Nachhaltigkeit ist seit Jahren ein Trendthema. Sorgen vor hohen Energiepreisen und vor weiterer Verknappung führen zu einer noch stärkeren Präsenz von Nachhaltigkeitsfragen in der Öffentlichkeit.
23.08.2022 | 10:30 Uhr
Das Deutsche Institut für Vermögensbildung und
Alterssicherung (DIVA) hat vor diesem Hintergrund erneut gefragt, ob dieser
Bewusstseinswandel zwischenzeitlich auch beim Thema Geldanlage angekommen ist.
Immerhin sind 53,8 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass nachhaltige
Geldanlagen auch wirklich zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beitragen können.
Allerdings halten mehr als ein Drittel (37,5 %) der Befragten das Thema
Nachhaltigkeit in der Geldanlage lediglich für eine Modeerscheinung.
Die Ergebnisse entstammen einer Sonderbefragung des DIVA von 2.000 Bürgerinnen
und Bürgern zu nachhaltigen Geldanlagen und individuellen Anlagepräferenzen.
Sie sind auch vor dem Hintergrund des europäischen Green Deals zu betrachten,
zu dessen Zielsetzungen die Förderung nachhaltiger Geldanlagen gehört.
Dazu Prof. Dr. Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA: „Die
durchaus vorhandene Skepsis bei über einem Drittel der Bevölkerung gegenüber
nachhaltigen Geldanlagen sollte der Politik und genauso der Finanzwirtschaft
Anlass zur Reflexion geben. Zu diesem Misstrauen trägt sicherlich auch die Entscheidung
der Europäischen Union bei, Atomenergie und Investitionen in neue
Atomkraftwerke als nachhaltige Übergangstechnologie einzustufen. Gerade
deutsche Anlegerinnen und Anleger sehen das anders oder dürften angesichts der
Energiepolitik der letzten Jahre zumindest irritiert sein. Und auch die
Finanzwirtschaft muss Signale ernst nehmen, dass bei vielen Diskussionen
Verdachtsmomente für ein sogenanntes „Green-Washing“ aufgekommen sind.“
Die Zurückhaltung gegenüber Nachhaltigkeitsthemen in Geldfragen spiegelt sich
laut DIVA-Befragung auch in den konkreten Anlageentscheidungen wider. Für mehr
als die Hälfte der Befragten (59,4 %) hatte Nachhaltigkeit bei der letzten
getätigten Geldanlageentscheidung keine ausdrückliche Relevanz. In einer
weiteren Frage sollten die Anlagekriterien Sicherheit, Rendite,
Liquidierbarkeit und Nachhaltigkeit nach ihrer Wichtigkeit in eine Reihenfolge
gebracht werden. Im Vergleich zur letzten Befragung des DIVA vor einem halben
Jahr verändern sich die Ergebnisse dazu nur geringfügig: Sicherheit ist mit 41
Prozent weiterhin der dominierende Faktor. Rendite hat im Vergleich zur
Wintererhebung leicht zugelegt und liegt nun bei 30 Prozent, gefolgt von
Liquidität mit 17 Prozent. Nachhaltigkeit rutscht weiter ab und bleibt mit nun
12 Prozent Schlusslicht.
„Bei den konkreten Anlageentscheidungen geht es um Vermögensaufbau, die
Entschuldung einer Immobilie oder um die eigene Altersvorsorge. Da ist es
nachvollziehbar, dass die Menschen hier erst einmal an das eigene Portemonnaie
denken“, sagt Heuser: „Für die Finanzbranche kann dies nur heißen, möglichst
Anlageprodukte zu entwickeln, die gleichermaßen Sicherheit, Rendite und
Nachhaltigkeit bieten. Unter Marketingaspekten wäre eine Überbetonung des
Kriteriums Nachhaltigkeit nicht zielführend.“
Die Detailergebnisse der Befragung zeigen, dass die Befragten Nachhaltigkeit
kaum mit anderen Anlagekriterien in Verbindung bringen. Nur ein gutes Drittel
der Befragten (36 %) ist der Auffassung, dass sich nachhaltiges Anlegen
langfristig risikomindernd auswirkt. Und nur wenige mehr (37,4 %) bringen
Nachhaltigkeit langfristig mit einer höheren Rendite in Verbindung – letzteres
allerdings mit deutlichen Unterschieden zwischen den Altersgruppen. Während
mehr als die Hälfte der 18- bis 29-Jährigen (54,9 %) glaubt, dass nachhaltiges
Anlegen langfristig eine höhere Rendite erwirtschaftet, schrumpft diese
Überzeugung bei den Über-50-Jährigen auf weniger als 30 Prozent.
Dr. Helge Lach, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Vermögensberater
(BDV), des Trägers des DIVA, sieht auch die Politik in der Verantwortung: „Der
Green Deal ist nur finanzierbar, wenn massiv privates Kapital in den
Klimawandel investiert wird. Von allein ist ein Großteil der Bevölkerung dafür
aber nicht zu gewinnen, das zeigen die Ergebnisse der Umfrage. Deshalb sollte
darüber nachgedacht werden, nachhaltige Geldanlagen durch gezielte finanzielle
Anreize, also Steuerersparnisse oder Zulagen, zu fördern. Beispiele wie
vermögenswirksame Leistungen oder die Riester-Rente haben die Wirksamkeit
solcher Anreize unter Beweis gestellt.“
Kritisch sieht der BDV-Vorsitzende die Anfang August 2022 in Kraft getretene
Verpflichtung für freie Berater und Vermittler, nach der Kunden zu ihren
Präferenzen zur Nachhaltigkeit verpflichtend befragt werden müssen: „Die über
200.000 Vermittler in Deutschland wären die besten Botschafter für nachhaltige
Geldanlagen und würden mit Sicherheit das Thema sehr schnell in der Bevölkerung
verbreiten. Aber es ist ein Unding, dass die Verpflichtung nur für
Versicherungsanlageprodukte, nicht aber für Investmentfonds gilt. Außerdem sind
es am Ende die Vermittler, die den Ärger des Kunden abbekommen, wenn sich als
nachhaltig deklarierte Geldanlagen im Nachhinein als Mogelpackung
herausstellen. Man hätte alle Unstimmigkeiten der Taxonomie im Vorfeld
beseitigen müssen, dann könnten die Vermittler ihrem Auftrag auch nachkommen“,
so Lach.
Die Befragung ist Teil der aktuellen Sommer-Ausgabe des Deutschen
Geldanlage-Index (DIVAX-GA). Befragt wurden 2.000 Personen in Deutschland. Alle
Ergebnisse sind auf der Website des DIVA zu finden. (dp)
Die ausführliche DIVA-Pressemitteilung finden Sie im Anhang.
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