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„Mit ETFs sind kaum noch hohe Renditen möglich“

Richard Halle managt den M&G (Lux) European Strategic Value Fund.
Interview

Die Märkte werden volatiler. Die großen Tech-Highflyer scheinen ihre beste Zeit hinter sich zu haben. Viele Unternehmen wie Alphabet haben die Märkte gerade mit schlechten Zahlen geschockt. Aktives Management und Value-Aktien rücken daher wieder in den Fokus. TiAM FundResearch sprach mit Richard Halle, Manager des M&G (Lux) European Strategic Value Fund, über die Attraktivität von europäischen Value-Aktien und warum man jetzt einsteigen sollte.

06.03.2025 | 09:00 Uhr von «Jörn Kränicke»

TiAM FundResearch: Herr Halle, wird der neue US-Präsident Donald Trump mit seiner „America First“-Politik, wie von vielen behauptet, zu einem Problem für die europäische Wirtschaft?

Richard Halle: Donald Trumps Handeln bleibt bis zu einem gewissen Grad unvorhersehbar. Ich habe seine Pläne für die zweite Amtszeit – „Project 2025“ – gelesen. Dort gibt es Kapitel, die sehr freihandelsfreundlich sind, aber auch solche, die ausgesprochen kritisch gegenüber China sind. Das bedeutet, es könnten durchaus Situationen entstehen, in denen seine Politik Europa sogar zugutekommt. Wir müssen schlicht abwarten. Ich denke jedoch zweifellos, dass Europa sich derzeit in einer Phase intensiver Selbstreflexion befindet, und diese Präsidentschaft wird diesen Prozess noch verstärken. Das ist an sich keine schlechte Sache.

TiAM FundResearch: Die Rahmenbedingungen haben sich weltweit verändert. Viele Value-Manager haben in den vergangenen Jahren ihre Strategien angepasst und investieren verstärkt in Technologieaktien. Haben Sie die Strategie des M&G (Lux) European Strategic Value Fund ebenfalls angepasst?

Richard Halle: Mein Stil hat sich nie geändert. Ich bin da recht stur. Im Grunde managen wir die Fonds seit ihrer Auflage mit demselben Ansatz. Die zugrunde liegende Philosophie basiert auf der Überzeugung, dass die meisten anderen Investoren zu sehr von kurzfristigen Entwicklungen und Drucksituationen beeinflusst werden, wodurch ihr Zeithorizont eingeschränkt ist. Wir hingegen – auch wenn es banal klingt – denken wirklich langfristig. Viele sagen das zwar, aber ich glaube nicht, dass es viele tatsächlich tun.

TiAM FundResearch: Haben Sie vor, in Zukunft Änderungen vorzunehmen?

Richard Halle: Nein, dieser grundlegende Ansatz ist in den letzten 17 Jahren sogar noch stärker geworden. Der zunehmende Zugang zu Informationen, der vermehrte Einsatz von KI und der wachsende Einfluss von Hedgefonds haben die Märkte noch kurzfristiger und momentumgetriebener gemacht, als damals, als wir den Fonds aufgelegt haben. Deshalb ist unser Investment-Stil heute relevanter denn je. M&G hat uns auch während der Phase, in der der Value-Stil unpopulär war, darin bestärkt, unserer Strategie treu zu bleiben. Das war extrem wichtig. Zudem hat der Fonds in dieser Zeit gute Renditen erzielt, was einer der stärksten Faktoren ist, um nicht die Startegie zu ändern.

TiAM FundResearch: Glauben Sie, dass europäische Value-Aktien insgesamt unterbewertet sind? Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei etwa zehn oder darunter.

Richard Halle: Ja, genau, es liegt knapp unter zehn. Der europäische Markt ist derzeit in vielerlei Hinsicht interessant. Wir könnten stundenlang darüber diskutieren, ob er günstig oder teuer ist, aber insgesamt sieht er vernünftig bewertet aus. Als europäischer Value-Manager kann man derzeit Portfolios mit einem erheblichen Abschlag zum Markt konstruieren. Unser Fonds hat aktuell ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 9,2 – das ist der größte Abschlag in unserer 17-jährigen Geschichte. Der Grund dafür ist, dass es im Markt zwei sehr unterschiedliche Segmente gibt: Zum einen den teuren Markt mit hochqualitativen, profitablen Unternehmen, die global agieren, und zum anderen den günstigeren Markt, in dem nur wenige Investoren aktiv sind.

TiAM FundResearch: Günstige Aktien sind jedoch nicht automatisch gute Aktien. Ein gutes Beispiel ist dafür etwa die Autoindustrie.

Richard Halle: Im Value-Investing schätzen wir zyklische Veränderungen, aber es ist entscheidend, zwischen strukturellen und zyklischen Veränderungen zu unterscheiden. Im Moment ist schwer zu sagen, welcher Anteil in der Autoindustrie zyklisch und welcher strukturell bedingt ist. Wir haben kürzlich eine kleine Position in BMW aufgebaut, aber insgesamt ist unser Engagement in Automobilaktien gering. Wir versuchen weiterhin, die Auswirkungen der Herausforderungen in dieser Branche zu verstehen.

TiAM FundResearch: In welchen Sektoren sehen Sie aktuell Chancen?

Richard Halle: Ein Bereich, in dem wir uns derzeit stärker positionieren, ist der Bankensektor. Es gibt einige Banken, bei denen das Risiko im Verhältnis zu den potenziellen Renditen beeindruckend niedrig ist. Viele Investoren haben noch nicht erkannt, wie stark sich Banken im Vergleich zu früher verändert haben. Über Jahre hinweg waren wir in Banken untergewichtet, da die Branche mit strukturellen Problemen kämpfte. Aber wir sind überzeugt, dass diese Probleme inzwischen überwunden sind. Die Banken sind heute besser aufgestellt, ihre Bilanzen und Kapitalstrukturen haben sich deutlich verbessert. Wir wären überrascht, wenn wir jemals wieder in eine Nullzinsumgebung zurückkehren würden. Auch die regulatorischen Belastungen scheinen ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Zudem sind viele Banken sehr günstig bewertet.

TiAM FundResearch: Welche Banken haben Sie gekauft?

Richard Halle: 2024 haben wir erstmals seit über einem Jahrzehnt – möglicherweise sogar überhaupt zum ersten Mal – eine Position in der Commerzbank aufgebaut. Diese halten wir weiterhin. Viele europäische Banken werden immer noch nur mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von sechs oder sieben bewertet. Das sind aus unserer Sicht sehr attraktive Unternehmen.

TiAM FundResearch: Glauben Sie, dass UniCredit die Commerzbank übernehmen wird?

Richard Halle: Wir spekulieren nicht auf solche Szenarien. Wir halten Aktien nicht in der Erwartung einer Übernahme. Wir sind der Meinung, dass die Commerzbank auch eigenständig erfolgreich sein kann. Sollte es jedoch zu einer Übernahme durch UniCredit kommen, würde der Aktienkurs vermutlich eine Prämie erhalten. Für uns ist das in erster Linie eine politische Frage, und ich habe diesbezüglich keine tieferen Einblicke als andere.

TiAM FundResearch: Gibt es weitere Branchen, die Sie für interessant halten?

Richard Halle: Ein weiterer Bereich, in dem wir stärker investiert sind, ist der Versorgungssektor. Früher hatten wir kaum Positionen in diesem Bereich. Der Markt war begeistert von Erträgen aus erneuerbaren Energien, die wir jedoch skeptisch sahen. Jetzt haben wir zum ersten Mal seit vielen Jahren Aktien wie RWE gekauft. Deutschland hatte in den letzten 15 Jahren keine optimale Energiepolitik. Doch wir glauben, dass RWE in der Lage ist, das Beste aus einer schwierigen Situation zu machen.

TiAM FundResearch: Viele Investoren setzen kaum auf Value-Aktien. Wird sich das wieder ändern?

Richard Halle: In den USA mag das zutreffen, aber in Europa haben sich Value-Aktien seit der Entwicklung des Corona-Impfstoffs 2020 gut entwickelt. 2022 waren sie erfolgreich, und auch 2024 lagen sie vor Wachstumsaktien. Dennoch scheinen viele Investoren das nicht wahrzunehmen. Fondszuflüsse fließen weiterhin in Growth-Fonds. Solche Wahrnehmungen ändern sich langsam. Was die Bewertung betrifft, gibt es derzeit eine große Kluft zwischen Value- und Wachstumsaktien. Wenn wir uns unseren Fonds ansehen, liegt die aggregierte Bewertung bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von neun, während einige große Wachstumsfonds bei 27 notieren. Damit diese Wachstumsunternehmen ihre Bewertungen rechtfertigen können, müssten sie außergewöhnlich gute Ergebnisse erzielen. Gleichzeitig müssten unsere Unternehmen extrem schlecht abschneiden, damit wir am Ende nicht die Nase vorn haben.

TiAM FundResearch: Wie sehen Sie die Auswirkungen von KI auf verschiedene Branchen?

Richard Halle: KI wird ein entscheidender Treiber für Produktivitätssteigerungen sein. In vielen Branchen wird sie Effizienzgewinne fördern – und das gilt auch für Unternehmen aus dem Value-Segment. Banken können von KI besonders profitieren, da sie in der Lage ist, die Produktivität in diesem Sektor erheblich zu verbessern. Gleichzeitig wird der Ausbau von Rechenzentren den Energiebedarf stark ansteigen lassen, was wiederum Versorgungsunternehmen zugutekommt. In Europa wird sich der Fokus angesichts der demografischen Herausforderungen noch stärker auf Produktivitätssteigerungen richten.

TiAM FundResearch: Nutzen Sie KI in Ihrer täglichen Arbeit, zum Beispiel zur Bilanz-Analyse oder ähnlichem?

Richard Halle: Ja, wir setzen bereits einige KI-Tools ein und werden das künftig sicher noch ausbauen. Es gibt Unternehmen, die hervorragend darin sind, Daten schnell zu beschaffen und auszuwerten. Allerdings trägt diese Entwicklung auch dazu bei, dass der Markt immer stärker von Momentum getrieben wird. Viele Marktteilnehmer handeln in der Annahme, bessere Informationen als andere zu besitzen. Persönlich habe ich mir einige KI-Tools angesehen, die Managementkonferenzen oder Quartalsergebnisse zusammenfassen. Dennoch schätze ich es, die Originaldokumente selbst zu lesen und gründlich zu analysieren. Meiner Meinung nach ist KI in diesem Bereich noch nicht in der Lage, die Qualität einer eigenständigen Analyse zu übertreffen.

TiAM FundResearch: Wie wichtig ist es für Sie, das Management eines Unternehmens zu treffen oder dessen Fabriken zu besuchen, wenn Sie eine Aktie analysieren?

Richard Halle: Ich unterscheide mich hier von vielen anderen Fondsmanagern, die Management-Meetings als zentralen Bestandteil ihres Prozesses ansehen. Aus meiner Sicht ist das Management jedoch oft die subjektivste Informationsquelle eines Unternehmens. Wir ziehen es vor, unsere Informationen aus anderen Quellen zu gewinnen, insbesondere durch die Analyse von Bilanzen. Es gibt jedoch Situationen, in denen ein Treffen mit dem Management sinnvoll ist, und wir entscheiden das im Einzelfall. Zu Beginn meiner Karriere habe ich viele Unternehmen besucht, um die Abläufe besser zu verstehen. Heute übernimmt das vor allem ein Kollege in meinem Team. Er war zum Beispiel am Polarkreis, um die Northvolt-Anlage zu besichtigen, und hat eine Zementfabrik besucht, die daran arbeitet, die Zementproduktion stark zu dekarbonisieren. Auch unsere Analysten sind häufig unterwegs, um Informationen vor Ort zu sammeln.

TiAM FundResearch: Wo sehen Sie aktuell die größten Risiken – sei es politisch oder anderweitig?

Richard Halle: Wir leben in einer sehr instabilen Welt, was zu unserem Konzept eines Regimewechsels passt. Früher gab es langfristige, positive Trends: Die Globalisierung verlief stetig voran, Inflation war kein Thema, und Zentralbanken konnten unbegrenzt Geld drucken, ohne große Auswirkungen. Heute haben sich diese Gegebenheiten verändert. Wir rechnen mit weiteren Schocks. Die wirtschaftliche Lage ist angespannt, vor allem wegen der hohen Staatsverschuldung. Hinzu kommen geopolitische Spannungen, die sich verschärfen, wenn Regierungen nicht mehr genügend finanzielle Mittel haben. Welche Schocks konkret eintreten werden, ist natürlich schwer vorherzusagen. Potenzielle Risiken liegen beispielsweise in der US-Zollpolitik, den Budgetproblemen Frankreichs oder möglichen Krisen im Private-Equity-Bereich.

TiAM FundResearch: Wo sehen Sie das Problem der Private-Equity-Branche?

Richard Halle: Viele Unternehmen im Private-Equity-Sektor haben während der Niedrigzinsphase hohe variabel verzinsliche Schulden aufgenommen. Dieses Problem ist noch nicht vollständig gelöst. Interessant ist, wie schnell sich Dynamiken verändern könnten – etwa durch das Ende des Ukraine-Russland-Kriegs. Ein solches Ereignis könnte Deutschlands hohe Energiepreise plötzlich deutlich senken, was der deutschen Wirtschaft massiv zugutekäme. Solche Entwicklungen verdeutlichen, wie wichtig es ist, ein breit diversifiziertes Portfolio zu haben. Genau das versuchen wir mit unserem Fonds zu erreichen.

TiAM FundResearch: Was bedeutet diese Instabilität für Value-Investoren?

Richard Halle: In dieser Art von Welt ergeben sich für Value-Investoren mehr Chancen als in der stabilen „alten Welt“. Damals liefen stets dieselben Aktien gut, während andere dauerhaft zurückblieben. Im Jahr 2019 haben wir beispielsweise lediglich drei neue Aktien gekauft, weil sich wenig verändert hat. In der aktuellen, von Volatilität geprägten Marktlandschaft könnten wir in diesem Jahr jedoch 15 oder sogar 20 neue Positionen aufnehmen. Diese Schwankungen und das Ringen des Marktes um die richtige Bewertung schaffen Chancen für konträre Investoren wie uns.

TiAM FundResearch: Wird aktives Management in den nächsten Jahren besser positioniert sein als ETFs, da die Märkte volatiler werden und nicht einfach nur linear steigen?

Richard Halle: Absolut. Aktives Management hatte eine sehr schwierige Zeit, vor allem wegen einiger weniger großer US-Unternehmen, die den Markt dominiert haben. Das machte passives Investieren äußerst attraktiv. Ein aktueller Bericht von Goldman Sachs prognostiziert für den S&P 500 in den nächsten zehn Jahren nur eine Rendite von drei Prozent pro Jahr. Um mit einem ETF auf den S&P 500 gute Renditen zu erzielen, müsste wirklich vieles perfekt laufen. In Europa hingegen sehen wir für aktives Management weiterhin gute Chancen. Die Bewertungslücke innerhalb Europas bietet zahlreiche Möglichkeiten zur Outperformance. Passives Investieren wird hier nicht unbedingt schlecht abschneiden, aber es maximiert nicht die Renditechancen. Außerdem hat passives Investieren Auswirkungen auf die Liquidität und die Gesundheit der Kapitalmärkte.

TiAM FundResearch: Erwarten Sie also mehr als die prognostizierten drei Prozent Rendite für den S&P 500 bei europäischen Value-Aktien?

Richard Halle: Ja, wir sind zuversichtlich, dass europäische Value-Aktien mehr Rendite erzielen werden. Niemand weiß, wie die Welt in fünf Jahren aussehen wird, aber mit einem Fonds, der zum Neunfachen des Gewinns bewertet ist, hat man eine gute Grundlage für solide Renditen. Das ist zumindest unser Standpunkt.

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