Seit einigen Monaten zieht der Silberpreis kräftig nach. In unserer sechsteiligen Serie gehen wir der Frage nach, inwieweit das „Gold des kleinen Mannes“ vor dem Beginn einer Neubewertung steht. Teil 6: Silber – der unterschätzte Architekt stabiler Portfolios. Das weiße Metall als stille Kraft zwischen Stabilität und Dynamik
17.11.2025 | 14:15 Uhr von «Tim Bröning»
Wer sich an der Geschichte der Märkte orientiert, weiß, dass manche Anlageklassen wie Charaktere sind. Gold ist weise und verlässlich. Silber ist dagegen launisch, oft unterschätzt, manchmal schwer zu zähmen, aber mit einer Energie, die im richtigen Moment entfesselt werden kann. Und genau das macht es so faszinierend.
Silber ist kein einfaches Investment. Es schwankt stärker als Gold, wird industriell verbraucht und seine Preisbildung ist ein Spiegelbild aus Psychologie, Politik und Physik. Doch wer sich ernsthaft mit Silber im Zusammenhang mit Vermögensstrukturen beschäftigt, fragt sich früher oder später wie viel Silber überhaupt und in welcher Form in ein Portfolio gehört.
Die drei Säulen des Silberinvestments – Stabilität, Struktur und Dynamik
Man kann die Geldanlage in Silber mit einem Bauwerk vergleichen, das auf drei Säulen ruht.
Die erste Säule ist das physische Silber. Barren und Münzen sind keine Renditemaschinen, sondern eine Versicherung im Geldsystem. Sie werfen keine Zinsen ab, brauchen Platz und Geduld, doch sie verkörpern etwas, das vielen Anlegern im digitalen Zeitalter abhandengekommen ist – Gewissheit. Wer physisches Silber besitzt, weiß, dass sein Wert nicht auf Vertrauen, sondern auf Materie beruht.
Die zweite Säule bilden Fonds und ETFs. Sie schaffen Struktur und Streuung und sind die Brücke zwischen realem Metall und den Kapitalmärkten. Fonds wie der Stabilitas Silber & Weißmetalle oder der Global X Silver Miners ETF bündeln die Chancen vieler Minen und reduzieren die Einzeltitelrisiken, die jeder Rohstoffanleger kennt. Für viele Investoren sind sie der einfachste Weg, vom strukturellen Silber-Defizit zu profitieren, ohne jedes Quartal operative Risiken und Förderberichte zu analysieren. Sie bieten Liquidität, Diversifikation und professionelle Steuerung und sind damit die tragende Mitte eines gut gebauten Silberportfolios.
Die dritte Säule schließlich besteht aus den Einzelaktien. Hier schlägt der Puls des Zyklus. Unternehmen wie Hecla Mining, Endeavour Silver oder First Majestic sind die direkten Profiteure steigender Preise. Wenn der Silberpreis klettert, steigen ihre Gewinne überproportional.
So entsteht ein Zusammenspiel aus Stabilität, Struktur und Dynamik – die drei Säulen, auf denen jedes intelligente Silberinvestment stehen sollte.
Anlegerprofile im Vergleich – wie die Mischung das Risiko bestimmt
Wer diese drei Säulen kennt, stellt sich unweigerlich die Frage, wie sie sich sinnvoll kombinieren lassen. Denn nicht jeder Anleger verfolgt dieselben Ziele oder hat die gleiche Risikobereitschaft.
Als Faustregel kann definiert werden: Je geringer die Risikobereitschaft, desto größer der Anteil an physischem Silber. Sicherheitsorientierte Investoren greifen also vor allem auf das Fundament aus physischem Silber zurück und ergänzen es eventuell um eine moderate Fondsquote. Wer ausgewogener denkt, verteilt sein Engagement etwa zu gleichen Teilen auf physisches Metall und Silberminen, die dann je nach Geschmack und Kenntnis über Fonds und Einzelaktien abgebildet werden können. Offensivere Strategien reduzieren entsprechend den physischen Silberanteil.
So wird aus dem Silberinvestment kein unstrukturierter Klumpen Metall, sondern ein strategisch geschichteter Baustein, der Stabilität, Marktbewegungen und Dynamik vereint. Physisches Silber dient der Substanzsicherung. Fonds und ETFs bringen Beweglichkeit und Risikostreuung, während Einzelaktien die zyklische Dynamik des Marktes abbilden.
Zwischen Edel- und Industriemetall – warum Silber Portfolios stabilisiert
Wer den Blick vom Portfolio auf die Märkte richtet, erkennt die besondere Rolle des Metalls. Silber steht zwischen den Welten. Es ist weder reines Edelmetall noch typisches Industriemetall. Diese Doppelnatur macht es zu einem wertvollen Bestandteil eines Multi-Asset-Portfolios.
Wie das Silver Institute in einer Untersuchung von 2022 herausfand, ist das Metall Silber einer der effektivsten Diversifikatoren innerhalb eines gemischten Depots. Die Studie, erstellt von Oxford Economics, stützt sich auf mehr als zwanzig Jahre Marktdaten und 25 Anlageklassen.
Silber bewegt sich weitgehend unabhängig von anderen Anlagen. Die Beziehung zu Aktien liegt im Durchschnitt bei etwa 0,4. Mit Anleihen ist sie teils sogar negativ. Zu Rohstoffen besteht eine moderate Verbindung von rund 0,45, und die stärkste Korrelation zeigt sich naturgemäß zu Gold mit 0,77.
Wie viel Silber sinnvoll ist
In einem klassischen Multi-Asset-Portfolio, das aus Aktien, Anleihen und Liquidität besteht, wirkt Silber genauso wie Gold also wie ein asymmetrischer Diversifikator. Es korreliert wenig mit den dominierenden Anlageklassen, reagiert aber sehr dynamisch auf sich verändernde Rahmenbedingungen in den Märkten.
In den Modellsimulationen der Oxford-Ökonomen erzielte ein Portfolio mit einem Silberanteil von vier bis sechs Prozent die beste Balance aus Rendite und Risiko – unabhängig von der Risikoklasse des Anlegers. Diese Daten belegen, was erfahrene Investoren längst wissen. Silber erhöht die Effizienz eines Portfolios und sollte neben Gold ebenso einen Platz im Depot haben.

Quelle: Oxford Economics, The SilverInstitute
Nach einer individuell festgelegten Portfolioaufteilung sollte die gewählte Gewichtung regelmäßig überprüft werden. Märkte verändern sich und auch die Balance zwischen den drei Säulen kann sich verschieben. Ein diszipliniertes Rebalancing stellt sicher, dass der Anteil des Silbers im Gesamtvermögen und die Aufteilung zwischen physischem Metall, Fonds und Minenwerten im Gleichgewicht bleiben.
Eine Ratio als innerer Kompass für die Strukturierung des Edelmetallanteils
Wer seine Gewichtungen zwischen Gold und Silber je nach Marktphase in der Edelmetall-Allokation variieren möchte, dem dient das Gold-Silber-Ratio als ein stiller, aber präziser Wegweiser. Es zeigt, wie viele Unzen Silber man für eine Unze Gold erhält. Derzeit liegt dieser Wert bei rund achtzig. In reifen Edelmetallzyklen fällt er häufig auf fünfzig oder tiefer.
Wer bei hohen Ratios Silber kauft und bei niedrigen Ratios Gewinne mitnimmt oder eben in Gold wechselt, handelt antizyklisch und rational. Das Ratio ist kein Timing-Trick, sondern ein „thermisches Messgerät“ des Marktes. Es zeigt, wann Gold überhitzt und wann Silber als Nachzügler aufholt. Wer sich daran orientiert, denkt nicht in Emotionen, sondern in Zyklen.

Fazit – Silber, ein Stabilisator mit Weitblick
Silber ist kein Spiel, keine Mode und kein kurzfristiges Manöver. Es ist die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Stabilität und Dynamik. In einem gut konstruierten Portfolio übernimmt es eine wichtige Rolle. Es stabilisiert in Krisen, belebt in Aufschwüngen und verleiht Substanz in einer Welt, die zunehmend aus Versprechen besteht.
Der Silberanteil ist deshalb mehr als eine Zahl. Er ist ein Bekenntnis zu echtem Wert, zu Geduld und – wenn man die Fundamentaldaten von Angebot und Nachfrage anschaut - zu Weitblick.
Zum Autor: Tim Bröning ist Diplom-Ökonom und Betriebswirt und bereits seit über 30 Jahren an der Börse und im Finanzmarkt aktiv. Er arbeitete viele Jahre bei der Siemens AG sowohl im Energiebereich als auch für den Zentralvorstand in der Strategie- sowie M&A-Abteilung, wo er sich früh mit Marktanalysen, strategischer Ausrichtung und Unternehmensbewertung beschäftigte. Die letzten 15 Jahre war er ausschließlich in hohen Führungspositionen im Finanzdienstleistermarkt tätig, wo er sich u.a. auf makroökonomische Fragestellungen, die Fondsanalyse und Fondsauswahl fokussierte. Einer besonderer Fokus gilt seit Jahren dem Rohstoffmarkt. Tim Bröning ist heute selbständig. Mehr unter www.broening-investment.de.
Hier geht es zu Teil 1 der TiAM-Serie zu Silber: „Silber auf Rekordkurs: Anpfiff zur zweiten Halbzeit“
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