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Kenneth Rogoff: Unter dem lateinamerikanischen Vulkan

Unter dem lateinamerikanischen Vulkan
Volkswirtschaft
Unter dem lateinamerikanischen Vulkan
08/2021
Kenneth Rogoff
Project Syndicate

@ Feedback an Redaktion

Vielleicht nirgends sonst ist die derzeitige Abkoppelung zwischen ruhigen Märkten und bestehenden sozialen Spannungen derart akut wie in Lateinamerika. Die Frage ist, wie lange sich diese eklatante Dissonanz noch fortsetzen kann.

31.08.2021 | 08:00 Uhr

Im Moment scheinen sich die Wirtschaftsdaten der Region zu verbessern, und die Schuldenmärkte bleiben merkwürdig gelassen. Doch auf den Straßen macht sich brodelnde Wut breit, besonders (aber nicht nur) in Kolumbien. Und da der Prozentsatz neuer täglicher COVID-19-Fälle in Lateinamerika schon jetzt vier Mal höher ist als im Mittel der Schwellenmärkte, obwohl die dritte Welle der Pandemie derzeit erst einsetzt, droht den 650 Millionen Menschen der Region eine zunehmende humanitäre Katastrophe.

Mit steigender politischer Unsicherheit sind die Anlageinvestitionen in der schon jetzt unter niedrigem Produktivitätswachstum leidenden Region ins Stocken geraten. Noch schlimmer ist, dass eine ganze Generation von Lateinamerikas Kindern fast anderthalb Schuljahre verloren hat, was die Hoffnungen, im Bereich der Bildung zu Asien oder gar den USA aufzuschießen, weiter untergräbt.

Für Kuba, Russland und China, die mit Venezuela bereits über einen Brückenkopf verfügen, stellt die Pandemie eine Gelegenheit zur weiteren Penetration Lateinamerikas dar. Die Märkte scheinen erleichtert, dass der anscheinende Gewinner der Präsidentschaftswahl in Peru, der Marxist Pedro Castillo, zumindest ein paar dem Mainstream zuzurechnende Wirtschaftsberater zu haben scheint, doch bleibt abzuwarten, wie viel echten Einfluss diese haben werden.

Darüber hinaus sind die lateinamerikanischen Wirtschaftsdaten des bisherigen Jahres nur in dem Sinne gut, dass sie sie nicht so schrecklich sind wie 2020, als die Wirtschaftsleistung um 7% zurückging. Im April prognostizierte der Internationale Währungsfonds, dass das BIP der Region 2021 um 4,6% steigen würde; aktuellere Schätzungen liegen näher bei 6%. Doch pro Kopf betrachtet – was inzwischen als bessere Methode zur Messung einer Erholung von einer tiefen Wirtschaftskrise gilt – werden die meisten lateinamerikanischen Länder frühestens 2022 wieder das Niveau von vor der Pandemie erreichen.

Besorgniserregend ist, dass ein großer Teil des realen Wachstums der Region in diesem Jahr aus steigenden Rohstoffpreisen herrührt, die durch die Wirtschaftserholung anderswo bedingt sind, und nicht aus echten Produktivitätssteigerungen, die die Einkommen über den gesamten Rohstoffzyklus hinweg aufrechterhalten. Und was die Sache noch verschlimmert: Die einkommensschwachen Haushalte wurden von der Pandemie und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Abschwung besonders hart getroffen.

Um die politischen Herausforderungen zu verstehen, vor denen Lateinamerika steht, braucht man nur seine beiden größten Volkswirtschaften zu betrachten: Brasilien und Mexiko. Auf diese beiden zusammen entfällt mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung der Region. Oberflächlich betrachtet werden sie von völlig unterschiedlichen Politikern regiert: Brasilien von seinem rechts stehenden Präsidenten Jair Bolsonaro, und Mexiko von seinem links stehenden Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (weithin bekannt als AMLO). Doch ähneln sich diese beiden Männer auf wichtige Weisen.

Während AMLOs politische Instinkte ihre Wurzeln im radikalen Weltbild der 1970er Jahre haben und Bolsonaro nostalgische Gefühle für Brasiliens Ära der Militärherrschaft zu hegen scheint, sind beide erratische Autokraten. Zudem bleiben beide trotz ihrer katastrophalen Handhabung der Pandemie und einer Vielzahl anderer unvernünftiger wirtschaftlicher Entscheidungen einigermaßen populär. AMLO hat schon bald nach seiner Amtsübernahme Ende 2018 das dringend erforderliche neue Flughafenprojekt in Mexiko-Stadt gekippt, obwohl dieses bereits weit fortgeschritten war. Und während er im Wahlkampf ein starkes Wirtschaftswachstum versprochen hatte, war Mexikos BIP bereits vor der Pandemie im Schrumpfen begriffen – um 0,1% im Jahr 2019.

Bolsonaro seinerseits macht, wenn er nicht gerade droht, das Amazonasbecken plattzumachen, weiterhin erfolgreich die oppositionelle linke Arbeiterpartei (PT), die das Land bis 2016 regiert hatte, für Brasiliens Probleme verantwortlich. Mehrere führende PT-Politiker, darunter Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, wurden wegen Korruption zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Trotzdem ist es durchaus möglich, dass Brasilien in ein paar Jahren wieder einen linken Präsidenten haben könnte – womöglich Lula, dessen Verurteilung im März aufgehoben wurde –, während Mexiko wieder in die Hände eines Zentristen fällt. Der künftige politische Kurs beider Länder ist daher schwer vorhersagbar.

Warum sind die Anleihemärkte angesichts all dieser Unsicherheit nicht beunruhigt? Zum Teil liegt das daran, dass beide Länder, was ihr Schuldenmanagement angeht, relativ konservativ geblieben sind. Zwar stimmt es, dass Brasiliens Staatsverschuldung in diesem Jahr laut Prognosen knapp 100% vom BIP erreichen soll. Doch lautet sie fast komplett auf die Landeswährung, und 90% der Gesamtsumme werden von der brasilianischen Bevölkerung gehalten. Vor fünf Jahren waren es noch 80%. Selbst die Aufnahme von Auslandskrediten durch die Unternehmen hält sich in Grenzen; die externen Schulden des Landes belaufen sich noch immer auf lediglich rund 40% vom BIP.

Mexikos Staatsverschuldung ist geringer als die Brasiliens und beträgt rund 60% vom BIP. Bei aller sonstigen Radikalität hat sich AMLO bisher ähnlich wie früher Lula in Brasilien als finanzpolitisch konservativ erwiesen. Die Lehre, dass Schuldenkrisen eine populistische Revolution aus der Bahn werfen können, wurde verinnerlicht.

Es stimmt, dass die Regierungen der Region eine überraschend robuste makroökonomische Antwort auf die Pandemie gefunden haben. Doch haben sie deutlich weniger Spielraum als die USA, ihre Defizitfinanzierung fortzusetzen. Um die Ausgaben zu erhöhen und die Ungleichheit nachhaltig zu bekämpfen, müssen die lateinamerikanischen Länder einen Weg finden, um ihre Haushaltseinnahmen zu steigern. Ironischerweise begannen die Proteste in Kolumbien nicht als Reaktion auf Einschnitte bei den Sozialleistungen, sondern weil die Regierung versuchte, die von der Mittelschicht gezahlten Steuern anzuheben, um die ärmsten Bürger des Landes in der Pandemie stärker und besser zu unterstützen. Regierungen, die eine Einkommensumverteilung anstreben, müssen die Steuern für die wohlhabenderen Bürger anheben, statt die Probleme durch eine zusätzliche Schuldenaufnahme zu übertünchen.

In den letzten Jahrzehnten haben sich die USA nicht darauf eingelassen, sich vertieft für die Lösung der Probleme Lateinamerikas zu engagieren, doch das wird sich womöglich ändern. Zunächst einmal braucht die Region umfassende Unterstützung durch Impfstoffe, um wieder auf die Beine zu kommen. Amerika kann außerdem helfen, indem es den Handel stärkt – insbesondere, indem es etwas gegen die pandemiebedingten Engpässe tut und die fortbestehenden protektionistischen Maßnahmen der Trump-Ära aufhebt.

Der größte Teil Lateinamerikas ist von den schrecklichen Umständen in Venezuela, wo die Wirtschaftsleitung seit 2013 um unglaubliche 75% gesunken ist, noch immer weit entfernt. Doch angesichts der anhaltenden humanitären Katastrophe dort und des Schreckgespenstes politischer Instabilität anderswo sollten die Anleger eine nachhaltige Wirtschaftserholung nicht als Selbstverständlichkeit ansehen.


Copyright: Project Syndicate

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