Immobilien, private Rentenversicherungen mit Garantie und Aktien bzw. Aktienfonds – das sind laut Umfragen des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) in Marburg die TOP-3 der privaten Altersvorsorge in Deutschland in absteigender Reihenfolge.
22.06.2022 | 07:00 Uhr
Seit einigen Jahren wird ein deutlicher Trend in Richtung
aktienbasierter Geldanlagen sichtbar, doch das ausgeprägte Sicherheitsbedürfnis
treibt viele Menschen nach wie vor auch in renditeschwache Anlagen.
Das Hauptproblem dabei: Die derzeitige Inflation ist kein kurzzeitiges
Phänomen, Aussitzen keine Lösung. Pandemiebedingte Nachholeffekte und
explodierende Energiepreise waren nur die Zündung. Nährboden dafür ist auch die
von den Zentralbanken durch Anleiheankäufe immens ausgeweitete Geldmenge.
Darüber hinaus haben die Aufkäufe massiv auf die Zinsen gedrückt und allein
schon damit zinsbasierten Vermögensaufbau quasi unmöglich gemacht.
Die durch Corona und die geopolitische Lage massiv ausgeweitete
Staatsverschuldung, fehlende Ausgabendisziplin der öffentlichen Hand und
Zukunftsprojekte wie die Finanzierung der Dekarbonisierung werfen die Frage
auf, was wichtiger ist: Das Eindämmen der Inflation durch mutige Zinsschritte
oder die Finanzierungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand, die bei steigenden
Zinsen wegen der hohen Belastungen der Staatshaushalte zunehmend schwinden.
Die zu erwartenden Zinsschritte der EZB werden deshalb vermutlich zögerlich
bleiben, nur langsam wirken und der Inflation hinterherhinken. In Konsequenz
werden die Inflationsraten noch über Jahre hinweg über den Zinsen liegen. Der
Preis für die finanzielle Handlungsfähigkeit der Politik: Die Kaufkraft von
Vorsorgevermögen auf Sparkonten und in anderen renditeschwachen Produkten wird
massiv schrumpfen.
Für viele stellt sich die Frage, ob es mit der bevorzugten Vorsorgeform
überhaupt noch möglich ist, einen langfristigen Mehrwert zu erzielen. Eine
eindeutige Antwort gibt es nicht. Mit klugen Entscheidungen und kompetenter
Beratung lässt es sich auch bei einem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis
gewinnbringend vorsorgen. An vielen Stellen ist auch die Politik gefragt. Ein
zukunftsfähiges Konzept zur privaten Altersvorsorge muss gewährleisten, dass
sich die Menschen auch in solchen Marktlagen eigenständig absichern können.
Kein einfaches Umfeld für Häuslebauer und -käufer: Die Zinsen für
Immobiliendarlehen ziehen an, die Preise bewegen sich weiter auf hohem Niveau,
und wer selbst baut oder renoviert, sieht sich stark gestiegenen Kosten für das
Handwerk und die Baustoffe ausgesetzt. Die Bautätigkeit dürfte sich wohl
verlangsamen, dringend benötigter neuer Wohnraum bleibt knapp.
Wer erst in einigen Jahren bauen will, tut gut daran, sich mit einem
Bausparvertrag die noch vergleichsweise erschwinglichen Zinsen und damit
günstige Finanzierungskonditionen zu sichern. Auch laufende Finanzierungen
gehören auf den Prüfstand. Wer mit festen Raten kalkuliert und zu niedrigem
Zins finanziert hat, muss bei Prolongation des Darlehens mit empfindlichen
Zinsanpassungen rechnen, die so manche Finanzierung ins Ungleichgewicht bringen
können. Auch hier kann der Abschluss eines Bausparvertrags noch sinnvoll sein,
wenn Zuteilungsreife und Prolongation synchronisiert werden. Aber nicht jeder
kann so schnell ansparen. Alternativ sind Forward-Darlehen eine Lösung. Der
abgesicherte Zins liegt hier allerdings meist deutlich über dem bei
Bausparverträgen.
Sicherheit zulasten von Renditeerwartungen ist ein legitimes Anlageprofil bei
Altersvorsorge und Geldanlage. Denn gerade im Alter ist Kalkulationssicherheit
für die Einnahmen unerlässlich. Sicherheit ist aber letztendlich nur bei
Investitionen in Nominalanlagen mit bestmöglicher Bonität des Emittenten
realisierbar. Deutsche Staatsanleihen waren hier in den letzten Jahren erste
Adresse. Das Problem: Die Anleihen wurden in großem Stil direkt an die EZB
verkauft, die sie zu jedem Preis – also auch mit Negativzins – vom Markt nahm.
Das Nachsehen hatten private Anleger, die den vom übermächtigen Marktteilnehmer
EZB gesetzten Zins akzeptieren mussten. Für die Politik eine Einladung zu
billiger Neuverschuldung, für sicherheitsorientierte Anleger ein Desaster.
Private Rentenversicherungen mit Garantie hatten das Nachsehen. Die
Überschussbeteiligungen sind von Jahr zu Jahr gesunken. Alles richtig gemacht
hat in der Vergangenheit, wer noch mit hohen Garantiezinsen, mit jährlicher
dynamischer Anpassung und mit staatlicher Förderung wie bei Riester und Rürup
abgeschlossen hat. Denn ausbleibende Zinsen sowie anziehende Inflation werden
so zumindest teilweise kompensiert. Interessant ist die Perspektive bei
steigendem Zins. Garantieprodukte erleben möglicherweise eine Renaissance, und
Riester könnte vor dem Comeback stehen. Die Lebensversicherer werden früher
oder später wieder Überschussbeteiligungen gutschreiben und die Garantiezinsen
anheben können. Ob dies ausreichen wird, Inflation und damit einhergehenden
Wertverlust auszugleichen?
Gold hat den Ruf, inflationsfest und krisensicher zu sein. Heute also beste
Voraussetzung für die Anlage von Geld in Edelmetall. Der Kurs hat sich in den
letzten Jahren gut entwickelt. Der Blick auf das langfristige Kurschart zeigt
aber: Die Schwankungen können erheblich sein. Und Gold wirft weder Zinsen noch
Dividenden ab. Dennoch, so eine alte Faustregel, kann eine Beimischung von um
die 10 Prozent ratsam sein.
Und wer Gold aus emotionalen Gründen kauft oder eine Münze oder einen Barren
verschenken will, sollte nicht zögern. Einzige Bedingungen: Die Altersvorsorge
ist bereits auskömmlich geregelt, der Lebensunterhalt ist gewährleistet und die
Schulden sind abbezahlt.
Wirkungsvoller bei steigender Inflation ist die stärkere Einbindung des
Aktienmarkts in die Altersvorsorge, da dieser in gewissem Maße der Inflation
trotzen kann. Viele Unternehmen können steigende Kosten auf der Einkaufsseite
über die Verkaufspreise an ihre Kunden weitergeben und so auch in
Inflationszeiten Gewinne und Dividenden real halten sowie Kurssteigerungen
realisieren. Immer mehr Sparer sehen diese Vorzüge. Die Zahl der Fondssparpläne
und fondsgebundenen Lebensversicherungen wächst seit Jahren stetig. Und dieser
Trend zu aktienbasierten Anlagen hat sich ganz ohne staatliches Zutun
aufgebaut. Das lässt erahnen, was bei einer aktiven Förderung möglich wäre.
Beispielsweise durch steuerliche Anreize oder direkte finanzielle Zulagen. Und
allemal besser als die Diskussion über neue Staatsfonds.
Kluge Investments versprechen auch in diesen unsicheren Zeiten eine langfristig
stabile Geldanlage. Wer sich allerdings in einer Welt von Inflation,
Niedrigzinsen und Börsenturbulenzen eigenständig und ohne ausreichendes Wissen
mit der Zusammenstellung und der marktkonformen Pflege eines Portfolios
versucht, kann schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Ein
normaler Verbraucher braucht dafür Fachleute und kompetente Beratung.
Die hohe Inflation und dahinter zurückbleibende Lohnsteigerungen bergen die
Gefahr, dass private Haushalte wegen der Verteuerung des lebensnotwendigen
Konsums laufende Vorsorge- und Sparverträge nicht mehr bedienen und keinen
neuen mehr abschließen können. Die Folgen wären abnehmende Sparquoten und ein
sinkendes Alterssicherungsniveau der Bevölkerung. Das gesamte
Alterssicherungssystem in Deutschland braucht deshalb eine Überprüfung auf
Inflationsresistenz. Erforderliche politische Maßnahmen müssen zügig angegangen
und umgesetzt werden. Staatliche Förderung kann Wertverlust teilweise
kompensieren. Zulagen wie bei Riester, Steuer-vorteile bei Lebensversicherungen
oder die Einsparung von Sozialversicherungsbeiträgen bei betrieblichen
Vorsorgelösungen wirken renditesteigernd.
Umfrageergebnisse des DIVA zeigen, dass Menschen in den unteren
Einkommensschichten persönliche Finanzberatung mehr als andere Beratungswege
suchen, nicht zuletzt auch wegen der massenhaften Schließungen von Bank- und
Sparkassenfilialen in der Fläche. Es ist deshalb sozialpolitisch sinnvoll, der
professionellen Vermögensberatung den Rücken zu stärken. Denn sie führt die
breite Bevölkerung an langfristiges aktienbasiertes Sparen heran, fördert die
Bereitschaft für die eigene Altersabsicherung und reduziert Inflationsrisiken
bei Geldanlageentscheidungen. (dp)
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