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„2023 werden wir einige Favoritenwechsel sehen“

Die Teilnehmer (v. l.): Dominik Issler, Matthias Mohr, Peter Gewalt, Philipp von Königsmarck, Christoph Schwarzmann, Ronny Kohl, Walter Liebe
Veranstaltungen

Der Round Table „Produktinnovationen“ spiegelt die gesamte Bandbreite dessen wider, was im neuen Jahr auf Anleger und Asset-Manager zukommt. Die Erwartungen reichen von „ruppigen Märkten“ über „Renaissance der Anleihen“ bis hin zur schrittweisen Abkehr von Nachhaltigkeitsansätzen

04.01.2023 | 12:11 Uhr von «Peter Gewalt, Ronny Kohl»

TiAM: Krieg in der Ukraine, hohe Inflation, steigende Zinsen, volatile Märkte – 2022 war ein „annus horribilis“. Wie wird das nächste Jahr?

Walter Liebe: Wir erwarten ruppige Märkte – mit hoher Volatilität und hoher Verunsicherung. 2023 wird es stark darauf ankommen, wie gut die Portfoliomanager ihre Risiken im Griff haben, wie gut sie ihr Handwerk verstehen, denn es wird alles andere als einfach, Performance zu erzielen. Die guten Manager werden liefern, mittelmäßige Manager werden es vermutlich schwer haben. Es wird definitiv keine Beta-getriebene Rally geben, bei der alles läuft, vielmehr wird es ein Markt für Könner werden – aber das kann lukrativ sein.

Felix von Hardenberg: Wir betrachten das Jahr 2023 als weiteres Übergangsjahr in das „neue Normal“, welches geprägt sein wird von einem niedrigen realen Wachstumspotenzial bei höherer Inflation – also einer säkularen Stagnation. Das liegt vor allem daran, dass die Weltwirtschaft 2023 weiterhin von Störungen auf der Angebotsseite, einer schwächeren Kaufkraft sowie hoher Unsicherheit auf der Nachfrageseite geprägt sein wird. Die europäische Wirtschaft fällt im Winterhalbjahr in eine Rezession, und auch in den USA wird sich die Entwicklung deutlich verlangsamen. Wir gehen zwar davon aus, dass sich die Wirtschaft in beiden Regionen im Jahresverlauf 2023 erholen wird, das Wachstumstempo aber wird gering bleiben. Die Notenbanken werden ihre Zinsanhebungen pausieren oder sogar beenden. Zinssenkungen sind zwar denkbar, wir halten sie aber nicht für sehr wahrscheinlich.

Christoph Schwarzmann: Die durch die lockere Geldpolitik angefachte Sonderkonjunktur mit all ihren Annehmlichkeiten ist vorbei. Vorbei ist auch die Phase, in der viel auch viel geholfen und die Flut alle Boote gehoben hat. Unser Ausblick für das erste Halbjahr ist sehr zurückhaltend. Wir werden konjunkturell erst einmal eine schwierige Phase durchlaufen, bevor es sich im Jahresverlauf bessert. Insofern bleibt das Umfeld anspruchsvoll.

TiAM: Haben wir auch Optimisten in der Runde?

Matthias Mohr: Durchweg positiv bin auch ich nicht, gerade für das erste Halbjahr nicht. Es kommen einfach viele Proble­me gleichzeitig auf uns zu. Aber andererseits eröffnen sich neue Chancen. Ich glaube, wir werden 2023 einen Markt haben, in dem man auf der Rentenseite durch gutes aktives Management positive Renditen erzielen kann. Auf der Aktienseite bleibt es dagegen herausfordernd.

Philipp von Königsmarck: Was Aktien angeht, aber auch ganz allgemein, bin ich etwas optimistischer. Unter der Voraussetzung, dass wir die Inflation in den Griff bekommen, werden wir meiner Meinung nach im nächsten Jahr eine relativ gute Entwicklung sehen – gerade auf der Aktienseite.

TiAM: Wie sieht es angesichts der Unsicherheiten und Turbulenzen bei Ihren Kunden aus?

Dominik Issler: Unsere Kunden waren zuletzt stark im Cash, haben Risiko rausgenommen. Nachdem viele Anlagen gefallen sind, sehen wir jetzt, dass sich dieser Trend abflacht. Ob der Boden schon gefunden ist oder nicht, vermag ich nicht zu sagen. Unabhängig davon haben wir aktuell mit unseren Kunden viele Gespräch darüber, ob es schon ein interessanter Einstiegszeitpunkt ist. Oftmals geht es nicht darum, das ganze Vermögen auf einen Schlag wieder zu investieren, sondern eher darum, in den nächsten sechs Monaten die Investments tranchenweise aufzubauen.

von Hardenberg: Auch wenn bei vielen unserer Kunden noch eine gewisse Vorsicht herrscht, sehen wir wieder erstes Interesse an eher risikoreicheren Anlagen wie Aktien. Kunden möchten von uns konkret wissen, welche Unternehmen in diesem Marktumfeld erfolgreich sein können. In unserem bewährten Schumpeter-Ansatz, der Unternehmen in „Monopolisten“ und „Herausforderer“ kategorisiert, gibt es einerseits nachhaltige Geschäftsmodelle, die über eine einzigartige Marktstellung verfügen. Dies führt in allen Marktphasen zu relativ stabilen Gewinnen, die zu einem guten Teil als Dividenden ausgezahlt werden. Herausforderer hingegen sind Unternehmen, die über eine hohe Innovationskraft und ein sehr starkes Wachstum verfügen. Hier sind weniger die Dividenden kennzeichnend als das Umsatz- und Gewinnwachstum, das sich idealerweise in überdurchschnittlichen Kurszuwächsen niederschlägt.

TiAM: Gilt das für private und institutionelle Investoren gleichermaßen?

von Königsmarck: Es waren vor allem die Fund Buyer, die vor einigen Monaten Gelder abgezogen haben und die – wenn auch langsam – wieder zurückkommen. Es sind die makroökonomischen Themen, die die Investoren beschäftigen. Beim Thema Inflation etwa ist noch nicht klar, wo die Entwicklung hingeht. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir in eine Rezession gehen, und das diskontiert der Markt. Das große Problem ist aber weniger die Rezession als vielmehr die Unklarheit in Bezug auf die Inflation.

Schwarzmann: Das kann ich unterschreiben. Die Leute sind von den Ereignissen im ersten Halbjahr 2022 nicht mehr so paralysiert, wie sie es mal waren. Aber in der Breite sind die Investoren noch nicht wieder bereit, signifikant in den Markt zu gehen – und zwar aus genau diesen Gründen. Das R-Wort geistert nun schon eine ganze Weile herum, und wenn ich unsere eigenen Markterwartungen nehme, dann sind wir im Moment noch im neutralen Bereich. Unser Blick nach vorn für die nächsten Quartale ist dagegen skeptisch. Und ich erlebe es zurzeit noch nicht, dass sich die Schleusen bei den Kunden wieder spürbar öffnen.

TiAM: Es ist aber nicht das erste Mal, dass wir eine Inflation und eine drohende Rezession erleben. Ist es denn so viel anders als in der Vergangenheit?

Liebe: Im Moment ist es so, dass wir überhaupt nicht wissen, in welche Richtung die Weltwirtschaft kippen kann. Gibt es einen weiteren Lockdown in China? Dann wird es schlimm. Bekommen wir eine Energiekrise in Europa, sodass wir Gas rationieren und die Produktion runterfahren müssen? Dann wird es ebenfalls schlimm. Kommt das alles nicht, umso besser. Geht die Inflationserwartung nach unten, normalisieren sich Lieferketten und verbessert sich die Verfügbarkeit etwa von Computer­-
chips? Dann wird alles viel, viel besser. Aber niemand kann es auch nur einigermaßen korrekt prognostizieren. Wir sind an einer Wegscheide, und es gibt extreme Verzweigungen. Daher ist die Voraussage so schwierig, und es verwundert nicht, dass die Investoren zögern, sich neu zu ­engagieren.

Mohr: Wenn Investoren kaufen, dann eher konservativere Konzepte als früher. Auch Produkte, die bisher nicht auf der Tagesordnung standen, werden nachgefragt. Unsere Kunden spiegeln uns, dass aktuell noch viel Geld auf der hohen Kante liegt, dass man aber jetzt erst einmal schaut, was noch kommt. Das schließt Nachzahlungen für Strom und Gas ein. Erst wenn klarer ist, wo die Reise hingeht, investiert man vielleicht. Es ist ja nicht nur der Kapitalmarkt, der Kunden gerade beschäftigt, sondern teilweise auch existenzielle Themen, was die Preissteigerungen betrifft.

TiAM: Bezüglich Inflation hat Fed-Präsi­dent Jerome Powell beim Notenbank­treffen in Jackson Hole die 1970er-Jahre als Beispiel genannt.

Issler: Das ist meines Erachtens mit Vorsicht zu genießen. Als damals die Inflation wieder runterging, fing man sofort wieder mit Zinsschritten nach unten an. Das war zu früh und hat es für den damaligen Fed-Vorsitzenden Paul Volcker sehr schwer gemacht, die Inflation erneut in den Griff zu bekommen. Die Wirtschaft ist vermutlich robuster, als man denkt, und die Notenbanken ziehen jetzt alle mit bei den Zinserhöhungen, aber alles hängt davon ab, ob man schnell – möglicherweise wieder zu schnell – runtergeht.

TiAM: Welche Auswirkungen hat das alles auf Sie? Müssen Sie mit Produkt­innovationen kontern?

Liebe: Es müssen nicht unbedingt Innovationen sein. Wenn etwa Anleihen in der Allokation der Investoren eine größere Rolle spielen – und davon bin ich überzeugt –, tun es auch die guten alten Credits. Es würde mich nicht wundern, wenn wir nächstes Jahr wieder Zuflüsse in Anleihesatellitenklassen sehen. Die Risikoprämien in den Emerging Markets, bei Unternehmens- und High-Yield-Anleihen sind gestiegen und bieten interessante Einstiegspunkte. Allerdings ist das Handling jetzt deutlich komplexer. Als die Märkte in eine Richtung liefen, wurde der belohnt, der das meiste Risiko einging. Jetzt muss zwischen guten und schlechten Schuldnern differenziert werden, und der Fondsmanager muss zudem noch exogene politische und monetäre Schocks berücksichtigen.

Mohr: Wir verzeichnen schon heute eine große Nachfrage nach einem Produkt, das eine hohe Rendite bietet. Mit seinen 20 Jahren Laufzeit und einem Volumen von 1,5 Milliarden US-Dollar ist der Global High Income Global Opportunities zwar kein neues Produkt, aber seine flexible ­Fixed Income-Strategie passt gut zur aktuellen Lage. Der Fonds hat einen Fokus auf hohe Ausschüttungen und bietet vor allem zwei Vorteile: Weil wir die Risiken sauber zueinander managen, können wir zum einen das Fondsrisiko insgesamt senken, zum anderen ergänzt er das Angebot beim Thema Income. Solche Produkte standen in den letzten Jahren nicht im Fokus. Auch wenn der günstigste Einstiegszeitpunkt noch nicht gefunden ist, kann man den Fonds jetzt schon allokieren und hat durch die angestrebte Ausschüttungsrendite von sieben bis zehn Prozent einen Puffer, wenn es zu Kursschwankungen kommt.

von Hardenberg: Ganz generell erwarten wir für 2023 eine Erholung an den weltweiten Aktienmärkten, sodass wir offensive und global aufgestellte Multi-Asset-Fonds sowie Aktienfonds mit einem ebenfalls internationalen Anlageuniversum als mög­-
liche Gewinner sehen. Gerade in unsicheren und volatilen Zeiten sehen Kunden umso deutlicher den Mehrwert, wenn erfahrene Vermögensverwalter wie wir ihr Vermögen mit sicherer und ruhiger Hand managen. Das gilt auch für eine trans­parente und offene Kommunikation sowie einen kundennahen Service.

TiAM: Fassen wir den Begriff etwas weiter und sagen, auch die Weiterentwicklung bestehender Fonds kann eine Innovation sein. Wie sieht es da aus?

Issler: Nehmen Sie unseren Dynamic Bond Fund. Der ist nach Artikel 6 klassifiziert und wird es auch bleiben. Weil uns das Thema ESG wichtig ist, haben wir dort nicht einfach einen grünen Stempel draufgedrückt, sondern einen neuen Fonds mit einem eigenständigen ESG-Ansatz nach Artikel 8 aufgelegt, den Dynamic Bonds ESG Fund. Beide werden vom selben Team verwaltet, ohne dass unser Anspruch in Sachen Nachhaltigkeit in irgendeiner Weise kompromittiert wird. Unabhängig davon, ob man neue Ansätze realisiert oder einen bestehenden Anlageprozess innovativ weiterentwickelt, entscheidend ist vor allem eins: Flexibilität. Dazu braucht es ein breites Anlageuniversum, im Rentenbereich eine Fokussierung auf die Gesamtrendite, nicht nur auf die Verzinsung, eine hohe Liquidität und ein sehr gutes Risikomanagement, damit die große Flexibilität nicht aus dem Ruder läuft.

Schwarzmann: Auch wir erleben eine Renaissance der Nachfrage nach Anleihe­strategien. Nach den jüngsten Zinserhöhungen gibt es hier wieder wirklich interessante Opportunitäten: Wir bieten mit Bantleon Select Corporate Hybrids beispielsweise einen Fonds für Nachranganleihen von Industrieunternehmen an, die attraktive Renditen erzielen und ausschließlich von Emittenten mit Investment-­Grade stammen. Sie sind damit eine Alternative zu High Yields, in die man vor einer möglichen Rezession nicht investieren sollte. Mit dieser Strategie bieten wir Anlegern High-Yield-ähnliche Renditen mit Investment-Grade-Bonität.

von Hardenberg: Ich würde gern noch auf die Digitalisierung der Fondsbranche eingehen. Auch wenn die Entwicklung bei tokenisierten Assets noch nicht so weit ist wie das Thema Nachhaltigkeit, sind wir davon überzeugt, dass die Tokenisierung in den nächsten fünf bis zehn Jahren deutlich an Bedeutung gewinnen wird. Denn: Sind die derzeitigen Hürden erst einmal genommen, sind die Vorteile einfach zu groß. Tokenisierte Assets vereinfachen den Prozess für alle Beteiligten, senken die Kosten und erhöhen die Sicherheit ebenso wie den Convenience-Faktor für die Anleger. Wenn eine europäisch einheitliche Regulierung gewährleistet, Know-how aufgebaut ist und Strukturen etabliert sind, können tokenisierte Assets zum Standard in der Fondsbranche werden.

TiAM: Bei den Beispielen handelt es sich um aktive Fonds. Wie geht Innovation auf der passiven Seite?

von Königsmarck: Auch wir nutzen beide Formen der Innovation. Wir haben etwa letztes Jahr den ersten Indian Bond ETF aufgelegt und mehrere hundert Millionen Euro eingesammelt. Jetzt hat ein deutscher Wettbewerber das Produkt nachgebaut, was zeigt, dass hier viel Potenzial und Perspektive gesehen wird. Zudem wird Indien im Jahre 2023 in die Emerging-Markets-Rentenindizes aufgenommen und bekommt dadurch weiteren Rückenwind. Beim Optical Technology & Photonics handelt es sich ebenfalls um ein neues Konzept. Der Emerging Cyber Security ist eine Weiterentwicklung um neu auftretende Sicherheitssegmente, die in den bisherigen Fondslösungen noch nicht berücksichtigt sind. Und der Global Thematic ETF kombiniert erstmals verschiedene Themen und kommt Kunden zugute, die angesichts der aktuellen Marktentwicklung etwas breiter streuen und sich nicht auf ein oder zwei Themen festlegen wollen.

TiAM: Stichwort ESG. Wenn wir über Herausforderungen sprechen, darf die Nachhaltigkeit nicht fehlen. Was ist hier der aktuelle Stand?

Liebe: Entscheidend wird sein, den Nachweis zu liefern, dass das, was man per Selbstdeklaration als Artikel 8- oder 9-Fonds ausruft, auch den gestiegenen Anforderungen der Regulierer standhält. Wobei die bisher nicht gesagt haben, was sie wirklich haben wollen.

Schwarzmann: Es ist eine paradoxe Situation. Auf der einen Seite gelten die Vorschriften für die Fondsproduzenten erst ab 2023, gleichzeitig muss man die Produkte einem Vertrieb zur Verfügung stellen, der seit August dieses Jahres verpflichtet ist, die Nachhaltigkeitspräferenzen der An­leger abzufragen. Das hat dazu geführt, dass viele versucht haben, das nach bestem Wissen und Gewissen umzusetzen. Jetzt stellt sich die Frage, ob das alles Bestand hat oder ob man nachschärfen muss. Hier wird das nächste Jahr eine echte Herausforderung für die Fondsgesellschaften. Denn sie müssen das, was sie als nachhaltig deklariert haben, auch wirklich sauber hinstellen.

Issler: Bisher waren bei der Konstruktion nachhaltiger Fonds die Techniker am Werk. Jetzt sind die Fonds beim TÜV, und es geht darum, dass wirklich nachhaltige PS auf die Straße kommen. Ich denke, es wird eine Konsolidierung geben bei den Fonds, die sich nicht bewährt haben. Dort wird man einen Schritt zurückgehen. Andererseits wird es neue Anbieter und neue Fonds geben. Es wird alles in allem ein dynamischer Prozess sein.

TiAM: Wie sieht die Umsetzung in Ihren Häusern konkret aus?

von Königsmarck: Eine besondere Herausforderung für ein internationales Haus wie unseres ist in Deutschland der ESG-Zielmarkt nach Verbändekonzept. Wir hatten von unseren 39 Produkten bislang 28 als Artikel 8 oder 9 deklariert und haben jetzt begonnen, zumindest die Themenfonds auf das deutsche Verbändekonzept abzustellen und die Mindestausschlüsse zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass wir die deutschen Besonderheiten in das EET-Dokument einbringen müssen. Das wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen. Wenn ich dann sehe, wie einige große Fund Buyer noch einmal eine eigene ESG-Methodik entwickelt haben, dann wird die Thematik immer komplexer, was dazu führt, dass für die Kunden das Universum möglicher Produkte deutlich verkleinert wird.

TiAM: Eine große Unbekannte in Sachen ESG sind die Kunden. Erst das nächste Jahr wird zeigen, ob die Investoren das, was Sie sich ausdenken, tatsächlich annehmen.

von Hardenberg: Das Thema Nachhaltigkeit nimmt immer mehr an Fahrt auf. Wir sind überzeugt, nur wer heute nachhaltig und verantwortungsvoll agiert, kann einen langfristigen wirtschaftlichen Mehrwert für die Zukunft generieren. Das bedeutet in unserem Fall: ESG-Kriterien dienen als weiteres Risikokriterium und ergänzen unsere fundamentalen Analysen. Als aktiver Vermögensverwalter halten wir zudem Active Ownership – also die Möglichkeit, über die Stimmrechtsausübung oder im direkten Dialog mit den Unternehmen nachhaltiges Denken und Handeln voranzutreiben – für ein sinnvolles und gebotenes Mittel.

Liebe: Nach dem Sommer mit hohen Temperaturen, Waldbränden, Stürmen und Gasmangel ist bei den Kunden auf jeden Fall ein Umweltbewusstsein vorhanden. Allerdings ist produktseitig die Datenlage in vielen Fällen unklar und die tatsächliche Nachhaltigkeit entsprechend schwer zu beweisen. Ich gehe deswegen nicht davon aus, dass die grundsätzliche Offenheit für das Thema ins Gegenteil umschlägt, aber meiner Meinung nach ist es mitnichten so, dass die Mehrheit der Kunden nur noch nachhaltig investieren möchte.

Mohr: Ich denke, es ist noch zu früh, um fundiert abzuwägen, ob das in die eine oder andere Richtung schwenkt. Was ich dagegen feststelle, um in der TÜV-Analogie zu bleiben, ist, dass jetzt alle E-Autos und Hybridautos durch den TÜV durch sind – in unserem Fall pünktlich zum Stichtag 2. August 2022 – und dass man sich noch einmal den einen oder anderen Verbrenner anschaut und sich fragt, was es sonst noch gibt. In den letzten Jahren waren wir alle mit ESG beschäftigt, und die alte Welt in Form von Artikel-6-Lösungen musste man gar nicht mehr anbieten – zumindest bei größeren Organisationen nicht. Gefühlt dreht das gerade. Der Blick geht wieder über den ESG-Tellerrand hinaus. Das hat sich im Verlauf des Sommers spürbar verändert.

TiAM: Ist das eine Folge der Gaskrise, weil man jetzt erkennt, dass man das Anlageuniversum ein wenig öffnen und ein paar Versorger im Portfolio haben muss?

Mohr: Das kann unter Umständen auch ein Performancethema sein, weil am Ende des Tages nun einmal Geld angelegt wird, um es zu vermehren und Rendite zu erzielen und die Inflation auszugleichen. Vor diesem Hintergrund findet bei unseren Kunden ein Umdenken statt, und der eine oder andere Investor fragt Versorger oder Rüstungskonzerne nach.

Schwarzmann: Ich denke auch nicht, dass jeder Kunde nur noch nachhaltig anlegen will. Das Interesse ist zwar groß, aber gerade in dieser frühen Phase überfordert die Regulierung den Vertrieb oft mit der Abfrage. Denn die ist alles andere als trivial. Es muss ja geklärt werden, ob die Nachhaltigkeit nach Taxonomie- oder Offenlegungsverordnung erfolgen soll, ob die PAI genannten negativen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren oder Mindestquoten eine Rolle spielen sollen. Das ist schwierig, und daher kommt man relativ schnell an den Punkt, dass man sagt: Das mit der Nachhaltigkeit lassen wir jetzt mal sein. Das steht dann in der Dokumentation, und dann unterhalten wir uns in aller Ruhe, was wir wirklich machen.

TiAM: Deckt sich das mit der Erfahrung der anderen?

Von Königsmarck: Ich habe festgestellt, dass größere Fund-Seller Erhebungen bei Kunden durchgeführt haben, um zu erfahren, ob diese nachhaltig investieren wollen oder nicht. Bei Endkunden war das Verhältnis 50 zu 50. Außerdem habe ich festgestellt, dass diese größeren Einheiten versuchen, den Kunden eine ESG-Einordnung nach PAIs nahezubringen. Und es gibt Berater, die versuchen, den Kunden ganz rauszunehmen aus dem ESG-Thema, um ihn dann mit dem größtmöglichen Freiheitsgrad beraten zu können.

Issler: Es findet im Moment eine Art Favo­ritenwechsel statt – gerade mit Blick auf Growth- und Techthemen. Im Boom konnte es gar nicht heiß genug sein. Für jene aber, die jetzt 30, 40 oder gar 50 Prozent hinten liegen, ist das kein Spaß mehr. Wir beobachten im aktuellen Umfeld eine Zäsur, einen Schnitt. Das kann ein Wechsel sein von einem Manager zum anderen, aber auch von einem Anlagestil zum anderen. Und das ist absolut spannend.

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