Ein brasilianisches Boutique-Unternehmen führt eine „grüne“ Revolution in der Stahlindustrie an und stellt damit eine Branche auf den Kopf, die nicht gerade für ihre Nachhaltigkeit bekannt ist.
22.05.2023 | 06:16 Uhr
Energie- und emissionsintensiv – die Stahlindustrie ist alles andere als ein Musterbeispiel für Nachhaltigkeit. Aber das muss nicht so sein. Aço Verde do Brasil (AVB) hat ohne grosses Aufsehen eine nachhaltige Revolution angestossen:
Mit seinem klimaorientierten Geschäftsmodell, das für die Branche sehr ungewöhnlich ist, nutzt AVB für die Herstellung klimaschonender Produkte für seine Kunden aus dem Immobilien- und Infrastruktursektor eine grüne Alternative zu Kokskohle, dazu erneuerbare Energien, und setzt auf die zirkuläre Verwendung von Rohstoffen. 2020 wurde das Unternehmen, eine Tochtergesellschaft von Grupo Ferroeste, von SGS als erster CO2-neutraler Stahlproduzent überhaupt zertifiziert. Gegen Ende des Jahres soll das Stahlwerk das erste weltweit sein, das als Zero-Waste-Anlage betrieben wird.
Der wichtigste Baustein des Nachhaltigkeitskonzepts von AVB ist – der Eukalyptusbaum. Der Baum braucht etwa sieben Jahre, um heranzuwachsen. Während dieser Zeit nimmt er mehr CO2 aus der Atmosphäre auf, als er ausstösst, wenn er bei der Stahlherstellung verbrannt wird. „Er ist also ein emissionsfreier Rohstoff“, erklärt Co-CEO Silvia Carvalho Nascimento.
Das ist eine ganze neue Methode der Stahlherstellung. „95 Prozent des weltweiten Stahls werden auf konventionelle Weise mit Kokskohle und Eisenerz produziert. Dieser Prozess ist sehr CO2-intensiv“, sagt Silvia Nascimento. „Brasilien ist der einzige Ort auf der Welt, an dem man Stahl mit Holzkohle aus Eukalyptus herstellen kann.“
Dass die Wahl auf Eukalyptuskohle fiel, war angesichts der lokal verfügbaren Ressourcen die naheliegendste Entscheidung. „Wir befinden uns im nördlichsten Teil Brasiliens. Und was haben wir dort? Jede Menge Land, wo wir Pflanzen anbauen können. Perfektes Wetter. Viel Wasser. Wer am Meer lebt, isst ja auch mehr Fisch, weil es den dort im Überfluss gibt und er günstiger ist“, sagt Frau Nascimento. „Dasselbe gilt für Holzkohle. Heute, fast 15 Jahre später, können wir sagen, dass die Entscheidung von damals goldrichtig war.“
Nicht nur, dass für den Prozess keine Kohle benötigt wird – bei AVB werden überhaupt keine fossilen Brennstoffe eingesetzt. Stattdessen wird dort mit dem Prozessgas aus den eigenen Hochöfen erneuerbare Energie gewonnen.
Das Unternehmen ist bestrebt, sämtliche Reststoffe, von Schlacke bis hin zu Gasen, wiederzuverwenden. Das ist ein einzigartiger wertschöpfender Ansatz, mit dem sich das Unternehmen positiv abhebt.
„Rohstoffe sind nicht wie ein Kleid, bei dem dieses Design oder diese Farbe gibt“, erklärt Silvia Nascimento. „Nein, ein Rohstoff ist ein Rohstoff. Sie müssen einen Weg finden, die Leute dazu zu bringen, es bei Ihnen zu kaufen. Wir sind davon überzeugt, dass unser Alleinstellungsmerkmal unsere CO2-Emissionsbilanz ist.“
Gleichzeitig werden die Kosten für Rohstoffe gesenkt, was gerade jetzt, wo die Rohstoffpreise steigen, nicht unwichtig ist: „Was gut für die Umwelt ist, ist auch gut für mich, weil weniger verbraucht wird, um den gleichen Stahl herzustellen. Wir haben viele Projekte, die in diese Richtung gehen.“
Da das internationale Interesse an „grünem Stahl“ zunimmt und das Unternehmen schnell wächst, sind die Aussichten für die Zukunft erfreulich. Aber Frau Nascimento sagt ganz klar, dass es ihrer Familie nicht nur um das Geld geht, sondern auch darum, das Erbe ihres Vaters zu bewahren. Dieses langfristige Denken zeigt sich in allen Aktivitäten von AVB, von der ganzheitlichen Berücksichtigung der Bedürfnisse der Beschäftigten bis hin zum umsichtigen Ansatz beim Schutz der brasilianischen Wälder.
„Wenn ich will, dass meine Kinder und Enkelkinder das Unternehmen weiter ausbauen können, müssen wir das schützen, wo unser Rohstoff herkommt“, sagt sie.
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