#NachhaltigeGebäude: Investitionen zur Bewältigung der 40-Prozent-Herausforderung für eine klimaresiliente Zukunft.
05.10.2022 | 08:08 Uhr
In der Debatte über den Klimawandel sind Immobilien
sprichwörtlich der „Elefant im Raum“ – ein offensichtliches, aber
unausgesprochenes Problem.
Unsere Wohnungen, Büros, Geschäfte und Freizeiträume – die physische
Infrastruktur, die für den Wohlstand und das Wohlbefinden der Menschen
entscheidend ist – verursachen rund 40 Prozent der weltweiten
CO2-Emissionen. Darüber hinaus ist die bebaute Umwelt auch für
zahlreiche andere ökologische Probleme verantwortlich, wie übermässiger
Wasserverbrauch, Stromverbrauch und Abfall in ähnlicher Grössenordnung.
Die Frage, wie sich der ökologische Fussabdruck der Immobilienbranche
reduzieren lässt, stand im Mittelpunkt des diesjährigen The Klosters
Forum, das sich mit der Gestaltung und dem Aufbau einer regenerativen
Zukunft befasste.
Auf der dreitägigen Veranstaltung im Juni nahmen die Teilnehmer an
eingehenden Diskussionen teil, bei denen Themen wie nachhaltiges Bauen,
regenerative Verfahren, innovative Gebäudedesigns und Baustoffe sowie
die Rolle der Natur zur Sprache kamen.
Zur Einführung in die Debatte zu der Frage, wie sich die
40-Prozent-Herausforderung im Immobiliensektor bewältigen und eine
klimaresiliente Zukunft aufbauen lässt, erläuterten Vertreter der Pictet
Gruppe, warum die Bewertung des Umweltprofils von Immobilien mit
Schwierigkeiten behaftet ist.
Zsolt Kohalmi, Global Head of Real Estate und Deputy Chief
Executive Officer, Pictet Alternative Advisors, verwies auf den
„Zeitwert der CO2-Emissionen“ als Beispiel für die Komplexität, mit der
Immobilienunternehmen und Investoren bei der Umstellung auf
nachhaltigere Praktiken konfrontiert sind.
Bei einem Gebäude mit durchschnittlicher
Lebensdauer, so Kohalmi, entstehen bis zu 45 Prozent der
Gesamtemissionen in den ersten Jahren, d.h. während der Bauphase eines
Projekts, das die Gewinnung der Rohstoffe, die Herstellung, den
Transport, die Installation und die Abfallentsorgung umfasst.
Diese sogenannten „grauen Emissionen“ (engl.
„Embodied Carbon“) sind weitaus höher als die operativen Emissionen,
also die Menge an CO2, die jährlich ausgestossen wird, sobald ein
Gebäude bewirtschaftet wird.
Die Teilnehmer des The Klosters Forum, darunter
Architekten, Stadtplaner, Start-ups für grünes Bauen,
Materialwissenschaftler und Investoren, tauschten persönliche
Erfahrungen aus und gaben Einblicke, wie man die Umweltproblematik im
Immobiliensektor angehen könnte.
Einige Themen waren besonders interessant. Eines davon ist die Rolle der Natur in der gebauten Umwelt.
Die Teilnehmer waren sich einig, dass die gebaute Umwelt wieder mit der Natur verbunden werden muss.
Das erfordert eine Reihe neuartiger Bauweisen, wie z.B. die
Integration natürlicher und regenerativer Elemente in die
Gebäudeplanung, das Experimentieren mit innovativen biobasierten
Baustoffen wie Holz und Algen sowie die strategische Wiederaufforstung,
Aufforstung und andere Methoden der Kohlenstoffabscheidung.
„Wie der (italienische Botaniker) Stefano Mancuso sagt, leben wir in
einer Natur- und Pflanzenblindheit. Wir müssen die Natur in unsere
Kultur integrieren; Kultur ist keine Antithese zur Natur“, sagte Mikolaj
Sekutowicz, Teilnehmer und bei dem deutschen Resortentwickler Therme
Group als Partner für die strategische Entwicklung und die kulturelle
Ausrichtung des Unternehmens verantwortlich.
Das Rewilding von Städten (Sicherung renaturierter Ökosysteme) könnte
ebenfalls dazu beitragen, die Umweltauswirkungen von Gebäuden zu
reduzieren. Zu den prominentesten Projekten gehört Bosco Verticale
(vertikaler Wald), ein Hochhauskomplex in Mailand.
Die 111 Meter und 76 Meter hohen Zwillingstürme sind mit
20.000 Bäumen, Sträuchern und Stauden begrünt, die Smog absorbieren,
Sauerstoff produzieren, den Energieverbrauch senken und Kohlenstoff
binden. Zudem sind die Bewohner des Gebäudes überaus zufrieden mit dem
Komfort und erfreuen sich an ihrer grünen Umgebung.1 Das ist ein Paradebeispiel für biophile Architektur, die Mensch und Natur miteinander verbindet.
Aber selbst der Bau neuer Gebäude mit nachhaltigen Methoden sei kein
Allheilmittel, erfuhren die Teilnehmer. In den Industrieländern wurden
in den letzten Jahrzehnten vielfach Gebäude gebaut, wo ein Umbau von
Bestandsgebäuden in energieeffiziente Gebäude sinnvoller gewesen wäre,
um die CO-Emissionen zu reduzieren.
In
Europa zum Beispiel wurden 90 Prozent der Gebäude vor 1990 und
40 Prozent vor 1960 gebaut. Studien haben gezeigt, dass durch
Sanierungen 70 Prozent weniger Emissionen ausgestossen werden als bei
Neubauten, wenn man die zuvor erwähnten grauen Emissionen einrechnet.2
Wir dürfen aber nicht vergessen, dass auch in
anderen Teilen der Welt neue Gebäude entstehen müssen. Die Länder
Asiens, Afrikas und Lateinamerikas werden mehr Wohn- und
Geschäftsflächen brauchen, um dem Bevölkerungswachstum Rechnung zu
tragen.
„Bei der Förderung nachhaltiger Gebäude gibt es
kein Universalkonzept“, sagte Stephen Freedman, Head of Research and
Sustainability for Thematic Equities, Pictet Asset Management.
Stattdessen sei ein massgeschneiderter Ansatz für die Entwicklung
klimaresilienter Lebensbereiche in enger Abstimmung mit der lokalen
Bevölkerung von entscheidender Bedeutung. Es müssen standortspezifische
Besonderheiten berücksichtigt werden, wie z.B. Gebäudetechnologien, die
an die geografischen Gegebenheiten angepasst sind und auf lokal
verfügbare Rohstoffe zurückgreifen.
Venedig zum Beispiel, dessen Existenz vom Klimawandel bedroht ist, kann als Inspiration dienen.
Als die Stadt vor 1600 Jahren gebaut wurde, verwendete sie als
Fundament für ihre Bauten auf dem Marschland wasserfeste Erlenbäume, die
in den nahegelegenen Wäldern reichlich vorhanden waren. Jetzt sichert
die Stadt ihre Zukunft, indem sie auf neue, naturbasierte Lösungen
setzt.
So werden in dem salzhaltigen Marschgürtel mit lokalen Rohstoffen und
Arbeitskräften Festungsanlagen gebaut, um die Stadt vor Sturmfluten und
hohen Wellen zu schützen.3 Das Bioengineering-Projekt kommt
den Bürgern und Unternehmen in vielerlei Hinsicht zugute, es bietet
z.B. Beschäftigungsmöglichkeiten und eröffnet wirtschaftliche Chancen in
der lokalen Gemeinschaft.
Wie das Beispiel Venedigs zeigt, spielen Regierungen und kommunale Behörden eine Schlüsselrolle beim nachhaltigen Bauen.
Die Teilnehmer des Forums waren sich einig, dass
die Politik einen Ansatz nach dem Prinzip „Fordern und Fördern“
verfolgen sollte, um Anreize für klima- und naturpositive Unternehmen
und Projekte zu schaffen, z.B. mit Steuererleichterungen und
intelligenten Subventionen, und gleichzeitig Unternehmen zu bestrafen
und zu regulieren, die es versäumen, Massnahmen zu ergreifen. Solche
Strategien sollten dazu beitragen, die tatsächlichen finanziellen und
sozialen Kosten von nicht nachhaltigen Gebäuden aufzudecken.
Die Teilnehmer warnten aber auch, dass die Branche nicht allein auf
Top-down-Ansätze setzen dürfe. Stattdessen forderten sie dezentrale
Entscheidungsprozesse, in die die lokalen Gemeinschaften einbezogen
werden. Sie hoben auch die Rolle der „sanften Macht“ hervor, wie
Aufklärungsinitiativen und bessere Klimaberichterstattung.
„Wir brauchen einen Rahmen, in dem sich jeder an der regenerativen Entwicklung beteiligen kann“, sagte ein Teilnehmer.
Die Erhöhung der Investitionen in Forschung und Entwicklung sollte
ebenfalls Priorität haben, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern,
Innovationen zu fördern und den nachhaltigen Übergang zu beschleunigen.
Der Bausektor gilt aufgrund unzureichender F&E-Investitionen, die
schätzungsweise im unteren einstelligen Prozentbereich des Umsatzes
liegen, traditionell als konservativ und technologiearm, im Vergleich
dazu sind es im Gesundheits- und IT-Sektor mindestens 10 Prozent. Auch
hier können Steuererleichterungen – nach dem Vorbild Grossbritannien mit
seinem Instrument der Steuergutschrift für Ausgaben in Forschung und
Entwicklung – dazu beitragen, Investitionen in Wachstum und nachhaltige
Innovation zu fördern.
Die Finanzbranche ist in der Pflicht, das 40-Prozent-Problem im
Immobiliensektor anzugehen und eine Lösung zu finden. Gleichzeitig
stellt die Umstellung auf nachhaltiges Bauen eine grosse, langfristige
und wachsende Investitionsmöglichkeit dar. Die Branche sollte privates
Kapital für nachhaltige Gebäude mobilisieren, um der steigenden
Nachfrage von Investoren nach Impact-Lösungen gerecht zu werden, bei
denen ESG-Aspekte berücksichtigt werden.
Ein
Teilnehmer zitierte den ehemaligen britischen Premierminister Winston
Churchill, der 1944 sagte: „Wir formen unsere Gebäude, danach formen sie
uns.“ Da die Nachfrage nach effizienteren, umweltfreundlicheren
Gebäuden steigen wird, forderten die Teilnehmer einen durchdachteren
Ansatz, wie wir Gebäude bauen, bewirtschaften, renovieren und abreissen,
um eine klimaresiliente und gerechte bebaute Umwelt für alle
aufzubauen.
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