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Marktausblick

Wie ganz zu Beginn des Jahres vermutet hat sich der Aufschwung der Aktienmärkte als Kontrapunkt zur Panik zum Jahresende 2018 tatsächlich eingestellt.

20.03.2019 | 11:38 Uhr

Angetrieben wurde die Entwicklung durch die Kehrtwende der Fed in ihren Bemühungen um die Normalisierung der Geldpolitik. Der Aktienindex MSCI World legte in den ersten beiden Monaten des Jahres 11,21% zu und machte damit seine Korrektur vom letzten Quartal 2018 vollständig wieder wett. Nun stellt sich natürlich die Frage, ob dieser Aufschwung gute Chancen hat, in den kommenden Monaten anzuhalten.

Der Zusammenstoß von Konjunkturzyklus und Geldpolitik bildete die Kulisse der Märkte im Jahr 2018. Das ist in diesem Jahr nicht mehr der Fall.

Die Konjunkturabschwächung hält an, und an Schwachpunkten mangelt es nach wie vornicht. In der Litanei der politischen Ungewissheiten vonEuropa bis in dieUSA und bis hinzur Problematik der Überschuldung ineinem neuen Umfeldder Wachstumsschwäche dürftendie Märkte Gründegenug finden, umin diesem Jahr wieder Vorsicht walten zu lassen. Diese wenig verlockende Realität wird durch ein zentrales Szenario erweitert oder zumindest gemildert, das sich objektiv betrachtet gegenüber dem vergangenen Jahr besänftigt hat. Denn die Märkte haben die laufende Konjunkturverlangsamung zur Kenntnis genommen, ebenso wie die Zentralbanken, die sich mittlerweile von ihrer Entschlossenheit zu einer Normalisierung der Geldpolitik in einem Gewaltmarsch gelöst haben. Der Zusammenstoß von Konjunkturzyklus und Geldpolitik bildete die Kulisse der Märkte im Jahr 2018. Das ist in diesem Jahr nicht mehr der Fall.

Jetzt ist vielmehr die Stunde der Erschlaffung gekommen, ein Nährboden für zauderhafte Märkte, eine Art langsame und heikle Befreiung nach der Kollision von 2018, die weniger direktionale Anlagestrategien erfordert, welche stärker auf die Generierung von Alpha als auf das Management von Beta fokussiert sind.
Die politischen Parameter, die die Märkte in diesem Jahr beeinträchtigen könnten, sind zahlreich: abschließende Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und dem Vereinigten Königreich über den Brexit, letzte Wendungen in den Handelsauseinandersetzungen zwischen den USA und China, neue Drohungen aus Amerika, Importzölle auf deutsche Autos zu verhängen, Europawahlen. Diese für das Vertrauen und damit für das Wachstum bedeutenden Entwicklungen kommen in den nächsten Monaten oder gar Wochen in ihre entscheidende Phase. Sie sorgen daher kurzfristig für Ungewissheit. Es ist jedoch davon auszugehen, dass von den schlechtesten Strategien, die niemandem etwas nützen, letztlich abgesehen wird.

Wenngleich es unvernünftig ist, auf die Vernunft der Politiker zu setzen, könnte eine wenngleich wackelige Fortsetzung des Modus Vivendi den Märkten ermöglichen, nach Monaten der Angst weiterhin Erleichterung erkennen zu lassen. 

In dieser Phase der Konjunktur-verlangsamung können sich die Performanceun- terschiede zwischen einzelnen Werten als ein bedeutender Performancefaktor erweisen – ganz im Gegensatz zu 2018.

Blickt man über die unmittelbare Zukunft hinaus, dürfte die Richtung der Märkte im Jahr 2019 jedoch im Wesentlichen vom wirtschaftlichen Umfeld abhängen, das mittlerweile besonders trübe geworden ist. Denn die weltweite Konjunkturverlangsamung hält zurzeit wie erwartet weiter an.

In den USA bleibt die Bautätigkeit schwach, und die Indikatoren für den Fertigungssektor wie der Markit Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe, der mit 53,7 im Februar auf dem niedrigsten Niveau seit 2017 lag, zeigen weiter in die falsche Richtung. Doch solange die Nachfrage nach Dienstleistungen anhält (die Indikatoren haben sich seit einem Jahr kaum verändert), was durch einen nach wie vor robusten Arbeitsmarkt unterstützt wird, dürfte die Wirtschaft insgesamt nur eine moderate Abschwächung verzeichnen. Diese Aussicht wird mittlerweile von der jüngsten Unterstützung seitens einer Zentralbank bestärkt, deren Dogma der Normalisierung sich plötzlich zu einer eingestandenen Furcht vor dem Druck der Märkte und einem zunehmenden Desinteresse für die kurzfristigen Inflationsindikatoren gewandelt hat.

Zudem könnte der Ausgang der Handelsverhandlungen mit China konkrete Unterstützung für das Vertrauen und für Anlagen leisten. Dieser Ausgang hängt gewiss von dem schwierigen Gleichgewicht ab, das zwischen einer langfristigen ideologischen Konfrontation und dem beiderseitigen Interesse an einer Einigung gefunden werden muss, einer Einigung, die beiden Seiten ermöglicht, das Gesichts zu wahren, und eine Selbstgeißelung verhindert. Doch die Konjunkturverlangsamung in den USA, das Herannahen der nächsten Präsidentschaftswahlen und die Instabilität der Märkte, die im vergangenen Dezember zu beobachten war, erhöhen die Wahrscheinlichkeiteines„Deals“, der zumindest äußerlich für die beiden Hauptakteure zufriedenstellend ist.

In Europa bestätigen die im Februar veröffentlichten Wirtschaftsdaten wie der Markit Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe, der mittlerweile unter 50 liegt, dass die Konjunkturschwäche vom Ende vergangenen Jahres nicht allein Sache der deutschen Automobilproduktion ist, die vorübergehend von der Einführung der neuen WLTPNorm für die CO2-Emissionen belastet wurde. Eine weitere Verschlechterung dürfte zwar durch die Stärkung der Kaufkraft der Verbraucher dank einer gewissen Aufheiterung bei Löhnen und Beschäftigung verhindert werden, aber für eine echte Stabilisierung bedarf es eines Anziehens der chinesischen Nachfrage, die moderat ausfallen dürfte. Der EZB bleibt keine andere Wahl, als bei ihrer extrem akkommodierenden Haltung zu bleiben.

China steuert weiterhin seinen schwierigen Kurs (siehe Carmignac’s Note vom Januar „50 shades of black“) zwischen erforderlicher Entschuldung, Druck an der Handelsfront und Konjunkturabschwächung. Die zur Stützung des Konsums ergriffenen Maßnahmen dürften im Laufe des Jahres eine Stabilisierung des chinesischen Wachstums ermöglichen, insbesondere wenn es zu einer Einigung im Handel mit den USA kommt. Doch sie werden sicher keine Triebkraft für europäische Exporte sein, die mit der vergleichbar wäre, die ihnen im Jahr 2016 zugutekam.

Zu Beginn des Jahres 2019 zeichnet sich also insgesamt eine mehr oder weniger sanfte Landung der weltweiten Volkswirtschaften ab, die durch Geldpolitiken abgefedert wird, deren Ehrgeiz zu einer Straffung sich gelegt hat. In diesem Umfeld könnten sich die Aussichten für die Aktienindizes von den derzeitigen Niveaus aus durch ihre Mittelmäßigkeit auszeichnen, da sich die durchschnittlichen Bewertungen seit Jahresbeginn bereits wieder erholt haben und die Aussichten für das Wachstum der Unternehmensgewinne äußerst dürftig sind. In dieser Phase der Konjunkturverlangsamung könnten sich jedoch die Performanceunterschiede zwischen einzelnen Werten als ein bedeutender Performancefaktor erweisen – ganz im Gegensatz zu 2018, als die Einschätzung der Richtung der Indizes für die Performance viel entscheidender war. Insbesondere Aktien von Unternehmen, die noch angemessen bewertet und in der Lage sind, ihre Margen zu verteidigen und ihr Wachstum zu halten, dürften in dem von uns für dieses Jahr erwarteten schwachen wirtschaftlichen Umfeld einen erheblichen Qualitätsaufschlag für sich in Anspruch nehmen können. Eine ähnliche Einschätzung, dass nämlich in diesem Jahr das Generieren von Alpha bevorzugt werden sollte, statt auf die großen Trends zu setzen, gilt auch für die Anleihemärkte, insbesondere die für Unternehmensanleihen.

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