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Politik

Der Fall der Berliner Mauer und die Sozialdemokratie

Der Fall der Berliner Mauer und die Sozialdemokratie
01/2020
Daron Acemoglu
Project Syndicate

@ Feedback an Redaktion

Schon vor 30 Jahren war klar, dass sich mit dem Fall der Berliner Mauer alles ändern würde. Abzuwarten bleibt allerdings, was genau diese Änderungen für die Weltpolitik im 21. Jahrhundert bedeuten werden

13.01.2020 | 09:10 Uhr

Bis 1989 hatten die Sowjetunion und der Kommunismus im Allgemeinen zig Millionen Menschen zu einem Leben in Armut verdammt und im Wettstreit mit dem ökonomischen Modell des Westens klar versagt. Über vier Jahrzehnte hatte der Kalte Krieg an verschiedenen Schauplätzen auf der ganzen Welt (wo der Konflikt viel heißer war als sein Name vermuten lässt) Millionen Menschenleben gefordert und in dutzenden Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens einen Vorwand für Unterdrückung und die Vorherrschaft der Eliten geschaffen.

Doch trotz all seiner positiven Auswirkungen wurde das sozialdemokratische Modell in der Zeit nach dem Kalten Krieg zerschlagen: jenes System der Sicherheitsnetze, Bestimmungen, universeller öffentlicher Leistungen, umverteilender Steuerpolitik und Arbeitsmarktinstitutionen, das die Arbeiter und die weniger Wohlhabenden lange Zeit geschützt hatte. Laut Politikwissenschaftler Ralf Dahrendorf (wie vom verstorbenen Tony Judt zitiert) stellte dieser politische Konsens „den größten Fortschritt“ dar, „den die Geschichte je gesehen hat“. Mit diesem Konsens hatte man in den meisten Industrieländern nicht nur die Ungleichheit begrenzt und anschließend reduziert, sondern auch zu jahrzehntelangem nachhaltigen Wachstum beigetragen.

Das Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit beruhte weitgehend auf wettbewerbsorientierten Märkten, die auf Grundlage von Regulierungen geschaffen wurden, mit denen Monopolen und mächtigen Unternehmenskonglomeraten der Kampf angesagt wurde. Es hing auch von einem großzügig unterstützten öffentlichen Bildungssystem und von staatlich finanzierten Innovationen ab. Die Zunahme an gut bezahlten Arbeitsplätzenin dieser Zeit war das Ergebnis der Aktivitäten von Arbeitsmarktinstitutionen, die Arbeitgeber daran hinderten, übermäßige Macht über ihre Mitarbeiter auszuüben; ohne derartige Beschränkungen hätten die Unternehmen Niedriglohnjobs unter harschen Arbeitsbedingungen geschaffen.

In der Politik spielte die Sozialdemokratie eine ebenso bedeutende Rolle. Ihre Umverteilungsinstitutionen und sozialstaatlichen Programme hätten ohne die politische Machtausübung der Nichteliten nicht überlebt. Die breit angelegte politische Beteiligung wurde durch Reformen zur Ausweitung des Wahlrechts und der Vertiefung des demokratischen Prozesses erreicht. Unterstützt wurde die Entwicklung von mächtigen politischen Parteien wie der Schwedischen Arbeiterpartei und den Gewerkschaften und vorangetrieben wurde sie durch universalistische Ideen, die die Menschen motivierten, die Demokratie zu unterstützen und zu verteidigen. 

Die Vereinigten Staaten unterschieden sich dabei in vielerlei Hinsicht nicht von ihren westeuropäischen Pendants. Während der gesamten Zeit des New Deal und der Nachkriegszeit ging man engagiert an die Zerschlagung von Konzernen und zügelte den politischen Einfluss der Reichen. Es wurden staatlich verwaltete Alters- und Invalidenrenten (Sozialversicherung) ebenso eingeführt wie Unterstützungsleistungen für Arbeitslose und eine Besteuerung mit Umverteilungswirkung. Außerdem verabschiedete man verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut. Obwohl man mit antisozialistischer Rhetorik operierte, machte man sich dennoch eine Sozialdemokratie mit amerikanischen Merkmalen zu eigen – das bedeutete unter anderem ein soziales Sicherheitsnetz, das schwächer war als in anderen Ländern.

Ohne Kommunismus ist das alles nicht zu verstehen. Schließlich entwickelten sich die sozialdemokratischen Bewegungen aus kommunistischen Parteien, von denen viele – darunter die Sozialdemokraten im Deutschland der Nachkriegszeit und die Französische Sozialistische Partei – die sozialistische Rhetorik erst in den 1960er oder sogar 1980er aufgaben. Parteien wie die Schwedische Arbeiterpartei oder die britische Labour Party, die sich bei der Schaffung neuer Arbeitsmarktinstitutionen, der Sicherstellung qualitativ hochwertiger öffentlicher Dienstleistungen und der Erzielung eines breiten sozialen Konsenses als höchst erfolgreich erwiesen, hatten ihrem früheren Marxismus zwar abgeschworen, sprachen aber trotzdem immer noch die gleiche Sprache wie ihre marxistischen Cousins.  

Wichtiger noch: die Eliten selbst machten sich das sozialdemokratische Modell als Mittel zur Verhinderung einer kommunistischen Revolution zu eigen. Genau diese antikommunistische Prägung der Sozialdemokratie motivierte Intellektuelle wie den Ökonomen John Maynard Keynes, einen der Architekten der Nachkriegsordnung, sowie politische Führungspersönlichkeiten wie die amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson. In ähnlicher Weise bewog die Bedrohung durch den Kommunismus (aus Nordkorea) auch die südkoreanische Führung, ehrgeizige Landreformen und Investitionen in Bildung voranzutreiben, während sie trotz ihres Wunsches, die Löhne niedrig zu halten, ein gewisses Maß an gewerkschaftlicher Aktivität tolerierte.

Doch als der Kommunismus – sowohl als Wirtschaftssystem als auch als Ideologie – zusammenbrach, stürzte damit auch das Fundament der Sozialdemokratie ein. Als sich die Linke plötzlich mit der Notwendigkeit konfrontiert sah, eine neue ebenso einschließende und ebenso universalistische Ideologie zu erfinden, erwies sie sich als der Aufgabe nicht gewachsen. Und gleichzeitig interpretierten die Anführer einer bereits aufstrebenden Rechten den Zusammenbruch des Kommunismus als Zeichen (und auch als Chance), die Sozialdemokratie zugunsten des Marktes zurückzudrängen.

Doch die Übernahme dieser Agenda in großen Teilen des Westens erwies sich aus einer Reihe von Gründen als falsch. Zunächst weil man damit den Beitrag ignorierte, den der Wohlfahrtsstaat, die Arbeitsmarktinstitutionen und die staatlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung für das Wachstum in der Nachkriegszeit geleistet hatten. Zweitens, weil man nicht vorhersah, dass der Abbau sozialdemokratischer Institutionen durch die weitere Stärkung von Amtsinhabern und Wohlhabenden (die im Laufe dieses Prozesses noch reicher wurden), die Demokratie an sich schwächen würde. Und drittens, weil man die Lehren der Zwischenkriegszeit außer Acht ließ, als der Mangel an umfassenden wirtschaftlichen Möglichkeiten und starken Sicherheitsnetzen die Voraussetzungen für den Aufstieg des Links- und Rechtsextremismus geschaffen hatte.

US-Präsident Ronald Reagan und die britische Premierministerin Margaret Thatcher mögen sich zwar eine Welt mit effizienteren Märkten und weniger bürokratischen Kontrollen vorgestellt haben. Doch die durch sie ausgelöste politische Revolution gipfelte in den USA in der Präsidentschaft Donald Trumps und im Vereinigten Königreich in einer von Boris Johnson angeführten Regierung.  

Das sozialdemokratische Modell muss nun für das 21. Jahrhundert neu überarbeitet werden.

Dazu müssen wir die Probleme erkennen, mit denen die entwickelten Volkswirtschaften konfrontiert sind – von unkontrollierter Deregulierung über ein außer Rand und Band geratenes Finanzwesen bis hin zum Strukturwandel aufgrund von Globalisierung und Automatisierung. Wir müssen darüber hinaus eine neue politische Koalition bilden, deren Basis breit genug ist, um auch Industriearbeiter einzubeziehen, die trotz sinkender Zahlen immer noch eines der politisch aktivsten Bevölkerungssegmente darstellen.

Vor allem aber müssen wir erkennen, dass es sich bei der Beschränkung der Macht von Konzernen, der Bereitstellung universeller öffentlicher Dienstleistungen – darunter Gesundheitsvorsorge und qualitativ hochwertige Bildung – dem Arbeitnehmerschutz und der Verhinderung schlecht bezahlter, prekärer Arbeitsverhältnisse sowie bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung nicht bloß um politische Strategien handelt, die im Lichte ihrer wirtschaftlichen Folgen zu bewerten sind. Vielmehr bilden sie das Wesen des sozialdemokratischen Projekts und die Grundlage einer wohlhabenden und stabilen Gesellschaft.

Daron Acemoglu

Daron Acemoglu ist Professor für Ökonomie am MIT und (gemeinsam mit James A. Robinson) Ko-Autor des Buchs The Narrow Corridor: States, Societies, and the Fate of Liberty.

Copyright: Project Syndicate

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