Pictet AM: Bessere Möglichkeiten, die Welt zu ernähren

Die Ernährungssicherheit ist infolge der Ukraine-Krise zu einem noch akuteren globalen Problem geworden. Investoren können einen Beitrag zur Entwicklung von Lösungen – vom Erzeuger bis zum Verbraucher – leisten.

14.06.2022 | 07:20 Uhr

Steigende Nahrungsmittelpreise und Versorgungsprobleme – verschärft durch Russlands Invasion in die Ukraine – haben ein ohnehin schon grosses globales Problem ins Rampenlicht gerückt: Ernährungssicherheit.

Es wird davon ausgegangen, dass die Nachfrage nach Nahrungsmitteln bis 2050 um 60 Prozent steigen wird.1 Das Angebot wird jedoch angesichts der schrumpfenden Ackerland- und Wasserressourcen und der Tatsache, dass selbst auf dem heutigen Nachfrageniveau etwa zwei Milliarden Menschen unter Mangelernährung leiden, kaum mithalten können.

Es wird geschätzt, dass der Krieg – der zu einem Mangel an Getreide und Düngemitteln geführt und die ohnehin schon hohe Inflation nach oben getrieben hat – die Ernährungssicherheit um 10 Jahre zurückwerfen wird. Immer mehr Menschen in Südasien und Afrika werden wahrscheinlich mehr als 20 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben, was die durch die Covid-19-Pandemie verursachten Probleme noch verschärft.

Das sind enorme, komplexe soziale und ökologische Herausforderungen, für die es kein Patentrezept gibt. Für deren Bewältigung ist eine Vielzahl von Lösungen in der gesamten Lebensmittel-Wertschöpfungskette nötig. Die Krise sollte jedoch das Bewusstsein schärfen und sowohl die Entwicklung von Alternativen zu Getreide und weniger effizienten tierischen Proteinen als auch eine effiziente Nahrungsmittelproduktion sowie kürzere und sicherere Lieferketten beschleunigen. Das wiederum stellt eine Chance für innovative Unternehmen und für Investoren dar, die sich gemeinsam für die Verbesserung der Nachhaltigkeit, Zugänglichkeit und Qualität der Nahrungsmittel, die wir für Gesundheit und Wachstum benötigen, engagieren können.

Abb. 1 – Lebensmittelkosten: Prozentsatz der Ausgaben der Verbraucher für Nahrungsmittel, ausgewählte Länder

Comsumer expenditure on food_DE

Quelle: United States Department of Agriculture (USDA) Economic Research Service, Our World In Data. Daten beziehen sich auf den Zeitraum 2015–2016.

Eine vielversprechende Lösung ist AgTech – Technologie, die es ermöglicht, die Ernteerträge mit weniger Ressourcen zu verbessern. Angesichts der aktuellen Versorgungsprobleme (Russland und die Ukraine machen zusammen etwa 20 Prozent der weltweiten Exporte von Stickstoffdünger und 30 Prozent von Kali aus) dürfte sich das Augenmerk verstärkt auf die Landwirtschaft und die Reduzierung der Abhängigkeit von Düngemitteln richten. Dies kann durch vertikale Landwirtschaft und Präzisionslandwirtschaft erreicht werden, die beide zusätzlich den Vorteil haben, dass sie umweltfreundlicher sind.

Infolge der Getreideknappheit kann die Viehhaltung effizienter gestaltet werden, indem bessere diagnostische und präventive Massnahmen für die Tiergesundheit ergriffen werden, z.B. Vitamine, Eubiotika (die die Darmgesundheit fördern), Enzyme und Impfstoffe, die die Futteraufnahme und den Ertrag verbessern.

Eine weitere Möglichkeit, Engpässe zu beseitigen, besteht darin, das Beste aus dem zu machen, was wir bereits haben. Hier geht es vor allem um die Reduzierung von Abfall – ein Drittel aller weltweit erzeugten Lebensmittel wird nicht verzehrt, sondern weggeworfen, das sind rund 1,3 Milliarden Tonnen pro Jahr.2 Um den Abfallberg abzubauen, bedarf es besserer Logistik, besserer Verteilnetze und besserer Lebensmittelsicherheit. All das kann durch Technologie verbessert werden. Zu den vielversprechenden Innovationen gehören aseptische Verpackungen, bei denen Lebensmittel vor dem Verpacken bei hohen Temperaturen sterilisiert werden, wodurch die Haltbarkeit ohne chemische Mittel oder Kühlung verlängert wird. Ein weiterer Ansatz, der als natürlicher Bioschutz bezeichnet wird, basiert auf traditionellen Fermentationsprinzipien und verwendet speziell entwickelte Lebensmittelkulturen, um Joghurt und Käse länger haltbar zu machen.

Lebensmittel, die eigentlich auf der Deponie landen sollten, werden zunehmend für andere Zwecke wiederverwendet, sei es durch die Umwandlung von überschüssigem Öl und tierischem Fett in Tierfutter oder Biokraftstoffe oder (in geringerem Umfang) durch die Verwendung von Molke aus der Käseherstellung für die Herstellung von Verpackung für mehr Lebensmittel.

Dann ist da noch die Produktion von Lebensmitteln. Ein akutes Problem für Lebensmittelhersteller ist, wie sie Lebensmittel nährstoffreicher, bezahlbarer und idealerweise auch nachhaltiger machen können. Lebensmittelunternehmen entwickeln im Labor gezüchtetes Fleisch, forschen nach pflanzlichen Alternativen zu Milch (wie Hafer oder Kartoffeln) und sind bestrebt, die Bezahlbarkeit zu verbessern. Zudem gibt es eine starke Nachfrage nach natürlichen Zutaten, die im Gegensatz zu synthetischen weniger stark erdölbasiert sind.

Eine weitere Lösung ist die verstärkte lokale Produktion von Lebensmitteln, die viele Vorteile bietet, z.B. eine zuverlässigere Versorgung, weniger Abfall, geringere CO2-Belastung und bessere Rückverfolgbarkeit. Durch lokal produzierte Lebensmittel werden ausserdem die immer knapper werdenden Ressourcen, wie Süsswasser und Ackerland, entlastet. Vertikale Indoor-Farmen entwickeln sich ebenfalls rasant weiter und haben das Potenzial, hochwertige lokale Nahrung dort bereitzustellen, wo wenig Platz ist oder schwierige Klimabedingungen herrschen. Diese Betriebe sind stark am Investieren. Das Vertical-Farming-Unternehmen Kalera zum Beispiel wird dieses Jahr in Singapur eine neue Megafarm bauen, in der jährlich rund 500.000 kg Blattgemüse angebaut werden sollen. Der Inselstaat hat es sich um Ziel gesetzt, bis 2030 30% seines Nahrungsbedarfs selbst zu decken (bislang sind es rund 10%).

Traditionelle Erzeuger machen sich ebenfalls die neuesten wissenschaftlichen Fortschritte zunutze, die ihnen die Möglichkeit geben, Wasser und Düngemittel genau dort aufzubringen, wo sie benötigt werden. Das führt zu einer Reduzierung des Süsswasser- und Düngemittelverbrauchs um bis zu 80 Prozent. Mit solchen Techniken lassen sich auch die Erträge verbessern, knappe Ressourcen schonen und die Stickoxidemissionen reduzieren.

Auch die Lebensmittellogistik wird neu konzipiert.

Es besteht auch eine zunehmende Nachfrage nach Lebensmitteln, die direkt an die Konsumenten verkauft werden (z.B. Lebensmittelboxen direkt vom Erzeuger). Jedes moderne Modell für Nahrungsmittelerzeugung und -logistik, mit dem sich die komplexen globalen Lieferketten verkürzen und die Risiken von Logistikproblemen, Verderb und Kontamination reduzieren lassen, ist willkommen.

Zum ersten Mal überhaupt sehen wir ein Szenario, in dem Regierungen wie Verbraucher ihren Fokus auf die Entwicklung hochwertigerer, nachhaltigerer Lebensmittel und landwirtschaftlicher Methoden richten. In einer solchen Zukunft nutzen Unternehmen, die in der Lebensmittel-Wertschöpfungskette angesiedelt sind, die ihnen bereits zur Verfügung stehende Technologie, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.

Die Pictet Nutrition Strategie verfolgt einen langfristigen Bottom-up-Ansatz, um Unternehmen zu identifizieren und in sie zu investieren, die für den Aufbau eines nachhaltigen Ernährungssystems von entscheidender Bedeutung sind.


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