Capital Group: Wie die Pandemie die Zukunft großer US-Städte verändert

Capital Group: Wie die Pandemie die Zukunft großer US-Städte verändert
Zukunft

Die Corona-Pandemie hat die Art und Weise, wie wir leben, verändert: Arbeiten aus dem Wohnzimmer, Lieferung statt selbst einkaufen, Hobbyraum statt Fitnessstudio.

23.09.2021 | 10:36 Uhr

Dies habe auch gravierende Auswirkungen auf die Ballungszentren der Großstädte. Jared Franz, Economist bei Capital Group, erklärt wie auch kleinste Veränderungen des täglichen Verhaltens die Zukunft der amerikanischen Großstädte beeinflussen können.

Einkaufen beim Einzelhändler um die Ecke statt im großen Supermarkt in der Innenstadt, Kaffee beim lokalen Bäcker anstatt im Franchise-Coffeeshop und Mittagessen aus der eigenen Küche und nicht im schicken Downtown-Restaurant: Durch die Corona-Pandemie hat sich nicht nur der Arbeitsplatz aus dem Büro ins Home-Office verlagert, sondern auch das Konsumverhalten aus den Ballungsgebieten in die Vororte verschoben.

„Im Einzelfall würde dies nicht viel bedeuten,“ so Franz. „Aber wenn ein Viertel der US-Arbeitskräfte dies nur an einem oder zwei Tagen in der Woche täte, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Finanzmärkte und die Zukunft der Großstädte.“ Seit Beginn der Corona-Pandemie habe sich die Abwanderung aus Großstädten bereits beschleunigt, während die Immobilienpreise in den Vorstädten in die Höhe geschossen seien. „Nationale Erhebungen zeigen, dass eine überwältigende Mehrheit der Arbeitnehmer, die von zu Hause arbeiten, dies auch weiterhin tun wollen – bestenfalls an einem oder mehreren Tagen pro Woche,“ so Franz.

25 Prozent des US-Arbeitskräfte könnten 2022 von zu Hause arbeiten

Während vor der Pandemie lediglich fünf Prozent der amerikanischen Angestellten aus dem Home-Office gearbeitet haben, könnte diese Zahl bis 2022 auf 25 Prozent ansteigen. „Auf der Investitionsebene müssen wir analysieren, wie dauerhaft diese Veränderungen sind, wie sie sich auf das Konsumverhalten auswirken könnten und wie die Unternehmen darauf reagieren“, erläutert Franz. „Was passiert zum Beispiel mit dem Café in der Innenstadt, den Restaurants, oder den Büroräumen, die nicht mehr benötigt werden?"

Franz wolle zwar noch nicht vom Tod der Großstädte sprechen. Er glaubt allerdings, dass der Höhepunkt der Bevölkerungsdichte in Städten wie Chicago oder New York erreicht sei.

Gewinner und Verlierer der Deurbanisierung

Viele Sektoren würden davon profitieren, wenn der Trend zur Deurbanisierung anhält. Darunter seien Bereiche wie Privatreisen und Freizeit, Technologie und Kommunikation, Cloud Computing sowie die Heimwerker- und Wohnimmobilienindustrie. „Veränderungen im Verbraucherverhalten bedeuten, dass diese Trends dauerhaft sein könnten, selbst wenn wir mehrere Tage in der Woche ins Büro zurückkehren,“ so Franz. So hätten beispielsweise Baumärkte davon profitiert, dass mehr Menschen neue und bestehende Häuser in den Vorstädten kauften. Unternehmen wie Peloton und Nike hätten hingegen durch den Trend zum Heimsport Auftrieb erhalten.

Auf der anderen Seite seien Gewerbeimmobilien einer der am stärksten betroffenen Sektoren: „Die Aussichten bleiben, gelinde gesagt, schwierig,“ so Franz. Die Leerstandsquote bei Bürogebäuden sei im zweiten Quartal 2021 landesweit auf über 17 Prozent gestiegen. Im ersten Quartal 2020 – bevor die Wirtschaft durch die von der Regierung verhängten Verbote praktisch zum Stillstand kam – lag diese noch bei rund 13 Prozent. Bei den gewerblichen Immobilienkrediten sei es dagegen nicht zu den Notlagen oder Totalausfällen gekommen, die die Anleger vielleicht erwartet hätten. Dies sei vor allem auf die staatlichen Konjunkturprogramme zurückzuführen, die kleinen und mittleren Unternehmen geholfen haben, ihren Miet- und Lohnverpflichtungen nachzukommen. „Im Moment befinden wir uns in einer Warteschleife, weil die staatliche Unterstützung so stark war“, stellt Franz fest, „aber ich denke, dass sich das bis 2022 wesentlich zum Schlechteren ändern könnte.“

In der Immobilienbranche gäbe es eine große Diskrepanz zwischen den Teilsektoren, die in Mitleidenschaft gezogen wurden – zum Beispiel Büro, Einzelhandel und Hotels – und anderen, die sich erholten, als sich die Wirtschaft und die Aktienmärkte vom Abschwung regenerierten. Dazu gehörten demnach die Kategorien Lager, Industrie und Wohnen.

„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Urbanisierung Staaten wie New York und Kalifornien unter Druck setzt,“ so Franz. „Diese haben sich auf eine sehr hohe Steuerbasis wohlhabender Menschen in Manhattan, Los Angeles und San Francisco verlassen. Das könnte zu einer großen Herausforderung für Staaten werden, die vom Konzept der Megastädte enorm profitiert haben.“

Franz geht allerdings davon aus, dass sich die großen städtischen Zentren anpassen und schließlich auch in einer Post-COVID-Umgebung florieren werden: „Großstädte sind widerstandsfähig und sie haben eine lange Tradition, sich von schwierigen Zeiten zu erholen.“

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