Dollar-Sorgen und die Stärkung der Macron-Merkel-Achse haben dem Euro neuen Schwung verliehen. Er könnte erneut den Dollar als dominierende Reservewährung herausfordern.
04.10.2017 | 09:51 Uhr
(Foto: Didier Saint-Georges)
Als Donald Trump 2016 zum neuen US-Präsidenten gewählt wurde, war sein „Wirtschaftsversprechen“ eine Form von Neomerkantilismus mit dem Potenzial, wenn es denn eingehalten würde, den Dollar in neue Höhen zu treiben. Trumps Agenda zielte darauf ab, das strukturelle US-Wirtschaftswachstum anzutreiben und gleichzeitig das Handelsdefizit des Landes abzubauen.
Diese bemerkenswerte zweigleisige Ausrichtung sollte durch große Infrastrukturinvestitionen und weitreichende Steuerreformen in Verbindung mit einer äußerst protektionistischen Handelspolitik möglich gemacht werden. Doch Trumps großartiger Plan verlief im Sande.
Dem Anspruch gelang es nicht, die Realität von Haushaltszwängen und politischen Spaltungen zu überwinden. Vom Austritt aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) abgesehen, war die US-Regierung nicht einmal ansatzweise in der Lage, ihre Drohungen von mehr Protektionismus wahr zu machen, und das US-Handelsdefizit ist sogar weiter gewachsen. Das Agieren der Trump-Regierung war mehr Bellen als Beißen.
Gleichzeitig wurde die politische Zukunft der Eurozone durch die Welle von Populismus, die über die Mitgliedsstaaten schwappte, erneut in Frage gestellt. Kurz nach dem Referendumsentscheid der Briten, die EU zu verlassen, schienen die nahenden französischen Präsidentschaftswahlen offen für eine nationalistische Kandidatin, die schwor, alles dafür zu tun, damit die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone die Währung über Bord werfe und wieder zum französischen Franc zurückkehren würde. Was 2017 tatsächlich geschah, war jedoch weit von diesem Szenario entfernt.
Die nationalistische Partei von Geert Wilders erlitt eine krachende Niederlage bei den niederländischen Parlamentswahlen, und das französische Volk wählte den unverhohlen pro-europäischen Reformer Emmanuel Macron zu seinem neuen Präsidenten. Diese Wende der Ereignisse ist für die Eurozone eine Chance mit historischen Dimensionen. Deutschland schien mit seinen Bemühungen, die Partner der Eurozone zu mehr Haushaltsdisziplin zu bewegen, zunehmend isoliert zu sein. Da sowohl die USA als auch Großbritannien die Vision Deutschlands vom Aufbau Europas radikal ablehnten, hätte Deutschland sogar noch stärker isoliert sein können.
Doch mit der Wahl von Macron hat Deutschland endlich einen anderen Regierungschef in Europa gefunden, der der wirtschaftlichen Konvergenz eine ähnliche Bedeutung beimisst. Im übrigen sind die Hartz-Reformen die Vorlage für Emmanuel Macrons Reformpläne, mit denen er Frankreich wirtschaftlich leistungsfähiger machen will.
Macron wird sicher noch einige Monate brauchen, um die Deutschen vollends davon zu überzeugen, dass es dieses Mal ernst ist, und dass die Proteste auf den Straßen, die von einer sehr breiten Parlamentsmehrheit beschlossene Reform-Agenda nicht kippen werden.
Zudem wird Angela Merkel es leichter haben, über einen europäischen Haushalt und Eurobonds zu sprechen, wenn die Bundestagswahlen hinter ihr liegen.
Doch der Schwung einer potenziellen Macron-Merkel-Achse hat dem internationalen Ansehen des Euros schon jetzt neuen Schwung verliehen. Ähnlich wie bei der Einführung der Einheitswährung erhebt sie immer nachdrücklicher den Anspruch, eine konkurrierende Reservewährung zu sein, denn sowohl private wie auch öffentliche Anleger aus dem Ausland verlagern ihr Kapital in die Eurozone.
Dieser Wendepunkt ist für Währungen von entscheidender Bedeutung, denn während das US-Handelsdefizit weiter steigt, bewegt sich der Leistungsbilanzüberschuss der Eurozone bei 3% des BIP. Es könnte daher eine Ära der nachhaltigen Aufwärtsentwicklung der Einheitswährung anbrechen, wenn es den französischen und deutschen Partnern gelingt, ihre historische Chance zu nutzen und die Eurozone von ihren existenziellen Zweifeln zu befreien.
Es verwundert nicht, dass die nachlassende Schlagkraft des politischen Modells der USA auch China zugutekommt. Der Rückzug der USA aus dem TPP kann als symbolischer Startschuss für die regionalen und globalen Bestrebungen Chinas gewertet werden. Da die USA den asiatischen Staaten den Rücken zuzukehren scheinen, werden diese zweifellos ein offenes Ohr für Chinas Angebot einer engeren Zusammenarbeit haben. Die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank, das „One Belt, One Road“-Projekt und der Anspruch, ihre eigene Reservewährung, den Renminbi, zu etablieren – all das erhielt durch die Haltung der USA Auftrieb.
Und nicht zuletzt ist der Angriff auf den geopolitischen Status des Dollars auch ein Segen für Gold, die eigentliche Reservewährung, deren Preis nun aus dem seit seinem Spitzenwert von 2011 verzeichneten Abwärtstrend ausbricht. Das Fazit lautet, dass sich in der Stärke des Euros – von technischen Faktoren abgesehen – die Schwächung der US-Währung und neue Hoffnungen, dass es Europa in überzeugender Weise gelingt, nach sechs Jahren existenzieller Bedrohung die Kurve zu kriegen, widerspiegeln. Doch nichts ist in Stein gemeißelt. Die USA könnten plötzlich eine Kehrtwende in ihrer Vision machen, und es könnte sich herausstellen, dass sich die Herausforderung, Europa zu vereinen, selbst mit den wieder erstarkten Bemühungen Frankreichs und Deutschlands nicht meistern lässt. Doch die Chance sollte genutzt werden. Der Euro hat einen hohen Optionswert.
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