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Silber auf Rekordkurs: Warum selbst hohe Preise kein neues Angebot schaffen

Silberrpeis ist kräftig gestiegen
Silber

Seit einigen Monaten zieht der Silberpreis kräftig nach. In unserer sechsteiligen Serie gehen wir der Frage nach, inwieweit das „Gold des kleinen Mannes“ vor dem Beginn einer Neubewertung steht. Teil 3: Weshalb die Angebotsseite des Silbermarkts so angespannt ist

27.10.2025 | 13:00 Uhr von «Tim Bröning»

Silber gilt als Metall der Energiewende – aber auch als eines, das sich nicht beliebig vermehren lässt. Fünf Jahre in Folge übersteigt die Nachfrage das Angebot. Auf den ersten Blick überrascht das, denn der Preis hat sich erholt und neue Projekte müssten doch längst rentabel sein. Doch die Angebotsseite des Silbermarkts folgt eigenen Gesetzen – geprägt von geologischen, technischen und strukturellen Grenzen.

Förderung am Anschlag – ein Markt mit angezogener Handbremse

Die globale Silberproduktion erreicht 2025 laut World Silver Survey rund 835 Millionen Unzen, ein leichtes Plus von 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das klingt stabil – ist es aber nicht. Denn die Förderung wächst nur dort, wo bestehende Projekte ihre Kapazitäten erweitern oder wo Nebenprodukte anfallen. Rund 70 Prozent der weltweiten Silberproduktion entstehen nicht in reinen Silberminen, sondern als Beiprodukt aus Zink-, Blei-, Kupfer- oder Goldförderung. Damit ist das Silberangebot preisunelastisch: Selbst wenn der Silberpreis steigt, reagieren die Fördermengen kaum, solange die Hauptmetalle nicht ebenfalls teurer werden.
Mexiko, China und Peru bleiben die drei größten Silberproduzenten, zusammen liefern sie etwa die Hälfte des Weltangebots. Mexiko führt das Ranking seit Jahren an, getrieben von Konzernen wie Fresnillo, Industrias Peñoles und MAG Silver (jetzt Pan American Silver). China folgt als industrieller Multi-Metall-Produzent, während Peru und Chile durch geopolitische und regulatorische Unsicherheiten zunehmend an Dynamik verlieren. In den USA und Russland hingegen sorgt die Erweiterung bestehender Projekte für kleinere Zuwächse. Doch insgesamt zeichnet sich eine klare Tendenz ab: Die Förderländer konzentrieren sich auf wenige, und neue Projekte bleiben rar.

Silberangebot
Silberangebot
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Geologie, ESG und Kosten – warum neue Minen rar bleiben

Das hat geologische und wirtschaftliche Gründe. Die leicht zugänglichen, hochgradigen Lagerstätten sind weitgehend erschöpft. Neue Vorkommen liegen in schwierigem Terrain oder unter ESG-Auflagen, die Erschließung teuer machen. Strengere Umweltstandards, Wassermangel – vor allem in Lateinamerika – und soziale Konflikte verzögern viele Projekte oder machen sie unrentabel. Selbst große Produzenten investieren vorsichtig: Die Projektpipeline ist dünn, und Explorationsausgaben stagnieren auf niedrigem Niveau. Laut Metals Focus wird 2026 der Förderhöhepunkt („Peak Silver“) erreicht; danach dürfte die Produktion langsam zurückgehen.
Ein vermeintlicher Ausweg ist das Recycling. Nach einem 12-Jahres-Hoch 2024 (193,9 Mio. Unzen) stagniert die Rückgewinnung 2025 bei rund 193 Mio. Unzen. Die Grenzen sind offensichtlich: Nur Schmuck, Silberwaren und industrielle Katalysatoren lassen sich effizient recyceln. In Solarzellen, Elektronik und Batterien hingegen steckt Silber in so geringen Konzentrationen, dass eine wirtschaftliche Rückgewinnung kaum möglich ist. Somit bleibt Recycling eine wichtige, aber endliche Ergänzung, nicht die Lösung des strukturellen Engpasses.
Auch Kostendruck spielt eine Rolle. Der anhaltende Inflationszyklus, höhere Energiekosten und steigende ESG-Auflagen treiben die Produktionskosten vieler Minen nach oben. Das wirkt sich doppelt aus: Neue Projekte werden langsamer entwickelt, und bestehende Minen verschieben Erweiterungen oder schließen bei fallenden Preisen. In Südamerika kommt hinzu, dass politische Unsicherheit und Steuerregime den Investitionshunger dämpfen.

Silbernachfrage
Silbernachfrage

Projekte, die zählen – und warum sie kaum etwas ändern
Und die viel beschworenen „neuen Projekte“? Tatsächlich gibt es nur wenige, die global relevant sind. Zu nennen sind etwa die Juanicipio-Mine in Mexiko (Fresnillo/MAG Silver), die Rochester-Erweiterung in Nevada (Coeur Mining) oder das Zgounder-Projekt in Marokko (Aya Gold & Silver). Doch selbst zusammengenommen erhöhen diese Projekte das weltweite Angebot nur um wenige Prozent. Viele geplante Vorhaben, etwa in Argentinien, Bolivien oder Afrika, kämpfen mit Finanzierungslücken, Energieengpässen oder politischen Risiken.

Die Folge: Selbst bei stabilen Preisen bleibt das Silberangebot strukturell begrenzt. Anders als bei Kupfer oder Lithium führt eine Preisrallye nicht automatisch zu einem Angebotsboom. Die Förderkette ist träge, kapitalintensiv und regulatorisch komplex. Während die industrielle Nachfrage – Photovoltaik, Elektronik, E-Mobilität – ungebrochen wächst, bewegt sich die Angebotsseite kaum.
Noch puffern Lagerbestände in London (LBMA) und New York (COMEX) das Defizit. Doch die Reserven schrumpfen Jahr für Jahr – seit 2021 um über 10.000 Tonnen. Sobald dieser stille Puffer aufgebraucht ist, wird sichtbar, was der Markt bisher kaschiert: Silber ist nicht nur monetär knapp, sondern physisch endlich.
Das erklärt, warum Silber trotz höherer Preise nicht beliebig „mehr gefördert“ werden kann. Die Angebotsseite ist strukturell unflexibel, die Förderländer konzentrieren sich, und neue Projekte wachsen langsamer, als die Energiewende Silber verbraucht. Es ist ein paradoxes Gleichgewicht: ein industriell unverzichtbares Metall, dessen Produktionswachstum an natürliche und politische Grenzen stößt.

Ausblick: Welcher Silberpreis erscheint „fair“?

Im nächsten Teil der Serie widmen wir uns deshalb der Bewertung und Preisfindung: Wie entsteht eigentlich ein „fairer Silberpreis“ – und was passiert, wenn Nachfrage und Angebot dauerhaft auseinanderdriften?

Silbermarkt
Silbermarkt

Ausblick: Welcher Silberpreis erscheint „fair“?

Im nächsten Teil der Serie widmen wir uns deshalb der Bewertung und Preisfindung: Wie entsteht eigentlich ein „fairer Silberpreis“ – und was passiert, wenn Nachfrage und Angebot dauerhaft auseinanderdriften?


Zum Autor: Tim Bröning ist Diplom-Ökonom und Betriebswirt und bereits seit über 30 Jahren an der Börse und im Finanzmarkt aktiv. Er arbeitete viele Jahre bei der Siemens AG sowohl im Energiebereich als auch für den Zentralvorstand in der Strategie- sowie M&A-Abteilung, wo er sich früh mit Marktanalysen, strategischer Ausrichtung und Unternehmensbewertung beschäftigte. Die letzten 15 Jahre war er ausschließlich in hohen Führungspositionen im Finanzdienstleistermarkt tätig, wo er sich u.a. auf makroökonomische Fragestellungen, die Fondsanalyse und Fondsauswahl fokussierte. Einer besonderer Fokus gilt seit Jahren dem Rohstoffmarkt. Tim Bröning ist heute selbständig. Mehr unter www.broening-investment.de.

Hier geht es zu Teil 1 der TiAM-Serie zu Silber: Silber auf Rekordkurs: Anpfiff zur zweiten Halbzeit

Hier geht es zu Teil 2 der TiAM-Serie zu Silber: „Silber auf Rekordkurs: zwischen Energiewende und Anlegerhunger – wo die echte Nachfrage herkommt “



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