Capital Group: Steigende US-Zinssätze - Entflechtung der Debatte zwischen Fed und Markt

Capital Group: Steigende US-Zinssätze - Entflechtung der Debatte zwischen Fed und Markt
Zinsen

Nach einem kometenhaften Jahr 2020 gerät der US-Anleihemarkt unter Druck. Massive staatliche Konjunkturmaßnahmen und verbesserte Wirtschaftsaussichten schüren eine der größten Ängste der Anleiheninvestoren: höhere Inflation.

31.03.2021 | 12:43 Uhr

Der Abverkauf war drastisch. Nach einem Anstieg von mehr als 7 % im vergangenen Jahr ist der Bloomberg Barclays U.S. Aggregate Index seit Jahresbeginn um über 3 % gefallen. Die wichtigsten Fragen für die Anleger: Ist der Abverkauf gerechtfertigt, und ist ein weiterer deutlicher Anstieg der Zinssätze ab jetzt wahrscheinlich? Unsere Antwort auf beide Fragen lautet nein.

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1. Die Reaktion des Markts ist übertrieben

Wir glauben, dass sich der Markt von der Angst vor einer Zinserhöhung mitreißen lässt. Der Markt erwartet eine Zinserhöhung durch die Federal Reserve (Fed) im Jahr 2022 früher als wir.

Unsere Ansicht basiert auf dem Wunsch der Fed, wieder Vollbeschäftigung in den USA zu erreichen. Bei der Bewertung des Arbeitsmarktes hat die Fed einen breiten Ansatz formuliert. Das bedeutet, dass keine einzelne Beschäftigungsmaßnahme eine Zinserhöhung auslösen wird. Die Fed wird eine Vielzahl von Kennzahlen für Unterbeschäftigung, Erwerbsquote und sogar Beschäftigungstrends innerhalb bestimmter demografischer und Einkommensgruppen berücksichtigen. Einige davon, wie z. B. eine schwache Erwerbsquote, deuten auf eine Flaute auf dem Arbeitsmarkt und möglicherweise auf längerfristige Auswirkungen hin. Dies sollte zur Folge haben, dass die US-Zentralbanker bei der Entscheidung über eine Straffung der Geldpolitik Geduld walten lassen.

Darüber hinaus hat die Fed angedeutet, dass sie bereit ist, die Inflation für eine gewisse Zeit „heißlaufen“ zu lassen – über ihrem 2 %-Ziel –, wenn die Geldpolitik dazu beiträgt, vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit die Schaffung von Arbeitsplätzen zu beschleunigen. Ein Hinweis darauf ist die Einführung eines durchschnittliches Inflationsziels. Ziel dieser Politik ist eine durchschnittliche Inflationsrate über einen bestimmten Zeitraum, anstatt eine starre Obergrenze für alle Zeiträume anzustreben.

Aus diesen Gründen glauben wir, dass die Fed weitgehend entgegenkommend bleiben wird. Es scheint wahrscheinlich, dass die Fed die Steigerung der Wirtschaftstätigkeit bis Ende 2023 oder sogar bis Anfang 2024 unterstützen wird. Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell scheint entschlossen, jede Maßnahme, die zu einer Straffung der Geldpolitik führen könnte, lange vor deren Umsetzung anzukündigen. Wir glauben, dass die Fed einen strukturierten „Unwinding“-Kurs verfolgen wird. Diese Strategie wird wahrscheinlich ähnlich sein wie der Kurs in den Jahren 2013 bis 2015, der zur ersten Zinserhöhung nach der globalen Finanzkrise führte.

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Unter anderem aufgrund unserer Einschätzung der Fed halten wir kurzfristige US-Staatsanleihen derzeit für attraktiv. Wenn sich der Markt unserer Ansicht zur Geldpolitik anschließt, könnten die Renditen dieser Papiere sinken und die entsprechenden Anleihekurse steigen. Im Hinblick auf längerfristige US-Staatsanleihen sind wir neutral.

Die Kombination aus lockerer Geldpolitik und finanzpolitischen Anreizmaßnahmen haben in den letzten Quartalen zu steigenden Inflationserwartungen geführt. Dies hat dazu beigetragen, die Kurse der inflationsindexierten Staatsanleihen (TIPS) in die Höhe zu treiben. Die Tolerierung einer moderaten Inflation durch die Fed könnte die Erwartungen jedoch weiter steigen lassen. Dies könnte der Fall sein, wenn die stimulierende Politik der Zentralbank länger anhält als derzeit vom Markt erwartet. Wenn diese Erwartungen zunehmen, steigt auch der Kurs der TIPS.

Und wenn wir uns irren und es rasch zu höheren Zinssätzen kommt? Selbst dann gibt es gute Gründe, in hochwertigen Anleihen investiert zu bleiben.

2. Es gibt einen guten Grund für den Anstieg der Zinssätze – eine starke Erholung

Wachstums- und Inflationserwartungen haben angezogen, da die Märkte Licht am Ende des Pandemietunnels sehen. Die Impfkampagnen laufen zunehmend besser, und die Infektionen gehen zurück: Dies sind Vorboten eines stärkeren Wachstums. Sie unterstreichen auch, dass die Verbesserung auf dem US-Arbeitsmarkt wahrscheinlich anhalten wird, wenn die COVID-19-Beschränkungen aufgehoben werden.

Diese positiven Faktoren haben die Fed nicht veranlasst, Zinserhöhungen zu signalisieren. Ihr Versprechen, die Zinsen vor dem Hintergrund einer stabileren Wirtschaftstätigkeit niedrig zu halten, hat jedoch dazu beigetragen, die Inflationserwartungen zu beflügeln. Die Fed hat versprochen, eine moderate Inflation in Kauf zu nehmen, um die Arbeitslosigkeit weiter zu senken. Dennoch glaubt der Markt, dass höhere Zinssätze angesichts steigender Inflation möglicherweise nicht mehr weit entfernt sind. Ein Investorenkonsens sagt eine erste Zinserhöhung im Jahr 2022 voraus.

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3. Die steuerpflichtigen Kernanleihen haben sich vor dem Hintergrund von Zinserhöhungen als widerstandsfähig erwiesen

Die Anleihekurse fallen, wenn die Zinssätze steigen. Ein Blick in die Geschichte zeigt jedoch, dass es doch nicht ganz so simpel ist. Wenn die Zinssätze gestiegen sind, war der Anstieg in der Vergangenheit nicht schnell und stark genug, um über einen Zinserhöhungszyklus signifikante Verluste für Anleger in Kernanleihen zu verursachen.

Die Rendite, die Anleihen den Anlegern bieten, sowie andere Faktoren, die die Anleihekurse nach oben treiben, könnten dazu beitragen, eine positive Gesamtrendite zu erzielen. Das Diagramm unten zeigt die Zinserhöhungsperioden in den letzten Jahrzehnten. In allen diesen Zeiträumen waren nur zweimal negative Gesamtrenditen für die Kernanleihen-Benchmark zu verzeichnen. Trotz der steigenden Zinssätze lag die durchschnittliche Rendite in diesen Zeiträumen bei fast 4 %.

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Die jüngere Geschichte ist wahrscheinlich relevanter, auch in Bezug auf die Schritte, die wir seitens der Fed erwarten können. Als die Zentralbanker im Jahr 2015 anfingen, die Zinsen zu erhöhen, gingen sie schrittweise vor. Es begann mit einer Erhöhung um 25 Basispunkte im Dezember 2015. Sodann wartete die Fed ein ganzes Jahr bis zur nächsten Erhöhung. Im nächsten Jahr wurden die Zinssätze dreimal erneut erhöht, wieder nur um jeweils 25 Basispunkte.

Schon allein die Geschichte mag ein überzeugender Grund sein, Ihre Allokation in Kernanleihen nicht aufzugeben, wenn die Zinssätze zu steigen beginnen. Weiterhin spricht unserer Meinung nach dafür, dass eine Allokation in Kernanleihen für ein ausgewogenes Portfolio in jedem Marktumfeld erforderlich ist. Eine starke Allokation in Kernanleihen kann dazu beitragen, ein gewisses Maß an Stabilität zu gewährleisten, wenn unerwartete Schocks auftreten. In der Tat spricht der heutige Markt noch stärker dafür, einen soliden Kern beizubehalten.

Angesichts der steigenden Preise für Risikoanlagen sind wir der Meinung, dass Anleger der Diversifizierung von Aktien und dem Kapitalerhalt in festverzinslichen Anlagen den Vorrang geben sollten. Die Märkte spiegeln die Wahrscheinlichkeit eines wirtschaftlichen Aufschwungs nach der Pandemie wider, doch könnte es auf dem Weg dorthin zu einigen Unebenheiten kommen. Wie der Zusammenbruch des Marktes Anfang 2020 gezeigt hat, können hochwertige Kernanleihen in Zeiten von Aktienstress als Ballast im Portfolio dienen.

Welche Arten von Core- oder Core Plus-Fonds sollten Sie in Erwägung ziehen? Solche, die kein übermäßiges Kreditrisiko eingehen. Ihre Korrelation zu Aktien – die Verbindung ihrer Renditen mit den Aktienrenditen – sollte relativ gering sein.

4. Auch die Kern-Kommunalanleihen haben in Zeiten steigender Zinssätze Stabilität bewiesen

Ähnlich wie steuerpflichtige Anleihen haben auch die Kommunalanleihen in diesem Jahr die Auswirkungen der steigenden Renditen zu spüren bekommen. Während die Kommunalanleihen in den letzten Jahren stärker kreditorientiert geworden sind, spielen die Zinssätze noch immer eine wichtige Rolle. Die Renditen des Bloomberg Barclays Municipal Bond Index sind vom Jahresbeginn bis zum 18. März um 0,75 % gefallen. Ebenso wie bei den steuerpflichtigen Anleihen kann jedoch auch hier eine längerfristige Perspektive aufschlussreich sein. Betrachten Sie die Zinserhöhungen durch die Fed in den gleichen Zeiträumen, die wir weiter oben für den Index der steuerpflichtigen Kernanleihen gezeigt haben.

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Die Ergebnisse für den Kommunalanleihen-Index sind gleich. In den meisten Zeiträumen war die Rendite positiv oder nahezu unverändert. Der Durchschnitt in allen sieben Zeiträumen war eine positive Rendite von über 4 %.

„Steigende Zinssätze können unseren Strategien helfen, die steuerfreien Renditen zu steigern“, so der Fixed Income Product Manager Neil Amirtha. „Eine Verengung der Spreads, d. h. der Prämie, die Investoren für das Kreditrisiko gegenüber risikofreien Anlagen gezahlt wird, würde uns helfen, von turbulenten Teilsektoren zu profitieren. Dazu gehören Anleihen von Krankenhäusern, Seniorenheimen und Transporteinrichtungen wie dem öffentlichen Nahverkehr. In diesen Sektoren sind die Spreads noch nicht vollständig zu dem vor der Pandemie herrschenden Niveau zurückgekehrt.

Der Markt für Kommunalanleihen hat sich bereits von dem Ausbruch der Pandemie erholt, die Einnahmen waren besser als erwartet. Es gibt jedoch weiteren Rückenwind: die jüngsten Konjunkturmaßnahmen aus Washington. Der 2020 CARES Act, die im Dezember verabschiedeten Konjunkturmaßnahmen und der in diesem Jahr verabschiedete American Rescue Plan Act werden sich als hilfreich erweisen. Zusammengenommen bieten diese Maßnahmen kommunale Hilfsgelder in Höhe von etwa 1,2 Billionen USD für Teilsektoren wie staatliche und lokale Regierungen, Gesundheitsversorgung und Bildung. Dies sollte die Fundamentaldaten der Kommunalanleihen weiter verbessern.

Auf den ersten Blick mögen die Aussichten auf steigende Zinssätze Anlagen in festverzinslichen Wertpapieren unattraktiv erscheinen lassen. Von einem Standpunkt aus, der sowohl langfristig ausgerichtet ist als auch die Rolle von festverzinslichen Wertpapieren in einem ausgewogenen Portfolio anerkennt, wird jedoch deutlich, dass steigende Zinsen kein Grund sind, aus Anleihen auszusteigen.

Über die Autoren

Ritchie Tuazon - Anleihenportfoliomanager

Ritchie Tuazon ist Portfoliomanager für festverzinsliche Anlagen bei Capital Group. Er verfügt über 19 Jahre Erfahrung in der Investmentbranche, davon sieben Jahre bei Capital. Zuvor war er als Anleihehändler bei Goldman Sachs tätig. Ritchie Tuazon hat einen MBA vom MIT sowie einen Master in öffentlicher Verwaltung von Harvard und einen Bachelor-Abschluss von der University of California, Berkeley.

Margaret Steinbach - Investmentdirektorin Anleihen

Margaret Steinbach ist Investmentdirektorin Anleihen bei Capital Group. Sie verfügt über 13 Jahre Erfahrung in der Investmentbranche, davon vier Jahre bei Capital. Zuvor war Margaret Steinbach als Portfoliospezialistin bei Oaktree Capital Management beschäftigt. Sie hat einen Bachelor-Abschluss in Handelswissenschaften von der University of Virginia.

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