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Der grüne Rückzug

Der TiAM FundResearch Wochenrück- und -ausblick.
Kolumne

TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Wie sich Fondsgesellschaften leise, still und heimlich vom Thema Nachhaltigkeit verabschieden.

30.06.2025 | 07:15 Uhr von «Matthias von Arnim»

Rückblick auf die vergangene Wochen

Nachhaltigkeit, ESG, SDG, Klimaziele – war da mal was? Das große Versprechen der Finanzwelt, durch ökologisch und gesellschaftlich bewusstes Investieren dazu beizutragen, dass unsere Welt eine bessere wird, bröckelt – und zwar in einem Ausmaß, das zunehmend irritiert. Für viele Fondsgesellschaften, die sich nach außen hin gern als ESG-Vorkämpfer geben, ist der Begriff Nachhaltigkeit mittlerweile zu einem Problemfeld mutiert, aus dem viele sich gerne lieber heute als morgen verabschieden würden. Dass es so weit kommen konnte, mehr hat mehrere Gründe.

Da ist zum einen die komplexe Regulierung. Wer nachhaltige Finanzprodukte anbietet, muss je nach angestrebter Klassifizierung eine Reihe von Auflagen erfüllen, die sich zum Teil widersprechen. Das kostet Geld und Zeit. Diese beiden Faktoren sind auch für viele Anlageberater und Vermögensverwalter ein Problem. Diese sind zwar angehalten, ihre Kunden zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen. Doch es ist für sie praktikabler und preiswerter, ihre Kunden dazu zu bewegen, keine besonderen Präferenzen anzugeben. So können sie freier aus allen angebotenen Produkten wählen. Zudem sparen sie sich die Kosten für teure Lizenzen, die bei den führenden Nachhaltigkeits-Rankingagenturen fällig werden. Positiv bleibt: Nachhaltiges Investieren ist damit nicht ausgeschlossen. Nachteiliger Effekt: Die Regulierung wird in der Praxis damit ausgehebelt.

Ein zweites Problem, das die Regulierer seit Jahren vergeblich in den Griff bekommen wollen, ist das Greenwashing. Die EU hat im Zuge der Greenwashing-Debatte zwar neue Leitlinien eingeführt, die unter anderem vorsehen, dass Fonds nur dann als nachhaltig bezeichnet werden dürfen, wenn sie strenge Kriterien erfüllen. Das betrifft vor allem Fondsnamen: Wer nicht hält, was der Titel verspricht, muss umbenennen – mit erheblichen Auswirkungen auf Marketing und Vertrieb. Doch erstens fallen viele Fonds überhaupt nicht unter die Richtlinie oder die Fondsgesellschaften tricksen die Richtlinie mit ihren Produkten geschickt aus. Ein erheblicher Teil der Anlegergelder fließt immer noch in ESG-Fonds (Environment, Social, Governance), die angeblich auf Nachhaltigkeit setzen, aber nach wie in erheblichem Umfang in Unternehmen investieren, die mit fossilen Brennstoffen ihr Geld verdienen. Laut einer Analyse von InfluenceMap investieren über 70 Prozent der sogenannten nachhaltigen Fonds in Öl- und Gaskonzerne – und das teilweise mit einem ähnlich hohen Anteil wie klassische Fonds ohne ESG-Label. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Portfoliozusammensetzung bleibt zum Teil frappierend – und wirft die Frage auf, wie belastbar ESG-Kriterien in der Praxis tatsächlich noch sind.

Zuletzt ist ein weiterer Faktor hinzugekommen, der die Abkehr von grünen Investments dramatisch beschleunigt. Vor allem in den USA wuchs bereits während der vergangenen Legislaturperiode der Druck konservativer Politiker, ESG-Strategien als ideologisch motiviert und wirtschaftlich schädlich darzustellen. Ein symbolträchtiger Wendepunkt war der Ausstieg mehrerer großer Vermögensverwalter, unter anderem Vanguard und Invesco, aus der „Net Zero Asset Managers Initiative“ (NZAMI) im Jahr 2023. Die Initiative hatte sich zum Ziel gesetzt, die Portfolios ihrer Mitglieder bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Seit der letzten Präsidentschaftswahl hat die US-Regierung unter Donald Trump dem ESG-Investing nun offen den Kampf angesagt – und das mit Erfolg. Nachdem auch Blackrock, einst Vorreiter in der ESG-Kommunikation, aus NZAMI ausgetreten ist, hat das Klimabündnis seine Arbeit gestoppt.

Auch andere Fondsgesellschaften rudern zurück und passen sich dem politischen Umfeld in den USA an. HSBC, Amundi und DWS haben begonnen, ESG-Kriterien neu zu bewerten oder herunterzufahren. Auf der letzten DWS-Hauptversammlung Mitte Juni erklärte Vorstand Stefan Hoops, dass die klimapolitischen und regulatorischen Vorgaben der US-Administration für Unternehmen, in die die DWS investiert, zunehmend rechtliche Implikationen und Risiken bedeuteten. Die DWS zöge daraus ihre Konsequenzen: „Angesichts der Dynamik der politischen und regulatorischen Veränderungen werden wir unsere nachhaltigkeitsbezogenen Prozesse und Aktivitäten kontinuierlich weiterentwickeln und an neue Rahmenbedingungen anpassen.“ Mit anderen Worten: Das Thema ESG spielt für die DWS zumindest im US-Vertrieb nun keine Rolle mehr.

Die DWS folgt damit einem Trend, der zunehmend an Fahrt aufnimmt. Der Rückzug aus nachhaltigen Investments ist deutlich messbar. Das zeigen die jüngsten Marktzahlen. Im ersten Quartal 2025 wurden weltweit netto rund 8,6 Milliarden US-Dollar aus ESG-Fonds abgezogen. Das ist der stärkste Abfluss, der je in einem Quartal verzeichnet wurde. Besonders in den USA war der Rückgang drastisch: Dort zogen Investoren allein im ersten Quartal 6,1 Milliarden US-Dollar aus nachhaltigen Fonds ab. Auch Europa, lange als Vorreiter im ESG-Bereich betrachtet, verzeichnete erstmals seit Beginn der Statistik im Jahr 2018 Nettoabflüsse – rund 1,2 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Im ersten Quartal 2024 war ESG zumindest noch leicht im Plus, mit globalen Neuinvestitionen von etwa 900 Millionen US-Dollar. Innerhalb eines Jahres hat sich der Trend also nicht nur gedreht, sondern ins Gegenteil verkehrt – mit einem Einbruch von rund 9,5 Milliarden US-Dollar.

Die Entwicklung ist enttäuschend. Zumal aktuelle Studien zeigen, dass das Thema Nachhaltigkeit zumindest für viele Anleger in Deutschland keineswegs an Bedeutung verloren hat. Laut einer Umfrage der Deutschen Börse vom Frühjahr 2025 halten 67 Prozent der Privatanleger nachhaltige Geldanlage weiterhin für „wichtig oder sehr wichtig“. Besonders in der jungen Generation bleibt der Wunsch nach verantwortungsvollem Investieren ungebrochen. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine immer größere Lücke. Während Anleger nachhaltige Optionen fordern, schrecken viele Anbieter vor den regulatorischen und politischen Hürden zurück. Die Folge: ESG wird leiser, zurückhaltender und in manchen Fällen ganz fallengelassen. Es ist ein gefährlicher Trend – nicht zuletzt für die Glaubwürdigkeit des Finanzmarkts. Und für den Planeten sowieso.

Interessante Termine in den kommenden Tagen

Am Dienstag besucht Nordrheinwestfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst in Weeze das neue F35-Kampfjet-Werk von Rheinmetall. Auf rund 60.000 Quadratmetern errichtet das Rüstungs-Unternehmen eine Fabrik für den militärischen Flugzeugbau. Dort werden ab Sommer Rumpfmittelteile für den F-35-Kampfjet gefertigt. Mehr als 400 Arbeitsplätze sollen entstehen.

Am Mittwoch hat die Taxi-Branche zum bundesweiten Protesttag aufgerufen. Die Taxifahrer fordern die Kommunen auf, ebenso wie die Tarife für Taxi-Gewerbe auch Mindestentgelte für Plattform-Mietwagen wie Uber und Bolt festzulegen. Demonstrationen und Autokorsos sind in Frankfurt, Stuttgart, Mainz, Darmstadt, Dortmund, Bochum, Duisburg, Düsseldorf, Köln, Hannover und Berlin geplant. Wer am Mittwoch einen Termin in diesen Städten hat und ein Taxi benötigt, sollte das im Hinterkopf haben.

Am Donnerstag wird in Bremen das Projekt „Best Practice E-Mobilität im Schwerlastverkehr“ vorgestellt. Im Rahmen des KsNI-Förderprogramm des Bundes wird ein E-LKW-Projekt vorgestellt, bei dem elektrisch betriebene Lastwagen auch mit selbst erzeugtem Strom betrieben werden, zum Beispiel mithilfe integrierter Photovoltaikanlagen auf dem Dach oder auch durch Rekuperation beim Bremsen. Ziel ist eine nachhaltige Logistik. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) und Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) nehmen teil.

Am Freitag findet in Genf eine UN-Konferenz über digitale Kooperation statt. Eingeladen sind Minister, Regulierungsbehörden, Industrievertreter und UN-Organisationen, um sich unter anderem mit der digitalen Kluft zwischen arm und reich und KI-Regulierungen zu befassen und um Strategien zur Maximierung des sozialen und wirtschaftlichen Nutzens digitaler Technologien zu diskutieren.

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