Der Bitcoin war der Vorreiter für die Idee des digitalen Geldes. Als Währung hat er aber von Anfang an nicht getaugt. Deshalb rücken nun andere Kryptowährungen in den Fokus der Anleger.
10.03.2023 | 07:30 Uhr
Wer sich noch nicht intensiv mit dem Thema Kryptowährung auseinandergesetzt hat, denkt bei diesem Begriff vermutlich unwillkürlich an Bitcoins. Tatsächlich ist der Bitcoin die älteste unter den virtuellen, auf Blockchain-Basis funktionierenden digitalen Währungen. Er betrat am 3. Januar 2009 die Welt und blieb einige Jahre lang konkurrenzlos. Erste Konkurrenten scheiterten. Bis 2014 das System Ethereum mit der Kryptowährung Ether folgte. In den folgenden Jahren ging es Schlag auf Schlag. Vor rund einem halben Jahr gab es laut Statista fast 11.000 Kryptowährungen.
Zur Klarstellung: Die meisten Kryptowerte wurden nicht entwickelt, um als Zahlungsmittel oder Wertaufbewahrungs-Instrumente zu dienen. Manche werden als sogenannte Smart Contracts eingesetzt, andere verleihen Rechte in Blockchain-Systemen. Einige dienen als Basis für Web3-Anwendungen oder sie repräsentieren Anteile an Sachwerten. Den einen oder anderen Krypto-Coin gibt es auch nur als Währung in Online-Spielen. Manche sind eigenständige Entwicklungen, viele bauen auf bereits bestehenden Systemen auf.
Die Anzahl an Krypto-Arten ist kaum noch überschaubar. Es gibt Meme-Coins, Shit-Coins und Spaß-Währungen. Lange Zeit machte es den Eindruck, als verfüge jeder Krypto-Investor bald über eine eigene Währung. Doch die Arten-Explosion ist vorüber. Seit August 2022 findet ein Bereinigungsprozess statt.
Zahlreiche Skandale und Pleiten, bei denen Anleger viele Millionen Dollar verloren, haben in den vergangenen Monaten zu einem massiven Vertrauensverlust bei Investoren geführt. Aktuell gibt es noch 8.725 verfügbare Kryptowährungen. Stand März 2023, Tendenz weiter sinkend. Der Markt sortiert sich gerade komplett neu.
Die Marktbereinigung bedeutet nicht, dass die Blockchain-Technologie wieder aus der Welt verschwindet. Im Gegenteil. Die „Blockchainisierung“ der gesamten Wirtschaft hat wohl gerade erst begonnen. Das gilt auch für den Bereich der echten Kryptowährungen. Hier trennen Investoren gerade die Spreu vom Weizen. Und es sieht so aus, als ob ausgerechnet der Urkeim der Krypto-Evolution, der Bitcoin, seine einzigartige Stellung verlieren könnte. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der Sutor Bank, die im vergangenen Jahr durch die Londoner BCB Group, einem Zahlungsdienstleister für die Digital-Assets-Industrie, übernommen wurde. Bei der Sutor Bank werden über angeschlossene Partner 21 Kryptowährungen gehandelt. Anleger, die bei der Sutor Bank über Partner Kryptowerte handeln, sind überwiegend erfahrene Privatinvestoren, die verhältnismäßig oft und viel nicht nur mit Kryptowerten, sondern auch mit Wertpapieren handeln. Die Bank hat nun analysiert, ob und inwieweit sich die Verwerfungen und Krypto-Pleiten des Jahres 2022 in den eigenen Handelsdaten widerspiegeln. Aus den Daten lassen sich Rückschlüsse ableiten, wie erfahrene Investoren sich im Vergleich zur weltweiten Gesamtheit der Kryptowerte-Anleger verhalten. Zumindest ansatzweise lassen sich auch Unterschiede im Handelsverhalten zwischen Deutschland und weltweit erkennen.
Die Erkenntnisse: Ab dem zweiten Quartal 2022 dominierten schlechte Nachrichten das Geschehen an den Krypto-Märkten. Die Unruhe um die Kryptowährungen Terra und Luna, die im Mai in den Luna-Crash mündeten, drückten Kurse und Handelsvolumina stetig. Nur im November 2022 trieb die Pleite der Handelsbörse FTX das Handelsvolumen noch einmal nach oben – hervorgerufen durch massive Abverkäufe. Das Tradingvolumen im Dezember 2022 betrug schließlich nur noch 5 Prozent des Volumens im Januar.
Ein deutlicher Unterschied lässt sich laut der Sutor-Studie im Vergleich der Handelsdaten weltweit und bei der Sutor Bank hinsichtlich der Bedeutung von Bitcoin und Ether konstatieren. Die Bitcoin-Dominanz ist in den betrachteten Handelsdaten bei Sutor sehr viel niedriger als im Gesamtmarkt. Im Gesamtmarkt stellt der Bitcoin rund 40 Prozent der Marktkapitalisierung von Kryptowährungen. In den Handelsdaten der Sutor Bank blieben die Werte in fast allen Monaten deutlich darunter und sanken zwischenzeitlich auf nur noch 20 Prozent. Deutlicher als in den weltweiten Daten hat der sogenannte Ethereum Merge Spuren bei den gehandelten Währungen hinterlassen.
Zur Erklärung: Als Ethereum Merge wird die Verschmelzung der Ethereum Blockchain mit der Proof-of-Stake-basierten Beacon Chain bezeichnet. Damit hat sich das Ethereum-Netzwerk vom energieintensiven Mining verabschiedet. Statt durch Rechenleistung werden die Werte nun durch gesperrte Ether-Einlagen abgesichert – den sogenannten Stake. Dadurch reduzierte sich der Strombedarf um schätzungsweise 99,95 Prozent. Für Ether bedeutet dies: Es können deutlich mehr Transaktionen abgeschlossen werden, die Währungsmenge kann stark gesteigert werden – und dies schneller bei deutlich geringerem Ressourcenverbrauch als bisher.
Deutsche Anleger goutierten die Umstellung: Im September und Oktober 2022 überholte Ether den Bitcoin im deutschen Krypto-Handel. International ist das noch nicht der Fall. Im Gesamtjahr 2022 lag der Bitcoin-Handelsanteil bei 35 Prozent, Ether erreichte 25 Prozent. Alle anderen Währungen blieben unter zehn Prozent. Insgesamt haben die Investoren bei der Sutor Bank jedoch zu einem höheren Anteil in Alternativen zum Bitcoin investiert als es ihrer Marktkapitalisierung entspricht. Dies spricht dafür, dass erfahrene Investoren Bitcoin und Ether differenziert betrachten und zum Beispiel Blockchain-spezifische Ereignisse wie den Merge in ihren Strategien berücksichtigen. Auch investieren sie eher in „Nebenwerte“ als internationale Anleger dies im Durchschnitt tun.
Die Frage ist: Wie geht es mit Bitcoin und den anderen Kryptowährungen weiter? „Der Preis für den Bitcoin wird sich auch in Zukunft wohl mehr an makroökonomischen Faktoren wie Inflation, Zinsen und Liquidität orientieren. Der Ether-Wert dagegen dürfte sich stärker an Nutzung und Durchdringung der Technologie orientieren“, sagt Hartmut Giesen, Kryptoexperte bei der Sutor Bank. Das gelte auch für andere Coins von Blockchains, die dem Betrieb dezentraler Infrastrukturen dienen, sei es als dezentrale Social Media, dezentrale Clouds oder dezentrale KIs. „Hier ist durchaus eine positive Preisentwicklung möglich“, so Giesen. So erlebten zum Beispiel Token, die dezentrale KI-Konzepte ermöglichen sollen, im Zuge des ChatGPT-Hypes einen kräftigen Preisschub. Dies zeige auch, dass einzelne Blockchain-Projekte durchaus differenziert gesehen werden und sich von der allgemeinen Preisentwicklung entkoppeln können.
Fazit: Der Bitcoin bleibt vorerst der Platzhirsch unter den Kryptowährungen. Doch die Umstellung des Ethereum-Netzwerks auf ein energieschonenderes Ressourcen-Management könnte eine Wende auf dem Kryptomarkt einläuten.
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