Carmignac: Klimawandel

"Die Ankündigung des Endes der lockeren Geldpolitik durch die amerikanische Federal Reserve Bank, in der vergangenen Wochen eine grundlegend neue Perspektive für die Märkte geschaffen", sagt Didier Saint-Georges, Mitglied des Investmentkommittees.

12.07.2013 | 16:25 Uhr

Die Ankündigung des Endes der lockeren Geldpolitik durch die amerikanische Federal Reserve Bank, und der Liquiditätsentzug durch die chinesische Zentralbank haben im Laufe der vergangenen Wochen eine grundlegend neue Perspektive für die Märkte geschaffen. Diese doppelte Wende stellte – auch für uns – eine Überraschung dar. Wie ist sie zu verstehen? Der Grund für diesen plötzlichen Sinneswandel ist nicht etwa die Stärke der amerikanischen und – weniger noch – der chinesischen Wirtschaft. Der amerikanischen Wirtschaft geht es besser, doch sie bleibt nach wie vor anfällig. In China ist eine Konjunkturverlangsamung festzustellen. Die Erklärung für den plötzlichen Sinneswandel ist daher anderswo zu suchen: wahrscheinlich eher in der bewussten Entscheidung, die Anleihenmärkte zu stabilisieren, bevor ein Konjunkturaufschwung diese Aufgabe zusätzlich erschwert. Die Fed bereitet die Anleger lieber bereits jetzt auf einen schrittweisen Liquiditätsentzug vor, anstatt das Risiko einzugehen, dass ein späterer Konjunkturaufschwung sie zu einem überstürzten Rückzug zwingt. In diesem Sinne scheint sich auch die chinesische Zentralbank zu einer Korrektur der übermäßigen Kreditvergabe im Land entschlossen zu haben, bevor die Beseitigung der geschaffenen Ungleichgewichte bei einer ruhigeren Lage noch schwieriger wird. Ein Erfolg dieser Normalisierungsprojekte wird die Märkte früher oder später stabilisieren, die sich zunehmend auf ihre Fundamentaldaten und nicht mehr ausschließlich auf die künstliche Unterstützung durch die Zentralbanken stützen werden. Es scheint uns jedoch sinnvoll, in Bezug auf die Ausführungsrisiken und die steigende Volatilität, die dieser „Klimawandel“ einläutet, mit Umsicht vorzugehen.

Noch im März lobte Ben Bernanke öffentlich die Verdienste des „Quantitative Easing“ und sprach Japan seine Anerkennung für die Entscheidung aus, diesem Beispiel zu folgen. Dabei bekräftigte er seine Überzeugung, dass die Weltwirtschaft infolge der 2008 ausgelösten weltweiten Krise weiterhin sehr ernsthaften Defl ationsrisiken ausgesetzt ist. Wie ist daher sein im Mai erfolgter Sinneswandel zu bewerten? Gewiss, die amerikanische Wirtschaft zeigt einige Anzeichen einer Erholung. Doch vor allem ist darin ein Zeichen zu sehen, dass Ben Bernanke weniger als sieben Monate vor dem Ende seiner zweiten und letzten Amtszeit nicht mehr warten und seinem Nachfolger die Initiative überlassen kann, mit den unvermeidbaren Maßnahmen zur Normalisierung der Bilanz der Fed zu beginnen. Die Bilanzsumme der Fed ist durch den massiven Anstieg der dort gehaltenen Reserven der amerikanischen Banken aufgebläht und seit 2008 um das Fünffache gestiegen. Dieser historische Anstieg war in keiner Weise infl ationär, weil das Bankensystem die ihm zur Verfügung gestellten Liquiditätsströme nicht in Form von Krediten an die Wirtschaft weitergegeben hat (die „Umlaufgeschwindigkeit“ des Geldes blieb sehr gering). Doch dies dürfte sich schnell ändern, wenn diese Umlaufgeschwindigkeit sich unter dem Einfl uss des Bankensektors beschleunigt, wenn sich dessen Finanzlage verbessert. Ben Bernanke hat infolgedessen die Entscheidung getroffen, bereits jetzt den Beginn der Normalisierung zu riskieren, anstatt zu warten, bis sich für seinen Nachfolger unter dem Druck einer bestätigten Konjunkturerholung das weitaus schwerwiegendere Risiko eines sprunghaften Wiederanstiegs der Inflationserwartungen konkretisiert. Diese Strategie bevorzugt die Aussicht auf einen erneuten Anstieg der zehnjährigen Zinsen für Staatsanleihen auf 3% in der Hoffnung, dass sich diese Entscheidung mit einer Fortsetzung der schrittweisen Konjunkturerholung in den Vereinigten Staaten vereinbaren lassen wird.

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