Mehrere Faktoren erklären den aktuellen Rückgang des Dollars. Trotz eines sehr starken Konjunkturaufschwungs in den Vereinigten Staaten könnte der US-Dollar nach mehreren Jahren des Anstiegs tendenziell weiter zurückgehen.
24.06.2021 | 07:34 Uhr
Das meint Kevin Thozet, Mitglied des Investment Committee von Carmignac.
Seit mehreren Wochen geht der US-Dollar gegenüber anderen Währungen zurück, und dies trotz des überaus starken Konjunkturaufschwungs in den Vereinigten Staaten. Ist das nicht paradox?
Kevin
Thozet: Ja,
normalerweise geht ein starkes Wirtschaftswachstum eines Landes im Vergleich
zur restlichen Welt mit einem Erstarken seiner Währung einher. Trotzdem hat der
Dollar in wenigen Wochen trotz guter Wirtschaftsdaten in den USA wieder
verloren, was er im ersten Quartal an Boden gewonnen hat. Dasselbe ist an der
US-Börse zu beobachten, wo sich der Anstieg der Aktien beruhigt hat. Diese
paradoxe Entwicklung sollte uns dennoch nicht überraschen.
Wieso?
K.T.: In den Vereinigten Staaten scheinen mehrere
Wirtschaftsstatistiken – mit Ausnahme der des Arbeitsmarkts – und die
Ergebnisprognosen der Unternehmen den starken Anstieg des US-Wachstums zu
bestätigen. Zudem will die US-Regierung 6 Billionen US-Dollar zur Stützung der
Wirtschaft im Jahr 2022 ausgeben. Dies legt nahe, dass das Wachstum in den USA
über dieses Jahr hinaus stark bleiben dürfte. Aber gerade diese Ausgaben der
öffentlichen Hand - die nicht unbedingt produktiv sind - und die zur
Finanzierung erforderliche Verschuldung werden Rekordhöhen erreichen. Dies ist
ein erster Grund zur Sorge, auch wenn nicht sicher ist, dass der US-Kongress
dem Konjunkturplan von Präsident Joe Biden letztlich zustimmt.
Sie erwähnen den Arbeitsmarkt als Ausnahme. Gibt dieser ebenfalls Grund zur Sorge?
K.T.: Nach den jüngsten veröffentlichten Zahlen,
die weniger gut als erwartet ausfielen, könnte auch der Arbeitsmarkt einige
Befürchtungen bei bestimmten Anlegern verstärken. Die außergewöhnlichen
Stützungsmaßnahmen scheinen gegenwärtig einige Menschen entmutigt zu haben,
wieder eine Arbeit aufzunehmen. Diese Situation könnte zu Lohnsteigerungen
führen, um mehr Arbeitskräfte anzuziehen, ohne dass dies jedoch für eine
robustere Wirtschaft steht.
Erklären diese verschiedenen Faktoren also den aktuellen Rückgang des Dollars?
K.T.: Für die Schwäche des Dollars gibt es noch
weitere Gründe. Es gibt mehrere Faktoren, die dem Anstieg des Dollars in den
letzten Jahren gegenüber anderen Währungen ein Ende setzen könnten. Es könnte
eine neue Ära anbrechen, die von einem Dollar geprägt ist, der viel schwächer
ist als bislang, auch wenn es zu kurzfristigen sprunghaften Anstiegen kommen
kann.
Welche Faktoren sind dies?
K.T.: Zunächst ist hier das globale wirtschaftliche Umfeld zu nennen, dass alles andere als homogen ist. Die verschiedenen Regionen der Welt lassen die COVID-19-Krise nicht mit derselben Wachstumsdynamik hinter sich. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die verschiedenen Länder mit der Pandemie unterschiedlich umgegangen sind und auch unterschiedliche Maßnahmen ergriffen haben, um den wirtschaftlichen Folgen dieser Krise zu begegnen. Daher ziehen einige Länder - und damit auch ihre Währung - mehr Anleger an als andere.
Trotz eines starken Konjunkturaufschwungs in den Vereinigten Staaten gibt es einige Länder, die eine größere Anziehungskraft für die Anleger haben?
K.T.: Genau. So zum Beispiel Europa, das dank
einer starken politischen Zusammenarbeit an Attraktivität gewonnen hat. Mit
einem Potenzial an Unternehmen, die besonders sensibel auf den Aufschwung in
den Sektoren Konsumgüter, Tourismus, Finanzen oder auch Rohstoffe reagieren,
bietet auch Europa Anlagechancen. Darüber hinaus haben sich die europäischen
Aktien in jüngster Zeit besser als die US-Aktien entwickelt, und dies trotz
eines Anstiegs des Euros. Dies hat es schon lange nicht mehr gegeben und das
Phänomen könnte sich fortsetzen. Umso mehr, als die europäischen Unternehmen
von einer relativ guten Wachstumsdynamik profitieren könnten, während der
Aufschwung in der Region noch am Anfang steht.
Sind noch andere geographischen Zonen interessanter als die Vereinigten Staaten?
K.T.: Ja, dies sind die rohstoffexportierenden
Länder. Wenn die Rohstoffpreise angesichts des weltweiten Konjunkturaufschwungs
wieder auf dem Niveau von vor fünf Jahren sind, verzeichnen die Währungen der
Länder, die diese für den Aufschwung so nützlichen Rohstoffe exportieren,
dagegen einen Stillstand. Und anders als vor einigen Jahren haben diese Länder
an Glaubwürdigkeit gewonnen. Solide Fundamentaldaten und eine disziplinierte
Wirtschaftspolitik dürften ihren Währungen zugutekommen. Wir haben übrigens
selektiv in diese Währungen investiert.
Wie steht es mit Asien?
K.T.: China hat die Pandemie weit besser
gemeistert als die USA. Das Land bietet außerdem langfristige Perspektiven. Es
hat in fortschrittliche Technologien investiert und tut dies auch heute
noch. Die Region ist die Speerspitze dervierten industriellen Revolution. Die höheren Zinsen dort ziehen Anleger an und kommen den lokalen
Währungen zugute, wie dies in China der Fall ist. Der Yuan, die chinesische
Währung, wurde stark aufgewertet und profitierte von guten
Wirtschaftsnachrichten, aber auch von den höheren chinesischen Zinsen
angesichts allgemein geringer Renditen aufgrund der im Rest der Welt seit
mehreren Jahren herrschenden Niedrigzinsen. Und Peking scheint gegenwärtig sehr
tolerant gegenüber dieser Entwicklung.
Muss man angesichts des Konjunkturaufschwungs nicht mit einem Anstieg der US-Zinsen rechnen, der den Preisanstieg zügeln würde, was wiederum dem Dollar zugutekäme?
K.T.: Die gegenwärtig heterogene Entwicklung der
Weltwirtschaft führt dazu, dass die Zentralbanken - die mit ihren
Entscheidungen die Wirtschaftstätigkeit und die Preissteigerung regulieren,
indem sie auf die Zinssätze einwirken - eine unterschiedliche Politik
betreiben. Und in den Vereinigten Staaten scheint die Federal Reserve in der
Erwartung, dass der Preisanstieg nur vorübergehender Natur ist und keine
kurzfristige Anhebung der Zinsen erfordert, vorläufig geduldig oder sogar
abwartend.
Wie gehen Sie in einem solchen Umfeld vor?
K.T.: Der Aufbau unserer Portfolios beruht auf der
Diversifizierung. Wir mischen langfristige mit kurzfristigen Positionen, von
denen wir überzeugt sind. Die aktuelle Lage, die von einem Umfeld des global
ungleichen Wachstums geprägt ist, ist für die Diversifizierung, dem
Performancetreiber unserer Fonds, günstig. Wir sichern unsere Portfolios aber
auch gegen Risiken ab, wie das Risiko einer Zinssteigerung oder das Wechselkursrisiko. Wie wir seit
mehreren Monaten sehen, ist das aktuelle Umfeld für eine aktiveVerwaltung von
Sparanlagen günstig.
Lesen Sie hier den vollständigen Text vonCarmignac‘s Note von Kevin Thozet
Quelle: Carmignac, Bloomberg, 07.06.2021
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