TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: ein netter Versuch in Hamburg.
13.10.2025 | 07:15 Uhr von «Matthias von Arnim»
Rückblick auf die vergangene Woche
Gestern haben die Hamburger Bürger in einem Volksentscheid darüber abgestimmt, ob ihre Stadt im Rahmen eines Modellversuchs 2.000 Menschen über drei Jahre hinweg ein sogenanntes „Bedingungsloses Grundeinkommen“ auszahlen soll. Die Hamburger haben sich dagegen entschieden. Hätten sie dafür gestimmt, wären laut der Initiatoren verschiedene Modelle getestet worden: unterschiedliche Höhen des Grundeinkommens und verschiedene Formen der Rückfinanzierung über Steuern. Die genaue Summe hätte von Person zu Person etwas variiert. In jedem Fall hätte aber sichergestellt werden sollen, dass das Existenzminimum gedeckt worden wäre. Aktuell liegt dies für Erwachsene bei 1.346 Euro, plus Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.
In einer Studie wäre festgestellt worden, wie Menschen damit umgehen, wenn sie jeden Monat einen Betrag von rund 2.000 Euro überwiesen bekommen, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Rund 50 Millionen Euro hätte das Projekt gekostet, wenn es in die Realität umgesetzt worden wäre.
Erkenntnisse nutzen, Bedingungsloses Grundeinkommen vergessen
Es ist nicht der erste Versuch, ein Bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen. Diejenigen, die sich oft mit viel Engagement dafür einsetzen, argumentieren, eine staatliche Existenzsicherung als Grundrecht ohne Bedingungen oder Gegenleistungen wirke positiv auf Gesundheit, Selbstvertrauen und Freiheit. Schließlich würde der finanzielle Druck sinken, Geld fürs eigene Leben zu verdienen.
Man könnte nun eine Reihe von Gegenargumenten bringen, warum es nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich, für die Gesundheit, das eigene Selbstvertrauen und die Freiheit Aller Sinn macht, für sein Geld zu arbeiten. Ein analytischer Blick auf die Gruppe derjenigen, die losgelöst von eigener Arbeitsleistung Einkünfte aus den Sozialkassen beziehen und zum Teil sehr gut von der Arbeitsleistung anderer und deren Sozialbeiträgen leben können, liefert ausreichend Diskussionsstoff. Aber diese Ebene der Argumentation sollte man sich sparen. In Debatten um soziale Gerechtigkeit verzettelt man sich nur. Allein schon deshalb, weil sich der Begriff Gerechtigkeit niemals so klar definieren lässt, dass sich alle darauf einigen würden.
Es ist vielmehr so, dass ein einziges Gegenargument ausreicht: Es ist die Mathematik, die verhindert, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen, das diesen Namen tatsächlich verdient, jemals Realität werden kann. Es sei denn, wir schaffen unser Wirtschaftssystem ab. Und zwar in allen Ländern. Weltweit. Was vermutlich sehr, sehr weitreichende Folgen hätte. Denn es gibt Jobs, die nur deshalb gemacht werden, weil Menschen damit ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Klingt hart, ist aber so. Da hilft auch keine Technik. KI kann Bilder malen, aber nicht die kaputte Klospülung reparieren, Kaffeebohnen pflücken oder das Hotelzimmer reinigen. Und KI ist übrigens auch nicht umsonst zu haben.
Egal. Es ist eine Utopie. Also zurück zur Mathematik: Die Kosten eines Bedingungslosen Grundeinkommens lassen sich gut abschätzen. Bei der Gegenfinanzierung wird es schon komplizierter. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat dafür einen sehr interessanten Rechenschieber entwickelt, der im Internet frei aufrufbar ist. Dort kann jeder mit ein paar Klicks ausprobieren, wie man zum Beispiel die rund 1,3 Billionen Euro gegenfinanzieren könnte, die die Bundesrepublik jährlich aufbringen müsste, wenn sie jedem Bürger dieses Landes monatlich eine Pauschale von 1.300 Euro überweisen würde.
Gegenfinanzierung ist hier das wichtigste Stichwort. Denn natürlich kann kein Staat Billionenbeträge einfach so an seine Bürger raushauen. Irgendwer muss das Ganze schließlich bezahlen. Also wir Bürger. Schließlich sind ja wir der Staat. Man kann das nicht trennen. Deshalb geht es nicht um Bedingungslosigkeit. Sondern es geht um Umverteilung und damit um solche Fragen wie: Welche Steuern werden für wen erhöht? Welche Subventionen gestrichen? Welche Sozialleistungen fallen weg? Mit anderen Worten: Wem wird etwas weggenommen, damit andere mehr haben. Ohne dafür zu arbeiten. Und wenn sie arbeiten: Wieviel mehr vom Verdienst müssen sie abgeben?
Der Witz ist: Selbst dann, wenn man alle Steuervergünstigungen und staatlichen Sozialleistungen streichen und Minderjährigen nur die Hälfte des Bedingungslosen Grundeinkommens zahlen würde, bliebe bei einem angenommenen Auszahlungsbetrag von 1.300 Euro monatlich im besten Fall für den Staat immer noch eine Finanzierungslücke von über 500 Milliarden Euro jährlich. Das ergibt sich aus dem Rechenmodell des DIW. Der einzige Ausweg, um die Lücke zu schließen, bliebe eine Erhöhung der Einkommensteuer um 29 Prozentpunkte. Bei gleichzeitiger Streichung des Grundfreibetrags. Schon der erste Euro eines Zuverdienstes würde hoch besteuert, und der Spitzensteuersatz läge dann bei 71 Prozent. Frage an Alle: Wollen Sie das wirklich?
Sollte man die Idee damit also lässig vom Tisch wischen? Jein. In Hamburg hat man gestern zwar aus sehr nachvollziehbaren Gründen beschlossen, das Bedingungslose Grundeinkommen als die in der wahren Welt nicht realisierbare Träumerei zu bewerten, die sie ist. Doch Modellversuche dazu könnten spannende Ergebnisse liefern. Zum Beispiel, wie sich der Aufwand in der Verwaltung reduzieren lässt, wenn man einen Pauschalbetrag auszahlt anstelle von zig sozialen Einzelleistungen, die bei vielen verschiedenen behördlichen Stellen beantragt und bearbeitet werden müssen. Überhaupt: Wie sich Pauschalisierungen gegenüber komplizierten Verfahren rechnen. Anwendungsbeispiele dafür gäbe es viele: Pauschalsteuer statt Progression, Splitting und Sonderabschreibungen, Pauschalbetrag statt Kinder-, Eltern-, Bürger- und Wohngeld. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Die Prämisse für die Staatskasse müsste immer lauten: Unterm Strich steht mindestens eine Null. Sonst geht es eben nicht. Die Prämisse für die Bürger müsste immer lauten: mehr Transparenz, weniger Aufwand, weniger Ärger mit Behörden. Das wäre ein Gewinn für Alle. Denn es würde sich zweifellos positiv auf Gesundheit, Selbstvertrauen und Freiheit jedes Einzelnen auswirken.
Interessante Termine in den kommenden Tagen
Am Dienstag läuft die Frist aus, in der die US-Regierung die Berufungsentscheidung eines Gerichts zu den verhängten Trump-Zöllen anfechten kann. Hintergrund: Ein Berufungsgericht in den USA hatte Ende August Präsident Donald Trump die Befugnis abgesprochen, unter Berufung auf ein Notstandsgesetz weitreichende Zölle auf Importprodukte zu verhängen. Die Entscheidung tritt jedoch nicht vor dem 14. Oktober in Kraft, sodass die US-Regierung noch Zeit hat, sie vor dem Obersten Gerichtshof anzufechten. Wie sich das Urteil auf den Handel mit Staaten auswirkt, mit denen bereits ein Abkommen geschlossen wurde, ist derzeit noch unklar. Ein denkbares Szenario könnte sein: Der US-Präsident ignoriert die Entscheidung einfach und lässt das Berufungsgericht in Washington von der Nationalgarde stürmen. Der Friedensnobelpreis ist ja schon anderweitig vergeben. Deshalb muss Trump jetzt auch keine Rücksicht mehr darauf nehmen.
Am Mittwoch veröffentlicht Chinas Statistikamt die Entwicklung der Verbraucherpreise im Reich der Mitte. Wahrscheinlich ist, dass die Preise weiter fallen. China hat seit einiger Zeit mit Deflation zu kämpfen, während sich die Wirtschaft nur dank staatlicher Subventionen einigermaßen stabil hält. Geht uns das etwas an? Und ob. China hat keine andere Wahl, als zu versuchen, den Export anzukurbeln, um die eigene Wirtschaft nicht komplett abschmieren zu lassen. Da die USA ihren eigenen Markt zunehmend abschotten, werden wir in Europa den Verkaufsdruck der Chinesen zunehmend spüren.
Am Donnerstag verhandelt das BGH in Karlsruhe zu Forderungen von Aktionären im Wirecard-Insolvenzverfahren. Hintergrund: Der Bundesgerichtshof verhandelt darüber, ob Wirecard-Aktionäre mit ihren kapitalmarktrechtlichen Schadensersatzansprüchen an der Verteilung der Insolvenzmasse als einfache Insolvenzgläubiger zu beteiligen sind oder nicht. Geklagt hatte eine deutsche Kapitalanlagegesellschaft, die Aktien von Wirecard hielt. Ob am Donnerstag schon ein Urteil fällt, ist unklar. (Az. IX ZR 127/24). Unklar ist auch, ob der geflüchtete Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek von seinem schicken Moskauer Appartement aus via VPN übers Internet die Gerichtsverhandlung verfolgt. Mit einem Glas Sekt in der Hand und einem zufriedenen Lächeln im Gesicht.
Am Freitag veröffentlicht die Europäische Statistikbehörde Eurostat in Luxemburg aktuelle Zahlen zur Inflation in der Eurozone im September 2025. Dass die auf Jahresbasis gemessene Inflation hierzulande auf einen Wert von rund zwei Prozent gesunken ist und sich dort seit einiger Zeit stabil hält, wird allgemein als gutes Zeichen gewertet. Hinweis mit dem Zaunpfahl: Dass es so ist, wie es ist, könnte zum Teil auch mit Chinas aggressiver Preispolitik zu tun haben. Alles hängt immer mit allem zusammen. So ist es nun mal. Aber man muss sich auch nicht immer über alles Gedanken machen. Und schon gar nicht an einem Freitag, so kurz vor dem Wochenende.
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