strategie besteht oft darin, mit Maximalforderungen zu beginnen, Widerstände zu testen und dann taktisch zurückzurudern – wie im Handelskonflikt mit China. Für die Märkte bedeutet das: wiederholt anspringende Volatilität und latent vorhandene Rückschlaggefahr.

Wie sollten Anleger mit dieser Unsicherheit umgehen?

Solche Risiken sind kaum direkt absicherbar. Man kann sie allenfalls in Optionsmodelle einpreisen oder ihr über Diversifikation begegnen. Wichtiger ist, strukturelle Trends zu erkennen und in die Anlagestrategie zu integrieren – hier spielt Künstliche Intelligenz eine immer größere Rolle.

Welche Auswirkungen hat KI auf das Asset Management?

KI verändert vor allem die Modelle im Bereich der Risikoanalyse. Viele Manager setzen auf algorithmische Systeme, die Wahrscheinlichkeiten für Volatilitätsausschläge berechnen – etwa nach politischen Statements oder externen Schocks. Allerdings steigt dadurch auch das Risiko, dass alle Marktteilnehmer gleichzeitig reagieren – was die Schwankungen noch verstärkt.

Sehen Sie historische Parallelen?

Ja, etwa zu Watergate in den 1970er-Jahren. Der S&P 500 verlor damals über 40 Prozent – ausgelöst durch eine politische Krise, der dann eine wirtschaftliche Schwäche folgte. Auch heute könnten politische Eingriffe in die Geldpolitik eine ähnliche Vertrauenskrise auslösen – mit entsprechenden Folgen für Aktien-, Renten- und Währungsmärkte.

Also ist Vertrauen wichtiger als ökonomische Daten?

In Extremsituationen ja. Märkte können mit schwachen Wirtschaftsdaten leben – solange sie politisch stabile Rahmenbedingungen erwarten. Wenn jedoch das Vertrauen in die Institutionen schwindet, geraten die Märkte schnell in eine Abwärtsspirale.

Könnte Europa davon profitieren, dass die USA politisch instabiler werden?

Kurzfristig vielleicht. Aber strukturell bleibt Europa schwächer. Es fehlt an Innovationskraft, Technologieinvestitionen und politischen Reformen. Ein durch Trump ausgelöster Börsenboom in den USA – so künstlich er auch sein mag – könnte Europa erneut ins Hintertreffen geraten lassen.

Was bedeutet all das für den ETF-Markt? Wird die Unsicherheit den Boom bremsen?

Ich denke, wir werden eine Verlagerung sehen. ETFs bleiben relevant – vor allem wegen ihrer Kostenstruktur. Aber in Krisenzeiten zeigt sich der Wert aktiven Managements. Passive Produkte fahren in solchen Phasen ungebremst mit nach unten. Aktive Manager können Risiken besser steuern – das wird wieder stärker gefragt sein.

Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?

Ja – Japan in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren. Der Markt fiel über Jahre hinweg, und mehr als 90 Prozent der aktiven Fondsmanager schlugen den Index – oft einfach, weil sie eine gewisse Cash-Quote hielten. In dieser Phase wollten viele Anleger nichts vom Index wissen. Erst mit der Markterholung setzten sich ETFs dort durch.

Auch Derivate werden vermehrt eingesetzt. Wie beurteilen Sie das?

Derivate sind längst fester Bestandteil des Portfolio- und Risikomanagements – nicht mehr nur für Hedgefonds. Leider werden sie auch missbraucht. Begriffe wie „Volatilität als Asset-Klasse“ sind Unsinn. Volatilität ist kein investierbares Gut, sondern ein Risikomaß. Dennoch: Richtig eingesetzt, sind Derivate ein wertvolles Instrument, um Kundenportfolios präzise zu steuern.

Wie setzen Sie das bei Antecedo konkret um?

Wir verfolgen Konzepte wie den Antecedo Defensive Growth oder den Growth Supreme – je nach Risikoneigung in unterschiedlicher Ausprägung. Die Strategien kombinieren klassische Aktieninvestments mit Optionen zur gezielten Risikosteuerung. Lange waren wir damit Vorreiter – mittlerweile ziehen andere Anbieter nach.

Werden solche Produkte klassische Mischfonds ablösen?

Theoretisch ja – praktisch nein. Ich habe dem Mischfonds schon vor 20 Jahren das Ende prophezeit, und er ist immer noch da. Er bietet eine einfache Lösung für viele Anleger. Obwohl man sich ein vergleichbares Portfolio heute leicht selbst bauen kann, bleibt der Mischfonds ein Verkaufsschlager – weil er bequem ist.

Und welche Rolle wird Künstliche Intelligenz künftig im Fondsmanagement spielen?

KI wird die Arbeit verändern – aber nicht ersetzen. Sie erkennt Muster in Sprache und Daten, hilft bei Analysen. Aber wenn es um komplexe Entscheidungen mit mehreren Zielen geht – etwa Rendite, Risiko, Liquidität – braucht es weiterhin menschliches Urteilsvermögen. KI zwingt uns allerdings, unsere Strategien und Prozesse ständig zu hinterfragen. Das ist ihr eigentlicher Mehrwert.

Wird aktives Management dadurch nicht überflüssig?

Nein, aber es verändert sich. Klassisches Stock-Picking wird schwieriger. Die Börse finanziert heute vor allem große Konzerne, während Private Equity wächst. Fondsmanager müssen künftig nicht nur investieren, sondern mitgestalten. Aktives Management bedeutet: unternehmerisches Denken, gezielte Einflussnahme, strategische Steuerung. Die echten Mehrwerte entstehen zunehmend in der Architektur des Portfolios – nicht mehr nur in der Analyse einzelner Aktien.

Zur Person:

Kay Tönnes begann seine berufliche Laufbahn 1992 nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre bei den Basler Versicherungen. Hier war er sechs Jahre als Portfoliomanager für die Kapitalanlagen der Versicherung verantwortlich. Im Jahr 1998 wechselte er als Senior Portfolio Manager zur Metzler Investment GmbH in Frankfurt, wo er das Management von Absolute Return-Fonds auf Derivate-Basis sowie die Asset-Liability-Beratung aufbaute. Darüber hinaus war er Portfoliomanager verschiedener gemischter Fonds und im Investmentkomitee zuständig für die Asset Allokation. Im März 2003 gründete Kay-Peter Tönnes die Lupus alpha Alternative Solutions GmbH und war verantwortlich für die Entwicklung der Produkte und Anlagestrategien der Absolute Return und Hedge Fonds sowie die Leitung des Portfolio Managements für alternative Kapitalanlagen.

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