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Jens Ehrhardt: „Aktien sind nach wie vor das Gebot der Stunde“

Dr. Jens Ehrhardt
Anlagestrategie

Jens Ehrhardt spricht im Exklusiv-Interview mit TiAM FundResearch über politische Turbulenzen, aktuelle Börsentrends bei Aktien, Anleihen und Gold sowie seine langjährigen Erfahrungen.

23.05.2025 | 10:30 Uhr von «Peter Gewalt»

TiAM FundResearch: Herr Dr. Ehrhardt, Sie haben in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Krisen kommen und gehen sehen. Wie beurteilen Sie die aktuellen Turbulenzen an den Märkten?

Dr. Jens Ehrhardt: Ich finde schon, dass wir in einer besonders wilden Zeit leben. Früher konnte man die Marktentwicklungen mit Faktoren wie der Notenbankpolitik und den Unternehmensgewinnen erklären. Heute dagegen reicht oft schon eine Aussage von US-Präsident Donald Trump, um die Börse in Bewegung zu bringen. Das ist schon eine Umbruchsituation.

Sehen Sie weitere grundlegende Veränderungen?

Ja, ich glaube, wir erleben tatsächlich eine multipolare Welt, weg von der unipolaren Dominanz der USA. Aber dieser Prozess geht nicht von heute auf morgen. So bleibt der Dollar auf absehbare Zeit die Leitwährung. Die Chinesen holen zwar auf, der Anteil der Transaktionen in Yuan steigt stetig. Aber dass ihre Währung den Dollar bald ablöst, halte ich für unrealistisch.

Viel wurde zuletzt von einem Anlagetrend weg aus den USA hin zu Europa geredet. Was trauen Sie den amerikanischen und europäischen Börsen in Zukunft zu?

Amerika wird das bisherige Tempo an Kursgewinnen der vergangenen Jahre an den Börsen nicht halten können. Die anderen Märkte sind günstiger bewertet und könnten aufholen. In Europa läuft derzeit sowohl die Börse als auch die Währung, was Kapitalzuflüsse fördert. Aber eine goldene Zukunft sehe ich für Europa trotz alledem nicht. Die politische Führung ist vielerorts schwach, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich und Großbritannien. Asien bietet da unter dem Strich bessere Aussichten.

Ein globaler Trend ist die steigende Staatsverschuldung. Was bedeutet dies für die Weltwirtschaft?

Solange die Verschuldungspolitik lief, hat das allen genutzt. Ich glaube aber, dass die Zeiten großzügiger Fiskalpolitik erst einmal vorüber sind, was sich in einem schwächeren Wirtschaftswachstum niederschlagen wird.

Aber die Verschuldung etwa in den USA steigt doch weiter an.

 Ja, absolut gesehen schon, deswegen hat ja auch mit Moody´s die USA zuletzt herabgestuft. Aber das Tempo der Neuverschuldung nimmt nicht mehr zu wie etwa während und nach der Corona-Epidemie. Außerdem hat jeder neue Schulden-Dollar einen niedrigeren Multiplikatoreffekt, wenn die Altverschuldung schon sehr hoch ist. Denn dann steigen die Zinsen auf dem Kapitalmarkt und es kann zu inflationären Tendenzen kommen, die die Konjunktur bremsen.

Wie beurteilen Sie aktuell die Attraktivität von Aktien und Anleihen?

Aktien sind nach wie vor das Gebot der Stunde. Denn es gibt immer wieder sehr interessante Wachstumstitel wie Nvidia oder Novo Nordisk. Auch wenn es Rückschläge gibt, bieten Aktien langfristig die besten Chancen – besser als Anleihen oder Immobilien, da sie fungibler sind. Wer die richtigen Aktien auswählt, hat weiterhin gute Aussichten, wenn auch nicht mehr ganz so gute wie in der jüngeren Vergangenheit.

Gibt es bestimmte Sektoren oder Regionen, die Sie aktuell für besonders attraktiv halten?

Alles, was mit Wachstum zu tun hat, ist interessant – vor allem Technologie. Trotz regelmäßiger Warnungen vor hohen Bewertungen entstehen immer wieder neue, erfolgreiche Unternehmen. Und Technologieaktien kann man meist länger halten. Andere Branchen sind stärker von Konjunkturzyklen geprägt und unterliegen stärkeren Schwankungen. Rohstoffe und andere global aufgestellte Unternehmen können langfristig interessant sein, aber das richtige Timing ist hier meist entscheidend. Aktuell sind auch Bau- und Wohnungsbauaktien in Deutschland interessant, da sie günstig bewertet sind und Wachstumsphantasie haben, aber auch hier ist das richtige Timing mitentscheidend.

Wie sehen Sie die Perspektiven für die Gesundheitsbranche?

Pharma bleibt langfristig ein Wachstumsbereich, auch wenn politische Eingriffe, wie angekündigte Preissenkungen in den USA, kurzfristig belasten können. Die alternde Bevölkerung und medizinischer Fortschritt sorgen aber dafür, dass Gesundheit ein attraktives Investmentfeld bleibt. Dennoch ist aktives Management gefragt, um Rückschläge wie Kursverluste einzelner Unternehmen zu vermeiden.

Apropos Aktives Management. Welche Rolle spielt aktives Management im Vergleich zu passiven Investments wie ETFs?

Der Trend zu ETFs hat dazu geführt, dass immer mehr Geld in Indexfonds fließt, was die großen Indexwerte teuer macht. Das begünstigt Überbewertungen. Je mehr passiv investiert wird, desto attraktiver wird wieder das Stock Picking – besonders bei Mid Caps, die im Index weniger gewichtet sind. Aktives Management wird sich wieder lohnen, sobald sich die Übertreibungen bei den Indexwerten korrigieren.

Wie sollten sich Anleger angesichts der aktuellen Marktlage positionieren?

Die Bewertung von Aktien ist im historischen Vergleich hoch, sowohl absolut als auch im Verhältnis zu Anleihen, die wieder höhere Zinsen bieten. Zudem sind die zu erwartenden negativen Effekte aus Trumps Zollpolitik auf die Unternehmensgewinne derzeit nicht adäquat eingepreist. Zwar ist nach einer gewissen Bereinigung der Markt nicht mehr so überhitzt wie noch vor einigen Monaten, aber übergroße Vorsicht herrscht auch nicht. Ich glaube nicht, dass wir unmittelbar vor einem neuen Absturz stehen, aber Anleger sollten sich eher defensiv aufstellen und nicht zu offensiv investieren.

Was sind die entscheidenden Faktoren für die weitere Entwicklung?

Am wichtigsten bleiben die Unternehmensgewinne und die Zinsentwicklung. Und die Zinsen dürften nicht wesentlich steigen. Vielleicht sinken sie auch Ende des Jahres in den USA sogar ein wenig. Die Gewinnentwicklung der Unternehmen ist nur sehr schwer einzuschätzen – auch wegen geopolitischer Risiken und politischer Eingriffe wie den Handelszöllen.

Gold ist aktuell so teuer wie noch nie. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Insgesamt rechne ich mit einer weiter positiven Entwicklung. Ich sehe die starken Käufe aus China derzeit als Haupttreiber des Goldpreises, die etwa die Hälfte der ETF-Zuflüsse ausmacht.In den USA und Europa ist das Interesse weniger stark ausgeprägt. Sollte die Börse schwächer laufen, könnte aber auch im Westen Gold wieder mehr gefragt sein.

Was treibt die Goldnachfrage in China so stark an?

In China bringen Immobilien kaum noch Rendite, auch Anleihen sind wenig attraktiv. Das steigert die Attraktivität von Gold als Anlageform, zumal der Goldpreis zuletzt stark gestiegen ist. Viele Chinesen sehen Gold als sicheren Hafen.

Welche Rolle sollte Gold im Portfolio bei Investoren spielen?

Gold ist nach wie vor ein wichtiger Faktor. Als ich vor fast 60 Jahren startete, galt eine Mindestquote von zehn Prozent Gold im Portfolio als sinnvoll. Wer weniger hatte, galt als zu risikofreudig. Heute liegt der Durchschnitt deutlich darunter. Wir empfehlen den Kunden in unserer Vermögensverwaltung je nach Risikoneigung immer einen gewissen Anteil Gold – aber immer in ausgewogener Mischung mit anderen Anlagen.

Sie sind seit rund sechs Jahrzehnten an der Börse aktiv. Was hat sich denn Ihrer Meinung nach in dieser Zeit am stärksten geändert?

Als ich anfing, war der Markt noch sehr von Insiderwissen geprägt. Ich habe von Anfang an versucht, auf Fakten zu setzen und die Börsenprognose wissenschaftlicher anzugehen. Ich war einer der Ersten, die Charts und Kurs-Gewinn-Verhältnisse in Börsenbriefe eingebracht haben. Damals war das etwas völlig Neues. Die Banken haben dagegen kaum etwas publiziert, heute gibt es dagegen jede Menge Analysen und Unterlagen.

Sie haben sich mit Ihrem Fonds, unter anderem dem FMM-Fonds, am Markt bis heute behauptet. Wie lautet Ihr Erfolgsrezept?

Wichtig ist, dauerhaft eine gute Performance zu erzielen, indem man die Rückschläge möglichst klein hält. Die Grundlage war dabei immer die FMM-Methode, die ich schon in meiner Dissertation entwickelt habe. Sie ist zeitlos und hat sich bewährt.

Herr Dr. Ehrhardt, vielen Dank für das Gespräch!



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