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Der TiAM FundResearch Wochenrück- und -ausblick.
Kolumne

Der Boomer-Soli – ein Etikettenschwindel

TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Wie man die Idee einer dreisten Rentner-Abzocke als solidarischen Beitrag verkauft.

21.07.2025 | 07:15 Uhr von «Matthias von Arnim»

Rückblick auf die vergangene Woche

„Boomer-Soli kann deutsches Rentensystem stabilisieren“. So lautete die Überschrift einer Pressemeldung, die das DIW Berlin (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) in der vergangenen Woche an die Medien verschickte. Der Inhalt hatte es in sich: Demnach hat das DIW eine Idee zur Umschichtung von Einkommen im Alter entwickelt. Diese Idee lässt sich so zusammenfassen: Einkommensstarke Rentner und Pensionäre sollen eine Sonderabgabe von zehn Prozent auf alle Alterseinkünfte zahlen. Dieses Geld soll einkommensschwächeren Rentnern zukommen. Als einkommensstarke Rentner gelten dem DIW zufolge Menschen, deren Einkommen mehr als 1.000 Euro im Monat beträgt. So hoch liegt der Freibetrag für die Sonderabgabe. Wichtig dabei: Als Bemessungsgrundlage zur Berechnung würden „nicht nur gesetzliche Renten, sondern auch private und betriebliche Renten sowie sonstige Versorgungsbezüge, außerdem Pensionen von Beamt*innen und gegebenenfalls Vermögenseinkommen“ herangezogen.

Zunächst muss man dem DIW Respekt zollen. Es ist dem Institut gelungen, es mit einem rechtlich, mathematisch und volkswirtschaftlich völlig unbrauchbaren Vorschlag in die Schlagzeilen nahezu aller Medien geschafft zu haben. Hochachtung auch für die Namensfindung: Boomer-Soli. Klingt supi. Dabei hat das DIW-Konzept nichts mit Solidarität zu tun. Und auch die gewagte Conclusio: Der Boomer-Soli würde jüngere Beitragszahler und das Rentensystem insgesamt entlasten. Die Chuzpe zu dieser Behauptung muss man erst einmal haben.

Der Reihe nach: Über den „Boomer-Soli“ überhaupt ernsthaft zu diskutieren, ist eigentlich müßig. Trotzdem sollte die Idee nicht unkommentiert bleiben. Denn es hat sich schon oft gezeigt, dass auch absurde Konzepte Anhänger in der Politik finden. Es soll ja auch zum Beispiel schon Ideen für eine deutschlandweite Lkw-Maut gegeben haben. Oder einen bundesweiten Veggie-Friday. Oder die Besteuerung von Investitionsverlusten. Deshalb hier ein kleiner Überblick darüber, warum ein „Boomer-Soli“ blanker Mumpitz ist.

Es fängt schon damit an, dass das Konzept weder jüngere Beitragszahler noch das Rentensystem entlastet. Mathematisch ist das recht einfach zu erklären: Eine Gruppe A – die Rentner und Pensionäre – erhält Altersbezüge. Diese bestehen aus Pensionen und Renten sowie Einkünften aus privatem Vermögen. Eine Gruppe B – die jüngere Generation – zahlt Beiträge in die Rentenkasse. Wenn nun alle Einkünfte der Gruppe A umverteilt würden, würde sich für die Gruppe B überhaupt nichts ändern. Und zwar völlig unabhängig davon, wie der Umverteilungsschlüssel innerhalb der Gruppe A aussähe. Denn das Einkommen der Gruppe A bliebe insgesamt dasselbe – nur durch eine Art finanzieller Umwälzpumpe anders auf die Empfänger verteilt.

Auch rechtlich hat das Konzept weder Hand noch Fuß. Rentner haben jahrzehntelang in ein System eingezahlt. Sie haben einen gesetzlich zugesicherten Versorgungsanspruch, der sich daraus ergibt. Sie zahlen zudem umfänglich Steuern sowie Sozialabgaben auf ihre Renten – und dies sogar gestaffelt: Je höher die Rente, desto höher die Steuer. Schon jetzt finanziert die Rentnergeneration so ihre eigenen Renten über den Bundeszuschuss zur Rentenkasse selbst mit. Jetzt auf die Renten noch einmal eine zusätzliche Abgabe zu erheben, lässt sich weder moralisch noch juristisch begründen. Und schon gar nicht mit dem Argument eines „Soli“. Denn der Freibetrag von 1.000 Euro ist ohnehin schon jetzt die Schwelle, bis zu der Einkommen steuerfrei sind. Der „Boomer-Soli“ wäre also eine Sondersteuer auf alle Renten, zusätzlich zur normalen Besteuerung.

Und noch einmal ein Wort zum Begriff Boomer-Soli: Gerade die Boomer-Generation darf auch als Sandwich-Generation bezeichnet werden. Sie zahlt seit Jahrzehnten immer höhere Rentenbeiträge, erhält aber bereits niedrigere Renten als frühere Generationen. Schließlich wurde das Rentenniveau seit den 1980er-Jahren von damals knapp 60 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens auf mittlerweile 48 Prozent gesenkt – und, anders als in früheren Zeiten, werden Renten heute besteuert.

Überhaupt: Ist es solidarisch, Menschen, die gewissenhaft über Jahrzehnte hinweg eigenes Vermögen aufgebaut haben, um ihren Lebensstandard im Alter abzusichern, in Zukunft einen nicht unerheblichen Teil davon wieder wegzunehmen? Gerade diejenigen – und wir reden nicht über die Einkommensmillionäre, sondern auch über die Normalverdiener, die der DIW-Vorschlag fälschlicherweise als „einkommensstark“ definiert – tragen durch ihr Spar- und vermögensbildendes Verhalten erheblich dazu bei, die Sozialkassen zu entlasten. Was sollte die Schlussfolgerung aus der DIW-Idee sein? Wer Altersvorsorge betreibt, ist selbst schuld?

Apropos Verteilungs-Gerechtigkeit: Derzeit arbeiten rund 4o Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer in Teilzeit. Es sind Leute, die schon heute aktiv dazu beitragen, dass der Bundeszuschuss zur staatlichen Rente immer weiter steigt. Und es sind Leute, im Alter vermutlich trotzdem erwarten, ein menschenwürdiges Auskommen zu haben - und laut DIW-Plänen dann oft Zuschussempfänger wären. Außerdem gehen immer mehr Menschen in Frührente und -pension. (Oder kennen Sie einen Beamten in Ihrer Bekanntschaft, der mit 67 Jahren noch arbeitet?) Der "Boomer"-Soli löst diese Probleme keineswegs, sondern verstärkt sie in Zukunft und lenkt vom eigentlich viel vernünftigeren Lösungsansatz ab: Nämlich, dass es sinnvoll wäre, mehr Menschen (auch Ältere) in Arbeit zu bringen, damit die Rentenbeiträge zu steigern und die Sozialkassen zu entlasten.

Und dann wäre da noch ein Aspekt, der in fast allen politischen Diskussionen, wenn es um die Rente geht, unter den Tisch fällt: Selbständige und Freiberufler, die nicht freiwillig in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen, sondern allein privat fürs Alter vorsorgen, dürften, ginge es nach den Soli-Experten vom DIW, neben den Steuern, die sie sowieso zahlen und das Rentensystem mitfinanzieren, ebenfalls mit einer Sonderabgabe belegt werden, ohne auch nur einen Cent aus der Rentenkasse zu erhalten. Für Einkünfte aus Dividenden und Zinsen würde dies neben der Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent plus Kirchensteuer zusätzliche zehn Prozent Sonderabgaben bedeuten. Bei solchen Abgabenhöhen wäre es klüger, zu Lebzeiten sein Geld zu verprassen, als zu versuchen, ausreichend Vermögen fürs Alter aufzubauen. Vielleicht kommt ja bis dahin irgendjemand auf die Idee, einen Beamten-Soli zu fordern: Beamte zahlen dann alles, was über 48 Prozent ihres letzten Gehaltes hinausgeht, in einen Fonds ein, der dann staatliche Renten an Freiberufler zahlt. Oder so. Klingt absurd? Fordern kann man es ja mal.

Interessante Termine in den kommenden Tagen

Am Dienstag veröffentlichen Heinrich Meier und Thomas Raiser, Geschäftsführer von BarthHaas, in Nürnberg ihren BarthHaas-Bericht zum internationalen Bier- und Hopfenmarkt. Das könnte interessant werden. Denn angesichts solcher Konzepte wie des „Boomer-Soli“ könnte man auf die Idee kommen, es gäbe derzeit eine Hopfen- und Malz-Krise.

Am Mittwoch findet eine Auktion zehnjähriger Bundesanleihen statt. Aktuell liegt die Rendite bei 2,68 Prozent und damit oberhalb der Inflationsrate. Immerhin. Es gab schon schlechtere Zeiten für Sparer.

Am Donnerstag gibt die EZB ihre Zinsentscheidung bekannt. Es deutet einiges darauf hin, dass exakt nichts passieren wird. Der Leitzins also dort bleibt, wo er gerade ist. Aber man weiß ja nie.

Am Freitag folgt die Veröffentlichung des Ifo-Geschäftsklimaindex für den Monat Juli. Das Ifo-Geschäftsklima basiert auf monatlichen Meldungen von Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, des Bauhauptgewerbes, des Groß- und des Einzelhandels. Die circa 7000 Unternehmen beurteilen ihre gegenwärtige Geschäftslage und ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate. Man darf gespannt sein, ob die Investitions-Pläne der Bundesregierung Einfluss auf die Stimmung der Wirtschaft haben.

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