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„Trump sieht Europa als strategischen Wettbewerber“

Anna Rosenberg; Credit: Amundi/Stanislav Erman
Politik

Zollstreit, Ukraine-Krieg, Börsenturbulenzen: Gerät die Welt mit Donald Trump als US-Präsident ­vollends aus den Fugen? Und wie reagieren die Märkte? Im Interview sortiert Geopolitik-Expertin Anna Rosenberg vom Investmenthaus Amundi die internationale Lage und wagt einen Blick in die Zukunft

22.04.2025 | 08:00 Uhr von «Tobias Aigner»

TiAM FundResearch: Seit dem Amtsantritt von ­Donald Trump wächst die Angst, dass die geo­politischen Konflikte außer Kontrolle geraten. Wie groß ist die Gefahr?

Anna Rosenberg: Schon seit ein paar Jahren, also unabhängig von Trump, haben die geopolitischen Risiken stark zugenommen – mehr, als ich es in meiner gesamten Laufbahn bis dato erlebt habe. Hauptgrund ist die zunehmende Multipolarität. Es gibt nicht mehr ein Land wie die USA, das die Geopolitik bestimmt, sondern viele Länder, die ihren Einfluss zu erweitern versuchen. Ein Beispiel: Seit dem Ukraine-Krieg arbeiten Russland, China, Nordkorea und der Iran enger zusammen. Das sind alles bestehende oder angehende Nuklearmächte. Das allein ist schon ein ziemlich großes Risiko. Hinzu kommt noch die wirtschaftliche Seite mit mehr Sanktionen, Exportkontrollen und Zöllen. Da steigen das Konfliktpotenzial und die Disruption ganz allgemein.

Wie gefährlich ist das?

Die Geschichte lehrt uns: Je mehr wirtschaftliche Disruption, desto höher das Risiko für Konflikte. Daneben haben wir noch die stetig wachsende Gefahr von Falschinformation, die durch künstliche Intelligenz noch erhöht wird. Und nicht zu vergessen der Klimawandel, der zu poli­tischer Instabilität in vielen Ländern und zu Migrationsströmen führen kann. Kurzum: Das Risiko steigt schon deutlich an.

Und jetzt kommt noch Trump dazu

Er bringt, wie wir aktuell erleben, neue Disruptionen. Trotzdem gehe ich nicht davon aus, dass Trump die Weltordnung komplett neu sortieren will. Dass er die Welt einteilt in Pro-USA und Pro-China. Oder dass er sich nur noch für den amerikanischen Kontinent interessiert und Europa und Asien sich selbst überlässt. Das sind Downside-­Risiken, aber nicht das Basisszenario.

Was ist denn das Basisszenario?

Dass Trump versucht, einen besseren Deal für die USA auszuhandeln. Das zieht sich von Zöllen bis hin zur Verteidigung. Klar ist, dass es besonders wichtig ist China als strategischen Wettbewerber einzuhegen und die US-Wirtschaft unabhängiger von China zu machen. Die Zölle, die bisher verhängt wurden, sind ein gutes Beispiel. Der Fokus liegt auf der Reduktion wirtschaftlicher Verbindungen, die USA werden aber nicht gleich in einen Krieg mit China eintreten. Allerdings verschlechtern sich die Beziehungen derzeit schon sehr schnell.

Vielleicht tritt aber China in einen Krieg mit Taiwan ein – und schon hätten wir ­einen geopolitischen GAU.

Ich rechne erst mal nicht damit, dass die Spannungen im Südchinesischen Meer noch zunehmen. Es geht jetzt wirklich um die Wirtschaft. Auch für China. Was treibt Xi Jinping und die Partei denn an? Sie wollen an der Macht bleiben. Die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte zeigt, dass das chinesische Volk gern gegen seine politischen Anführer rebelliert. Das ist die größte Angst von Xi – dass die Mittelschicht ihren Wohlstand nicht halten kann und aufbegehrt. Er wird daher voll damit beschäftigt sein, die Folgen der Trump-Maßnahmen auf die chinesische Wirtschaft abzufedern, und alles dafür tun, dass die Bevölkerung happy bleibt.

Und wenn er das nicht schafft?

Dann steigt das Risiko eines militärischen Konflikts, weil er dann ablenken muss. Aber an diesem Punkt sind wir noch nicht. China hat noch genug Power, um die eigene Wirtschaft zu pushen. Außerdem werden die USA ja auch unglaubwürdiger, was einige Länder nun auch in die Arme Chinas treiben wird.

In Europa haben viele Angst, dass ­Russland nach der Ukraine das Baltikum oder Polen angreift. Ist dieses Szenario ausgeschlossen?

Nein. Aber unwahrscheinlich in der näheren Zukunft. Putin hat noch sehr viel mit der Ukraine zu tun, bevor er andere Gebiete ins Visier nimmt. Er möchte derjenige sein, der Russland geografisch erweitert. In der Ukraine macht er da auch Fortschritte, aber eben zu sehr hohen Kosten. Selbst wenn es jetzt zum Waffenstillstand kommt, kann er sagen, dass er die NATO erfolgreich zurückgehalten hat. Dass die USA nun komplett in einen Handelskrieg involviert ist nimmt auch den Druck von Putin ernsthaft an den Verhandlungstisch zu kommen.

Zurück zu Trump: Er hat versprochen,
die US-Wirtschaft zu stärken. Wird er das schaffen?

Er wird alles dafür tun, seine MAGA-Politik umzusetzen und den sogenannten Deep State zu bekämpfen. Aber er hat keine Carte blanche. Er wird Kompromisse machen müssen. Denn seine Mehrheit in den beiden Kammern ist nicht so groß. Zudem verfolgt er Ziele, die sich komplett widersprechen: Er will gleichzeitig die Zölle hochfahren und die Inflation runterbringen, die Steuern und das Haushaltsdefizit senken, er will Migranten rausschmeißen und die Wirtschaft ankurbeln. In den letzten Tagen haben wir genau diese Wiedersprüche erlebt und gesehen, dass Trump eben doch Einschränkungen akzeptieren muss.

Was heißt das für Wirtschaft und Börsen?

Die Märkte haben diese Widersprüche lange ausgeblendet und geglaubt, Trump werde komplett positiv auf die US-Wirtschaft wirken. Aber jetzt, nach den aktuellen Zollankündigungen, merken sie, dass das nicht stimmt. Diese Ernüchterung wird noch andauern.

Die Märkte befürchten ja, dass durch Zölle und Gegenzölle die US-Inflation steigt und damit auch die Zinsen, was Gift für die Börsen wäre. Wie groß ist das Risiko?

Trumps Zollpolitik ist volatil und folgt keinem klaren Ziel, außer dass sie angeblich eine bessere wirtschaftliche Situation für die USA ermöglichen soll. Wir müssen abwarten, was letztlich passiert, um zu sehen, wie drastisch sich die Zölle auf die Inflation auswirken. Und was die Börsen anbelangt: Investoren werden zunehmend unsicher, was die USA und die Reformen unter Trump betrifft. Davon profitiert der Euro. Es scheint, als würden die USA an Vertrauen verlieren.

Und was passiert, wenn Trump die Demokratie aushöhlt? Wenn er den Notenbankchef Jerome Powell austauscht, weil der ihm zu unabhängig ist? Und wenn er in vier Jahren sein Amt behalten will …?

Die Veränderungen, die da gerade stattfinden, werden schon ihre Spuren hinterlassen. Das Department of Government Efficeny unter Elon Musk hat sich systematisch Macht und Informationen angeeignet, Bürokraten wurden gegen Loya­listen ausgetauscht. Die Regierung hat auch überlegt, ob sie die mathematischen Formeln für die Berechnung des Bruttosozialprodukts verändern soll. All das sind Strategien, die man sonst eher in undemokratischen Systemen erlebt –das wirkt wie eine Machtübernahme des gesamten Systems. Und all das passierte überraschend systematisch. Allerdings ist das demokratische Wesen in den USA gefestigt. Der Supreme Court versucht bereits, einige Entscheidungen Trumps rückgängig zu machen. Trump kann nicht einfach alles umkrempeln. Ich denke daher schon, dass es 2028 eine US-Präsidentschaftswahl ohne Trump als Kandidaten geben wird. Zumal auch die Republikanische Partei nicht all seine Maßnahmen durchwinken wird. Trump hat ja Leute hinter sich, die nach ihm Präsident werden wollen. Die letzten Tage haben diese Dynamiken verdeutlicht.

Wie wird sich das Verhältnis zwischen den USA und Europa – und speziell Deutschland – entwickeln?

In Europa sehen wir schon länger einen Rechtsruck. Für die Beziehung zu den USA ist das positiv. Da können die rechten Politiker aus Italien, Ungarn oder den Niederlanden Lobbying machen und neben den etablierten verhandeln – „good cop, bad cop“. Auch hier wird es eine Menge kleiner Deals geben. Dass Europa mehr Gas aus den USA kauft, hört man schon. Und wahrscheinlich auch mehr landwirtschaftliche Produkte. Die Importkosten für Autos aus den USA werden auch gesenkt. Das wird ein zähes Hin und Her. Fest steht aber: Trump sieht Europa als strategischen Wettbewerber. Und Deutschland steht mit der starken Handelsbilanz und dem starken Autosektor weit oben auf seiner Liste. Das sind keine guten Nachrichten für Deutschland und die neue Regierung.

Was heißt das für die wirtschaftliche ­Entwicklung in Deutschland? Kommen wir wenigstens aus der Rezession?

In Deutschland bremsen interne und strukturelle Probleme die Wirtschaft aus – die hohen Energiepreise etwa oder der immer stärker unter Druck kommende Welthandel. Deutschland muss sich neu erfinden. Das hat das Land schon öfter geschafft in seiner Geschichte. Man denke an die Agenda 2010 unter Kanzler Gerhard Schröder. Für solche Reformen braucht es den politischen Willen. Es scheint aber, als sei dieser Wille jetzt bei der neuen Regierung da. Die politische Ausgangssituation ist also geschaffen, jetzt kommt es auf Taten, Reformen und das geopolitische Umfeld an.

Auch der Wille zu mehr Geschlossenheit in Europa?

Europa wird näher zusammenrücken. Nicht aufgrund von liberalen Ideen, sondern schlicht aus Angst, Schwäche und wirtschaftlichem Interesse.

Werden die Kernländer Deutschland und Frankreich dann stärker in die Führungsrolle der EU schlüpfen?

Das ist eine interessante Frage. In den letzten Jahren ist ja schleichend immer mehr Macht an die EU-Kommission geflossen, vor allem weil Deutschland und Frankreich diese Führungsrolle nicht ausgefüllt haben. Ich bezweifle, dass sich das zurückdrehen lässt. Die einzelnen EU-Länder sind einfach nicht mehr so wichtig wie noch vor ein paar Jahren. Allerdings kommt es jetzt darauf an, wie sich Friedrich Merz innerhalb der EU positionieren wird.

Frau Rosenberg, danke sehr für das Gespräch


Zur Person: Anna Rosenberg leitet als Head of Geopolitics die Geopolitik des Amundi Investment Institute. In dieser Funktion unterstützt sie Amundi und seine Kunden dabei, bessere Anlageentscheidungen zu treffen, indem sie die aktuellen globalen geopolitischen Veränderungen analysiert.

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