Pictet AM: Der Kampf gegen die Inflation: Sind die Schwellenländer der Kurve voraus?

Pictet AM: Der Kampf gegen die Inflation: Sind die Schwellenländer der Kurve voraus?
Emerging Markets

Da die Auswirkungen von COVID-19 nachlassen, ist die Inflation zu einem Sorgenkind für die Politik geworden. Überraschenderweise bewegen sich die Zentralbanken der Schwellenländer schneller als ihre Pendants in den reichen Ländern, was die Eindämmung der Bedrohung anbelangt.

24.03.2022 | 09:18 Uhr

Die Zentralbanken der Industrieländer sind trotz ihres zunehmend restriktiveren Kurses hinter die Inflationskurve zurückgefallen. Unseren eigenen Modellen zufolge müssen insbesondere die Zentralbanken im Vereinigten Königreich, der Schweiz und Kanada die Geldpolitik aggressiv straffen, um die Kontrolle über den Preisdruck wiederzuerlangen.

Dagegen waren einige Zentralbanken in den Schwellenländern ein Musterbeispiel für umsichtiges und vorausschauendes Handeln und können ihre Leitzinsen bereits im nächsten Jahr senken – das stellt die historischen Normen völlig auf den Kopf.

ABB. 1 – Zentralbanken der Industrieländer bleiben hinter der Kurve zurück – Schätzung der bis 2023 notwendigen Änderung der Leitzinsen gemäss der Taylor-Regel, nach Massgabe der Finanzstabilität, prozentuale Anhebung/Senkung der Zinssätze

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* Schätzung basierend auf unserem erweiterten Taylor-Regel-Modell mit Schätzungen der Finanzstabilität im Jahr 2023. Quelle: Pictet Asset Management, Refinitiv, CEIC. Basierend auf Daten vom 15.02.2022.

Viele Zentralbanken der Industrieländer befinden sich in einer schwierigen Lage. Nehmen wir z.B. die Bank of England. Ihre Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die Inflation hat durch ein Jahrzehnt extrem lockerer Geldpolitik, in dem die Inflation mehr als einmal das 2%-Ziel überschritten hat, stark gelitten. In letzter Zeit ist die Inflationsrate im Vereinigten Königreich aussergewöhnlich hoch – die Kernteuerungsrate lag im Januar bei 5,5% und dürfte in den kommenden Monaten über die 7% hinausschiessen.

Gleichzeitig ist die Schuldenquote im privaten Sektor sehr hoch – der Anteil der Kredite, die an den privaten Nichtfinanzsektor vergeben wurden, liegt bei rund 160% des BIP. Anfang der 1990er Jahre waren es unter 120%.1 Kein Wunder, dass die Wirtschaft so empfindlich auf Zinserhöhungen reagiert.

Bei etwaigen Zinsanhebungen müsste daher die finanzielle Stabilität mit einkalkuliert werden. Gemäss unserem Taylor-Regel-Modell2müsste das Vereinigte Königreich seine Zinsanhebungen auf 2,4 Prozentpunkte über den aktuell 0,5% begrenzen – immer noch ein drastischer Zinsschritt, aber einer, bei dem sich die Belastung der Wirtschaft in Grenzen halten würde und die Glaubwürdigkeit der Bank of England hinsichtlich ihrer Geldpolitik wiederhergestellt werden könnte (siehe Abb. 1).

Ähnlich verhält es sich mit einigen anderen Industrieländern, insbesondere Schweden und Kanada, die beide ihre Zinssätze 2023 um rund 4 Prozentpunkte anheben müssten, um die finanzielle Stabilität zu erhalten.

Die Zentralbanken der Schwellenländer hingegen haben den Inflationsstier an den Hörnern gepackt, sodass sie in einer starken Position sind, im kommenden Jahr ihre Geldpolitik zu lockern.

ABB. 2 – Zentralbanken der Schwellenländer liegen vor Kurve – Schätzung der 2023 notwendigen Änderung der Leitzinsen gemäss der Taylor-Regel, nach Massgabe der Finanzstabilität, prozentuale Anhebung/Senkung der Zinssätze

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* Basierend auf unserem erweiterten Taylor-Regel-Modell mit Schätzungen der Finanzstabilität im Jahr 2023. Quelle: Pictet Asset Management, Refinitiv, CEIC. Basierend auf Daten vom 15.02.2022.

Unser Modell deutet darauf hin, dass Brasilien, Russland, Polen, Südafrika und Mexiko im Jahr 2023 in einer Position sein werden, die Zinsen zu senken. Brasilien z.B. kann seine Leitzinsen um fast 3 Prozentpunkte gegenüber den aktuell 10,75% kürzen (siehe Abb. 2).

Fakt ist, dass eine ganze Reihe von Zentralbanken der Industrieländer sich enorm anstrengen müssen, um ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Dagegen haben die meisten Zentralbanken der Schwellenländer das Inflationsproblem schnell erkannt und entsprechend reagiert. Die Kunst wird darin bestehen, einen Straffungszyklus auszuhandeln und gleichzeitig finanzielle Störungen zu minimieren – der im Laufe der Jahre angehäufte Schuldenberg bei den Unternehmen und privaten Haushalten dank niedriger Zinsen könnte aber immer noch für Probleme sorgen.

[1] Bank for International Settlements, Daten bis zum 2. Quartal 2021. Daten vom 16.02.2022.

[2] Wir verwenden die moderne semiparametrische Taylor-Regel, um die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion der Zentralbanken auf makroökonomische Fundamentaldaten in Abhängigkeit vom Zustand der Wirtschaft zu bewerten. In dieser Spezifikation wird der Leitzins als nicht-lineare Funktion unserer Inflationsprognosen, der Wachstumsprognosen für das reale BIP und der realen Wachstumsrate des effektiven Wechselkurses festgelegt.

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