Carmignac: Ausblick für Unternehmensanleihen

Wenn die Kerninflation in Europa schneller und nachhaltiger als von der Konsensmeinung erwartet anzieht, machen Befürchtungen des Marktes im Hinblick auf eine mögliche frühzeitige Einstellung der Anleihenkäufe der EZB erforderlich, eine vorsichtige Allokation in Unternehmensanleihen einzugehen.

22.03.2017 | 12:44 Uhr

(Foto: Pierre Verlé, Teamleiter Credit bei Carmignac)

Europäische Anleger waren nicht nur über zwei Jahre mit negativen Einlagenzinsen konfrontiert, sondern mussten sich auch mit einem immer kleineren Anleihenuniversum arrangieren, da die EZB ihre Bilanz in den letzten fünf Jahren wesentlich ausgeweitet hat. Die kleinere Zahl an Gelegenheiten zwang Anleger dazu, ein größeres Kreditrisiko bei längeren Laufzeiten einzugehen. Folglich wurden die Kreditmärkte sehr anfällig für einen geldpolitischen Kurswechsel der EZB.

Beginnend mit Investment-Grade-Unternehmensanleihen lässt sich eine kontinuierliche Verschlechterung der Bilanzqualität feststellen, sodass die Fremdfinanzierungsquoten fast den Zyklus-Höchststand erreicht haben. Schwache Margen, mangelnde Anlegerdisziplin, ein nach wie vor starker Fusions- und Übernahmezyklus und aktive Anleiheemittenten, die von niedrigen Zinsen profitieren wollen, waren allesamt Faktoren, die zur Beeinträchtigung europäischer Bilanzen beigetragen haben. Obwohl die Verschuldung im Bereich ihrer 10-Jahres-Höchststände liegt, befinden sich die Renditen aufgrund der eben erwähnten EZBIntervention auf einem Allzeittief. Dieser Markt ist sehr instabil und anfällig für einen starken Inflationsanstieg.

Im Segment der High-Yield-Anleihen ist das Bild ähnlich. Auch hier befinden sich die Fremdfinanzierungsquoten im Bereich des Zyklus-Höchststands und die Renditen auf einem Allzeittief. Darüber hinaus bieten diese niedrigen Renditen zum einen keinen absoluten Bewertungsschutz bei einer solch schlechten Bilanzqualität und zum anderen besteht auch anderswo in der Kapitalstruktur kein relativer Bewertungsschutz. Wie die Abbildung unten zeigt, rentiert der europäische High-Yield-Anleihenindex erstmals in der Geschichte weniger als der europäische Aktienindex (Dividendenrendite des Eurostoxx 50 Index).

Gelegenheiten gibt es weiterhin

Seit dem Sommer 2012 haben wir von einem überdimensionalen Exposure im europäischen Bankensektor über die gesamte Kapitalstruktur profitiert. Die Top-down-Faktoren dieses Anlagethemas sind weiterhin gegeben: Europäische Banken sind einer der wenigen Sektoren innerhalb des globalen Anleihenuniversums, in denen eine mehrjährige Erkennbarkeit eines kontinuierlichen Schuldenabbaus besteht. Aufgrund veränderter gesetzlicher Bestimmungen setzte vor sieben Jahren ein Schulden- und Risikoabbau ein, der sich noch bis 2019 hinziehen dürfte. Nachrangige Bankenanleihen sind aus unserer Sicht absolut gesehen, aber auch im Vergleich zu High-Yield-Anleihen aus dem Industriesektor, besonders günstig. So beträgt der Spreadaufschlag für einen europäischen CoCo-Index gegenüber High-Yield-Anleihen aus dem Industriesektor mehr als 150 Basispunkte. Diese Contingent Convertible Bonds sind nachrangige Kapitalinstrumente von Banken und besitzen spezifische Trigger für Kupon- und Kapitalereignisse im Fall sehr hoher Verluste. Weil diese Anlageklasse noch jung und nicht in den breit gefassten Marktindizes enthalten ist und weil diese Instrumente nicht ausreichend getestet wurden, ist das zugrunde liegende Kreditrisiko unseres Erachtens jedoch fehlbewertet. Anleihen hochwertiger Retailbanken wie z.B. BBVA oder Unicredit sind, insbesondere wenn sie in Zeiten erhöhter politischer Unsicherheit ausgegeben werden, mit sehr attraktiven Renditen von 8-9% zu haben.

Außerdem schätzen wir weiterhin europäische Collateralised Loan Obligations (CLOs). Sie sind immer noch eine angeschlagene Anlageklasse, bei der aufsichtsrechtliche Sachzwänge und Narben der Krise es möglich machen, von sehr attraktiven Spreadniveaus zu profitieren. Außerdem war die Ausfallrate bei europäischen CLOs in den letzten 20 Jahren sehr gering.(1) Nachdem wir uns zunächst auf AAA-Tranchen konzentrierten, verfolgen wir nun einen taktischeren Ansatz, um Gelegenheiten in nachrangigeren Segmenten zu nutzen. AAA-Spreads haben fast ihre Tiefstände nach der Krise erreicht. Andererseits sind die Spreads nachrangiger Papiere nach wie vor hoch und bieten sehr attraktive risikobereinigte Renditen (die Spreads liegen bei rund 600 Basispunkten für BB-Tranchen und 800 Bp. für B-Tranchen). Diese beruhen auf ähnlichen technischen Gründen: Die Anlegerbasis ist nicht so angewachsen, dass sie Neuemissionen absorbieren könnte, was eine Stabilisierung/Ausweitung der Kreditspreads zur Folge hat.

Ferner sind Unternehmensanleihen aus dem Rohstoffsektor nach wie vor attraktiv, denn sie dürften von der Erholung des globalen Wachstums, der Inflation und der Rohstoffpreise profitieren. Selektives Vorgehen ist jedoch in einem weiterhin volatilen Umfeld oberstes Gebot. Das Einschätzen der Risiken und Chancen jedes einzelnen Landes und jedes Unternehmens ist eine Grundvoraussetzung, um in dieser Anlageklasse die besten Gelegenheiten herauszupicken.

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