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Wer haftet für den Kaufkraftverlust?
Regulierung

Betriebsrente: Wer zahlt den Inflationsausgleich?

Die Inflationsrate in Deutschland ist seit Oktober zweistellig. Betroffen von der Kaufkraftentwertung sind die Betriebsrenten je nach Regelung und Durchführungsweg sehr unterschiedlich. Wer haftet für den Kaufkraftverlust?

22.12.2022 | 07:30 Uhr von «Ulrich Lohrer»

Bei aktuell zehn Prozent Inflation verliert der Euro rasant an Kaufkraft. In einigen Branchen mit gut organisierten Gewerkschaften wie in der Metall- und Elektrobranche konnten Arbeitnehmer im November in den Tarifverhandlungen nahezu einen Inflationsausgleich von rund 8,5 Prozent Lohnsteigerungen aushandeln. Auch Rentner sind von der Geldentwertung betroffen. Bei der gesetzlichen Rente erfolgt mit der Rentenformel ein automatischer Ausgleich durch die eine Anpassung an die Lohnentwicklung. Bei der privaten und betrieblichen Altersvorsorge (bAV) ist dies nicht immer garantiert. Die klassische private Rentenversicherung investieren die Beiträge vorwiegend in Zinspapiere, die in Zeiten hoher Inflation häufig reale Einbußen erleiden. So liegen aktuell die Garantiezinsen und die zusätzlich anfallenden Überschüsse deutlich unter der Inflationsrate. Wer eine Rentendynamik gewählt hat, der bekommt oft nur als volle Dynamik eine jährliche Rentensteigerung von drei Prozent.

Erfolgt alle drei Jahre Anpassung der Betriebsrente an die Inflation?

Bei der betrieblichen Altersversicherung ist die Anpassung an die Inflation gesetzlich geregelt. Arbeitgeber, die ihren ehemaligen Mitarbeiterinnen vertraglich eine Betriebsrente schulden, müssen die Höhe regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls nach billigem Ermessen laut dem Betriebsrentengesetz (§ 16 BetrAVG ) anpassen. Die Prüfung muss alle drei Jahre erfolgen. Die Rentenanpassung gilt nach dem Gesetz als erfüllt, wenn die Erhöhung nicht geringer ausfällt als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes (Inflation) oder der Anstieg der „Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens“. Für Unternehmen, die eine Anpassung zuletzt 2021 durchgeführt haben, lag die Anpassung an die Veränderung der Verbraucherpreise der drei Jahre zuvor bei nicht einmal vier Prozent. Bei dem aktuell zweistelligen Anstieg der Verbraucherpreise und einer nur etwas geringeren Nettolohnentwicklung wird eine Anpassung im kommenden Jahr für die Firmen dagegen einen extremen Kostenschub verursachen.

Wie Unternehmen teuere Anpassung an Inflation vermeiden können

Allerdings bietet das Gesetz den Unternehmen auch die Möglichkeit einer alternativen, für sie deutlich günstigeren – und für die Betriebsrentner ungünstigeren – Regelung. Arbeitgeber, die sich vorab verpflichtet haben, die Rente jährlich um nur ein Prozent zu erhöhen, müssen eine darüber liegende Inflation nicht ausgleichen. Zudem gibt es nur für die Betriebsrentenvariante der Direktversicherung oder Pensionskasse eine für die Arbeitgeber noch günstigere Regelung. Wurde beim Abschluss vereinbart, dass „sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschussanteile“ für Erhöhungen verwendet werden, müssen die Arbeitgeber überhaupt keinen zusätzlichen Inflationsausgleich zahlen. Die Überschussanteile ergeben sich aus besonders vorsichtiger Kalkulation der Lebensversicherungen und Pensionskassen, indem sie für die Versicherten eine überdurchschnittlich hohe Lebenserwartung unterstellen. Sterben die Versicherte früher, stehen die Überschüsse für die lebenden Kunden zur Verfügung. In einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgericht (Az. 3 AZR 408/21) wurde die Klage einer Betriebsrentnerin auf Rentenerhöhung entsprechend der Inflation mit dem Hinweis abgewiesen, dass bei ihrer Betriebsrente sämtliche Überschussanteile für Erhöhungen ihrer Betriebsrente verwendet wurden. Doch mit den Überschussanteilen lässt sich eine so hohe Inflation wie sie aktuell besteht nicht annährungsweise ausgleichen. Die Direktverssicherung und die Pensionskasse nehmen den größten Anteil unter den Betriebsrenten ein. So zählt die Direktversicherung, gemessen an der Anzahl der Anwartschaften, mit 5,2 Millionen Verträgen und die Pensionskassen mit 4,7 Millionen Verträgen, zu den am häufigsten verbreiteten Durchführungswege der baV (siehe Tabelle baV Durchführungswege).

Tabelle baV Durchführungswege
Tabelle baV Durchführungswege


Makler, Versicherungsvertreter und Banker vermitteln oft Direktversicherung

Vor allem bei kleineren und mittelständischen Unternehmen, die über keine eigene Unterstützungskasse, Pensionskasse oder Pensionsfonds verfügen, ist die Direktversicherung – üblicherweise als klassische private Rentenversicherung abgeschlossen – sehr verbreitet. Diese Policen werden häufig von Maklern oder Versicherungsvertretern vermittelt, die das Vertrauen der Verantwortlichen im Unternehmen oder des Arbeitnehmers genießen. Nach einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Deloitte wurden zwar zwei Drittel der Arbeitnehmer von der Möglichkeit einer Betriebsrente durch Entgeltumwandlung durch ihren Arbeitgeber aufmerksam gemacht. An zweiter Stelle folgen mit 17 Prozent Versicherungsvermittler (siehe Grafik baV Vermittlung).

Grafik baV Vermittlung
Grafik baV Vermittlung

Quelle: © Deloitte - Dynamik in der betrieblichen Altersversorgung

Nach einer Umfrage durch das Beratungsunternehmen Willis Towers aus dem Jahr 2018 wird die Betriebsrente gegen laufenden Beitrag in 41 Prozent der Fällen von einem Makler, in 38 Prozent durch einen Vermittler einer Versicherungsgesellschaft (Einfirmenvermittler) und in 15 Prozent von Banken vermittelt. Häufig wenden sich daher Unternehmen oder Arbeitnehmer bei Fragen zur Betriebsrente – etwa zur Anpassung an die Inflation – an den Vermittler. Die Arbeitnehmer können aber nicht davon ausgehen, dass die Vermittler dafür gesorgt haben, dass sämtlicher Überschussanteile für Rentenerhöhungen verwendet werden und deshalb ein Inflationsausgleich durch den Arbeitnehmer entfällt. „Der weit überwiegende Teil der von den Arbeitgeber finanzierten laufende Renten muss nach den Dreijahresregeln geprüft und angepasst werden“, so Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersvorsorge (ABA).

Wer haftet für fehlerhafte Verträge?

Versicherungsvertreter oder Makler, die versäumt haben, eine für den Arbeitgeber günstige Vertragsgestaltung der Direktversicherung auszuwählen, müssen kaum damit rechnen, dafür vom Arbeitgeber haftbar gemacht zu werden. Den das Betriebsrentengesetz (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG ) schreibt den Unternehmen ausdrücklich vor: „Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.“ Die Haftung des Arbeitgebers resultiert daher häufig auch aus fehlerhaften Entgeltumwandlungsvereinbarungen, fehlenden oder fehlerhaften Versorgungsordnungen, falscher oder lückenhafter und zu wenig einzelfallorientierter Beratung und Konzeption sowie ungeeigneten Rückdeckungsprodukten. Die rechtliche Gestaltung ist nicht das Thema von Versicherungsvermittlern, sondern arbeitsrechtliche Beratung. Eine Auswertung von 1000 bestehenden Betriebesrentenverträge durch die Rentenberatungsgesellschaft BBVS ließ vor einigen Jahren das Ausmaß von Haftungsrisiken für die Unternehmen erahnen. „Eine völlige fehlerfreie Entgeltumwandlung in kleineren und mittleren Unternehmen muss man mit der Lupe suchen“, so Karsten Rehfeld, Geschäftsführer der BBVS. Vielen Unternehmen wird nun vor allem die Anpassung der Betriebsrenten an die Inflation teuer zu stehen kommen.

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