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Der TiAM FundResearch Wochenrück- und -ausblick.
Kolumne

Muss die BaFin Privatanleger vor sich selbst schützen?

TiAM FundResearch blickt auf die vergangenen Wochen zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Die BaFin schränkt die Vermarktung von Turbo-Zertifikaten ein.

10.11.2025 | 07:15 Uhr von «Matthias von Arnim»

Rückblick

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat vor rund einem Monat eine sogenannte Produktinterventions-Maßnahme für Turbo-Zertifikate erlassen. Die BaFin beschränkt damit die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Turbo-Zertifikaten an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland. Die Maßnahme sieht konkret so aus, dass Emittenten, Anbieter und Intermediäre künftig eine standardisierte Risikowarnung anzeigen müssen. Intermediäre müssen darüber hinaus vor Erwerb von Turbo-Zertifikaten eine Abfrage durchführen, die das Wissen der Anleger zur Funktionsweise dieser Finanzprodukte prüft – und zwar nicht nur einmalig, sondern mindestens alle sechs Monate immer wieder neu. 

Ein weiterer wichtiger Punkt der Produktinterventions-Maßnahme ist, dass die Emittenten und Vertriebspartner keine Rabattaktionen mehr durchführen dürfen. Damit sind zum Beispiel reduzierte Ordergebühren oder Neukundenboni gemeint. In der Praxis bedeutet diese Einschränkung, dass die Emittenten für ihre Turbo-Zertifikate keine Werbung mehr machen dürfen. Denn besondere Rabatte sind der ultimative Kaufanreiz, bestimmte Zertifikate zu kaufen. Womit sollen die Emittenten sonst werben? Wäscht jetzt noch reiner? Duftet verführerisch? Fährt jetzt noch schneller? Verbraucht weniger Wasser? Macht Ihr Leben jetzt noch schöner? Die BaFin setzt also am empfindlichsten Punkt der Zertifikate-Industrie sprichwörtlich den Hebel an, um den Vertrieb dieser Produkte einzuschränken. Am 16. Juni 2026 tritt die Maßnahme in Kraft.

Dass der Erlass nicht schon zur Jahreswende greift, ist aufopfernder Lobbyarbeit des Bundesverbandes für strukturierte Wertpapiere (BSW) zu verdanken. Dessen Mitglieder hoffen nun darauf, dass die Branche den Zeitaufschub nutzen kann, um die Umsetzung der Maßnahme im letzten Augenblick bis zum Sommer doch noch verhindern zu können. Dafür braucht es gute Argumente. Die Erklärung der Emittenten gegenüber der BaFin, die Implementierung der Anzeige standardisierter Risikowarnungen sei technisch nicht so schnell umzusetzen, wirkt jedenfalls nicht besonders überzeugend. Und schon gar nicht im Hinblick auf eine mögliche komplette Abwendung des Erlasses. Dafür braucht es schon andere Argumentationsstränge. 

Eine Idee könnte zum Beispiel sein, die Begründung der BaFin für die Durchführung der Produktinterventions-Maßnahme grundsätzlich infrage zu stellen. Denn die Aufsichtsbehörde argumentiert, das „Risikobewusstsein der Anleger schärfen“ zu müssen, weil „Turbo-Zertifikate erhebliche Verluste verursachen können“. Dabei beruft sich die BaFin auf eine umfassenden Marktuntersuchung zu Turbo-Zertifikaten. Die Befragung ergab, dass rund drei Viertel (74,2 Prozent) der Privatanleger Verluste mit Turbo-Zertifikaten erlitten haben. Im Durchschnitt verloren sie jeweils 6.358 Euro, verteilt über einen Zeitraum von fünf Jahren. Zur Erklärung: Zur Ermittlung des Verlustes wurden alle Turbo-Zertifikate-Transaktionen im Zeitraum 2019 bis 2023 betrachtet und die jeweils realisierten Verluste mit den realisierten Gewinnen verglichen. Und Überraschung: Die Gewinn-Bilanz fiel negativ aus. 

Dass dieses Ergebnis die BaFin zu der Erkenntnis kommen ließ, etwas gegen Hebelprodukte unternehmen zu müssen, erstaunt. Denn erstens ist es ja gar nicht die ursprüngliche Grundidee von Finanzderivaten, Gewinne zu erzielen. Schließlich werden Optionen, Futures und andere Hebelprodukte von professionellen institutionellen Investoren vor allem eingesetzt, um sich gegen unvorhergesehene Marktschwankungen abzusichern. Auch für Privatanleger gilt in der Mehrzahl: Wer etwa Put-Optionen oder vergleichbare andere Derivate mit ähnlicher Hebelwirkung in sein Portfolio kauft, will in der Regel nicht grundsätzlich gegen den Markt spekulieren. Dafür sind Puts aufgrund verschiedener finanzmathematischer Eigenschaften viel zu teuer. Stattdessen gilt: Wer mit Puts operiert, will sein Portfolio absichern – und hofft insgeheim, dass diese Absicherung nicht nötig sein wird. Denn eine Absicherung mithilfe von Derivaten kann einen Wertverlust im Gesamtportfolio oft nur ausbremsen, aber nicht komplett verhindern. Verlustgeschäfte mit Finanzderivaten werden also oft schon im Vorhinein billigend in Kauf genommen, so, wie bei einer normalen Versicherung. Und da macht die BaFin ja auch nicht die Rechnung auf: Wieviel Geld haben Versicherte in ihre Versicherungen eingezahlt – und wieviel haben sie herausbekommen? Der Grundfehler der Studie besteht deshalb darin, dass nur die Gewinne und Verluste von Turbo-Puts- und Turbo-Calls gegeneinander aufgewogen wurden. Ein Bezug zu den Gesamtportfolios fehlt vollkommen – und damit ein Nachweis darüber, mit welchem Ziel Turbo-Zertifikate in der Regel eingesetzt werden. 

Nun könnte man sagen, viele Privatanleger wollten sich ja gar nicht absichern, sondern einfach nur spekulieren. Sie ließen sich von der Hoffnung auf hohe Gewinne aufgrund der Hebelwirkung blenden und ignorierten dabei das Risiko von Turbo-Zertifikaten. Hebelprodukte als Wettspiel? Das mag oft so sein. Aber wie oft? Die Untersuchung der BaFin hat ergeben, dass der Verlustprozentsatz bei Anlegern, die häufiger mit Turbo-Zertifikaten handeln, höher ist als bei Anlegern, die nur selten diese Instrumente einsetzen. Die Behörde leitet daraus ab, dass „Kleinanleger nicht häufiger Gewinne erzielen, umso mehr Erfahrungen sie beim Handel mit Turbo-Zertifikaten sammeln – und somit scheinbar kein Lernprozess stattfindet“. Mit dem gleichen Argument könnte man auch Versicherungen verbieten. Es ist ja gerade so, dass erfahrenere Anleger, die Hebelprodukte häufiger einsetzen, oft komplexere Hebelstrategien anwenden, mitunter auch Aktien, Anleihen, ETFs, Anlage- oder zuweilen weitere Turbo-Zertifikate einbinden und dabei die Realisierung eines Verlusts bei einem Teil der Derivate in Kauf nehmen. Beispiel: Mit einer Kombination von Discountzertifikaten und Turbo Discount-Puts lässt sich ein Risikoschutz-Investment konstruieren, das insbesondere in Seitwärtsmärkten recht gut funktioniert. 

Gut, man sollte sich schon ein wenig mit diesen Papieren und ihrer Wirkung auskennen und sie verantwortungsvoll einsetzen. Aber das ist eben der Punkt: Man sollte privaten Anlegern vielleicht mehr Eigenverantwortung zutrauen und sie dazu auch ermutigen. Die übertriebene Panikmache vor Verlusten mit Kapitalmarktgeschäften hat schon genug Schaden angerichtet. Man muss sich nur ansehen, wie die Mehrzahl der Deutschen ihr Geld anlegt: Versicherungen, Sparbücher und Festgeldkonten sind jedenfalls nicht die richtige Antwort auf die sich immer weiter auftuende Rentenlücke vieler Menschen in Deutschland. Aktien, Fonds und ETFs wäre dazu eher geeignet sowie ergänzende Instrumente, deren Umgang – und deren Risiken – man allerdings oft erst lernen und erfahren muss, um zu verstehen, wie sie in der Realität funktionieren. 

Die Frage, ob in diesem Zusammenhang „eine standardisierte Risikowarnung“ beim Kauf von Turbo-Zertifikaten die passende Maßnahme ist, darf sich jeder gerne selbst beantworten. 

Interessante Termine in den kommenden Tagen

Heute Abend wird die Weltklimakonferenz COP30 im brasilianischen Belém mit einer Abendveranstaltung eröffnet…

Am Dienstag geht es dann richtig los mit Workshops, Networking, heimlichen Verhandlungen und nationalem Lobbyismus. Eben mit allem, was dazugehört, wenn sich Vertreter von rund 200 Staaten treffen, um zwei Wochen lang darüber zu diskutieren, wie die Erderwärmung eingedämmt werden kann. Angereist sind nach Belém, einer Millionenstadt im Amazonasgebiet, Zehntausende Teilnehmer – darunter Diplomaten, Wissenschaftler und Umweltaktivisten. Die allermeisten davon dürften mit dem Flugzeug angereist sein. Die allerwenigsten davon werden wohl in zwei Wochen zufrieden sein mit den Ergebnissen der Konferenz. Also business as usual? Vielleicht auch nicht. Längst hat sich die Sicht auf das Thema Nachhaltigkeit verändert. Die wirtschaftlichen Vorteile regenerativer Energien gegenüber der Verwendung fossiler Brennstoffe zum Beispiel rücken die Energiepolitik in vielen Ländern in ein neues Licht. Außer in den USA. Aber das ist ein anderes Thema. 

Am Mittwoch stellen in Berlin die „Wirtschaftsweisen“ ihr Jahresgutachten vor. Man muss kein Prophet sein, um zu erwarten, dass dieses Werk keine beruhigende Abendlektüre ist, sondern eher eine Gute-Nacht-Geschichte. 

Am Donnerstag wird in Hamburg das Gelände der insolventen Hamburger Schiffswerft „Pella Sietas“ im Alten Land zwangsversteigert. Hintergrund: Vor elf Jahren wurde die Werft von der Pella-Gruppe aus St. Petersburg gekauft. Die Finanzierung übernahm die russische Sber-Bank. Die Werft musste aufgrund von Missmanagement die Insolvenz anmelden. Die Sber-Bank wollte daraufhin das Grundstück versilbern. Doch die EU-Sanktionen gegen russische Banken wegen des Krieges in der Ukraine verbieten das. Nun also wird die Werft versteigert. Wer den Erlös bekommt, ist noch unklar. Der Verkehrswert beträgt 26 Millionen Euro. Interesse am Erwerb haben unter anderem die Stadt Hamburg, Airbus und die Laeisz-Reedereigruppe. Und wer weiß, vielleicht mischt auch noch ein chinesisches Unternehmen mit. Es könnte also zu einem Wettbieten um das begehrte Industriegrundstück mit Wasseranbindung kommen. 

Am Freitag öffnet in Wiesbaden die „InterWhisky“ 2025“ ihre Pforten. Auf der Whisky-Messe präsentieren mehr als 70 Destillerien und Marken aus aller Welt ihre Neuheiten, Raritäten und Klassiker. Erwartet werden mehr als 10.000 Besucher. Na, dann mal Prost.

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