Pictet AM: Was uns Eden lehrt – Wir müssen jetzt die Saat für eine nachhaltige Zukunft legen

Pictet AM: Was uns Eden lehrt – Wir müssen jetzt die Saat für eine nachhaltige Zukunft legen
Nachhaltigkeit

Sir Tim Smit, Mitbegründer von Eden Project, „dem achten Weltwunder“, spricht darüber, wie wir den Kampf um Nachhaltigkeit gewinnen können.

16.01.2023 | 07:51 Uhr

Zwei riesige Stahlkuppeln liegen in einem 50 Meter tiefen Krater so gross wie 30 Fussballfelder in Cornwall im Südwesten Englands.

In einem dieser Komplexe, den sogenannten „Biomen“, wird das Klima eines tropischen Regenwaldes nachgeahmt, im anderen herrscht mediterranes Klima.

Eden

Beide beherbergen Tausende von Pflanzenarten und auch Tiere, von denen einige vom Aussterben bedroht sind. Besucher finden dort Bougainvilleen, wilde Bananen und Arabica-Kaffee vor, alles Pflanzenarten, die in dieser feuchten Gegend Englands sonst nicht wachsen würden.

Willkommen beim Eden Project, einem ökologischen Gartenkomplex, den die New York Times als das „achte Weltwunder“ bezeichnete. Jährlich kommen mehr als 1 Million Besucher hierher.

Es ist schwer vorstellbar, dass Eden – eine Attraktion, die gerne von Popstars, Royals und Promis besucht wird und auch Veranstaltungsort für Konzerte und G-7-Gipfel ist – früher einmal eine Tongrube voll mit mineralischen Abfällen war, mit der niemand etwas anfangen konnte. Die grosse ökologische Regeneration von Eden hat also ganz klein angefangen.

1998 kritzelte der Mitbegründer Sir Tim Smit – ein niederländisch-britischer Archäologe, der sich auch als Songwriter und später als Geschäftsmann einen Namen machte – die allerersten Entwürfe auf eine Serviette, im Pub mit Kollegen. Das war sozusagen die Geburtsstunde des Projekts. Die weitere Umsetzung gestaltete sich jedoch recht holprig.

In den ersten Monaten nach Beginn der Bauarbeiten fiel das Vorhaben durch Starkregen buchstäblich ins Wasser – die Grube, die ohnehin schon 15 Meter unter dem Grundwasserspiegel liegt, füllte sich mit 43 Millionen Litern Wasser.

Also wurde ein spezielles Entwässerungssystem für die Grube entwickelt. Für den Bau der Gewächshäuser wurden Gerüste mit einer Länge von über 360 km aufgestellt. Damit schaffte es das Eden Project dann auch ins Guinness-Buch der Rekorde.

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Die allerersten Skizzen der Biome wurden im Oktober 1996 auf eine Serviette gekritzelt. Quelle: Eden Project

Heute ist das Eden Project ein reichhaltiger Hotspot für biologische Vielfalt und Kultur, der seit seiner Eröffnung über 1,9 Mrd. britische Pfund in die Wirtschaft Cornwalls gespült hat.

Für Smit ist der richtige Weg, klein anzufangen, um dann eine grosse Nachhaltigkeitsbewegung in Gang zu setzen – anstatt alles auf einmal ändern zu wollen, indem die Menschen mit düsteren wissenschaftlichen Fakten und Negativschlagzeilen zum Klimawandel regelrecht erschlagen werden.

„Man kann Verhaltensweisen nicht ändern, indem man den Leuten sagt, dass sie alles ändern müssen. Man muss verstehen, wie man einen Kampf richtig führt. Wenn man gewinnen will, darf einem nicht die intellektuelle Eitelkeit im Weg stehen“, erzählt uns Smit.

„Die Bewegung, die uns zeigen soll, wie wir innerhalb der Grenzen leben, die dem Menschen gesetzt sind, setzt voraus, dass wir aufhören, vage zu bleiben – wir müssen mit kleinen Schritten anfangen. Wir müssen die Zukunft bildlich gesprochen wie eine Pyramide verkaufen. Nur so funktioniert es.“

Optimismus und Klimawandel passen in der Regel nicht zusammen.

Allein in diesem Jahr hatte die Welt einen beträchtlichen Anteil an klimabedingten Katastrophen wie Hitzewellen, Dürren und Waldbränden in Europa und den USA und den Überschwemmungen, durch die ein Drittel Pakistans unter Wasser stand.

Forscher schätzen, dass bis zu 98 Prozent der Nachrichten und Meldungen zu Umweltthemen negativ sind.1

Aber diese pessimistischen Schlagzeilen, auch wenn sie noch so wissenschaftlich fundiert sind, haben den Menschen bislang nicht dazu inspiriert zu handeln. Derzeit steuert die Welt auf eine Erwärmung um 2,7 °C bis 2100 zu und schiesst damit über das Pariser Ziel von 1,5 °C hinaus.

Und das sechs Jahre, nachdem sich Regierungen auf der ganzen Welt in einem Abkommen zur Senkung der CO2-Emissionen verpflichtet haben, das Tausende von Unternehmen ermutigt hat, Netto-Null-Zusagen zu machen.

Wer gewinnen will, muss klein anfangen. Wir müssen die Zukunft bildlich gesprochen wie eine Pyramide verkaufen. Nur so funktioniert es.

„Keine Science-Fiction“

Auch zwanzig Jahre nach der Eröffnung von Eden scheint Smits Bewegung kein bisschen an Dynamik verloren zu haben und signalisiert immer noch Optimismus.

Im vergangenen Jahr hat Eden ein bahnbrechendes, 17 Mio. Pfund teures Geothermie-Energieprojekt ins Leben gerufen.

Dabei wurde rund 5.300 Meter in die Tiefe gebohrt, um die hohe Temperatur des Granitgesteins von mehr als 180 °C zu nutzen. Damit soll in der ersten Phase genug Strom für die Biome, Büros und Gewächshäuser des Komplexes erzeugt werden.

In der zweiten Phase, die laut Smit Anfang 2023 beginnen wird, werden 3,4 Megawatt Strom erzeugt, der dann auch zu einem grossen Teil für die Nachbarschaft reicht.

Bis 2025 wird Eden seinen CO2-Fussabdruck neutralisieren und zum Netto-Null-Emissionsziel des Vereinigten Königreichs beitragen können.

Smit verweist darauf, dass Geothermie die einzige erneuerbare Energieressource ist, die nicht vom Wetter beeinflusst wird. Geothermie-Kraftwerke sind in der Regel über 90 Prozent der Zeit in Betrieb, im Gegensatz zu Solar- und Windkraftanlagen, die intermittierend und nicht konstant sind.

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Smit geht davon aus, dass das Vereinigte Königreich – und andere Länder – seine für Mitte des Jahrhunderts vorgesehenen Netto-Null-Emissionsziele bereits 2030 erreichen kann, wenn es das Potenzial aller Technologien für erneuerbare Energien, wie Solarenergie, Windkraft, Geothermie, ergänzt durch einen kleinen Teil Kernkraft, maximiert.

„Das hat immenses Kosteneinsparungspotenzial. Mit Wind, Sonne und Geothermie haben wir riesige Energieüberschüsse, die dann richtig günstig sein werden. Das ist keine Science-Fiction mehr“, sagt Smit.

Die jüngsten wissenschaftlichen Simulationen geben Smit Recht. Demnach kann ein typisches Industrieland, das alle verfügbaren Technologien nutzt – wie Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge, Wasserstoff als Energievektor, fortschrittliche Energieübertragungssysteme und Energiespeicher der nächsten Generation – eine Emissionen zwischen 2015 und 2035 um 63 Prozent reduzieren. Im gleichen Zeitraum würde die Erzeugung von CO2-armem Strom um 42 Prozent steigen.2

Auch eine Verschiebung der aktuellen Konsummuster hin zu zirkulären Verhaltensweisen kann in kleinem Rahmen ihren Anfang nehmen.

„Wenn sich eine Gruppe junger Leute entschliesst, keine neue Kleidung mehr zu kaufen und eine neue Kultur des Ausbesserns von Kleidung zu schaffen, die wirklich cool aussieht, und sich das herumspricht, dann wird diese Bewegung schnell wachsen und es wird hip sein, nicht mehr alles wegzuwerfen“, sagt Smit.

„In einer Kreislaufwirtschaft ist die Verwendung des Produkts, das man gerade in den Händen hält, bereits vorprogrammiert. Nehmen wir als Beispiel einen Kühlschrank: Alle Teile sind so hergestellt, dass sie recycelt und zu etwas anderem verarbeitet werden können.“

Als es darum ging, Finanzierungsmittel für das Eden Project zu beschaffen, musste sich Smit häufig anhören, dass das Project niemals Erfolg haben werde.

„Darauf erwiderte ich: Wollen Sie wirklich so jemand sein, der wie damals die Beatles schlecht machte, weil aus einer Gitarrenband ja ohnehin nichts werden könne? Das werden Ihre Enkel Ihnen nie verzeihen.

Wir haben die Pflicht, in grossen Massstäben zu träumen. Das Wort „falls“ streichen wir. Vielmehr ist es das Wort „wenn“, das uns nach vorne bringt.“

Einblicke für Investoren

  • Geothermische Energie ist CO2-arme, erneuerbare Energie, die aus der Erdwärme gewonnen wird. Sie ist überall auf der Welt verfügbar und kann unabhängig von den Wetterbedingungen das ganze Jahr über Wärme oder Strom liefern. Im Vereinigten Königreich werden mit dieser Energieform aktuell weniger als 0,3 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs des Landes gedeckt. Dafür wird nur ein Bruchteil der geschätzten verfügbaren geothermischen Wärmeressourcen genutzt. Mit langfristigen Investitionen könnte dieser Anteil deutlich erhöht werden.
  • Geothermieprojekte sind kapitalintensiv, aber ihre Betriebskosten sind niedrig und vorhersehbar. Die Kosten der weltweit installierten Leistung liegt bei Geothermie-Kraftwerken in der Regel zwischen 1.870 und 5.050 US-Dollar pro kW. Die Europäische Kommission prognostiziert, dass die Kosten der installierten Leistung zwischen 2020 und 2050 um durchschnittlich mindestens 26 Prozent sinken werden. Die jährlichen Stromgestehungskosten von Geothermie-Kraftwerken liegen bei rund 0,07 US-Dollar/kWh, bei Photovoltaik sind es 0,05 US-Dollar, bei Onshore-Windkraft 0,03 US-Dollar und bei Offshore-Windenergie 0,08 US-Dollar.

Quelle: Britische Regierung, IRENA

[1] https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/abcd5a
[2] Püttgen, H. B., Bamberger, Y. Electricity, humanity’s low-carbon future, World Scientific (2021)

Über Tim Smit

Sir Tim Smit ist Executive Chair und Mitbegründer des Eden Project in Cornwall, das seit seiner Eröffnung im Jahr 2001 von mehr als 22 Millionen Menschen besucht wurde. Davor, im Jahr 2019, rettete Sir Smit zusammen mit John Nelson die „The Lost Gardens of Heligan“ im Rahmen eines der grössten Gartenrestaurierungsprojekte Europas vor dem Verfall. Er ist weiterhin Direktor der Gartenanlage, die von der BBC als „Garden of the Year“ ausgezeichnet wurde. Sein Buch „The Lost Gardens of Heligan“ wurde 1997 als „Book of the Year“ gewürdigt.


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