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„Europa muss seine Erwartungen zurückschrauben“

Bild: ifo
Wirtschaftswachstum

Präsident Trump, der Brexit, die Schuldenkrise in der Eurozone – die Gefahren für Wirtschaft und Kapitalmärkte sind vielfältig. FundResearch sprach mit Professor Clemens Fuest, dem Leiter des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, darüber, wo Europa und Deutschland heute stehen.

23.05.2017 | 07:20 Uhr von «Thomas Gräf»

FR: Kaum ein Tag vergeht, an dem der neue US-Präsident nicht durch neue provokante Aussagen zu Handel und Wirtschaft auf sich aufmerksam macht. Was müssen wir wirklich erwarten von der Regierung Trump?

Fuest: Im Wesentlichen müssen wir mit Veränderungen in vier Bereichen rechnen: Zum einen erwarten wir eine steigende US-Staatsverschuldung in Folge von Infrastruktur-Investitionen und Steuersenkungen. Letzteres könnte tatsächlich einen Konjunkturschub in den USA auslösen.

Dann kündigt Trump eine Abkehr von den Klimaschutzzielen an, um gleichzeitig die fossilen Brennstoffe zu fördern. Das sollten wir jedoch nicht überbewerten, da die Transformation hin zu grüner Technologie weltweit schon erheblich vorangeschritten ist und sich auch nicht mehr aufhalten lässt, wenn sie auch kaum so schnell verlaufen wird, dass die Klimaschutzziele erreicht werden.

Dann sind da Trumps Bestrebungen, die Militärausgaben massiv zu erhöhen; das passt natürlich nicht zu der Aussage, die Europäer sollten sich jetzt gefälligst selbst verteidigen. Wenn das amerikanische Militärpotenzial steigt, ist es unglaubwürdig, zu sagen, das werde nicht für die NATO eingesetzt.

Das für uns wichtigste Thema ist aber der Protektionismus. Hier kommt eine Idee zum Tragen, die eigentlich im Elfenbeinturm entwickelt wurde: die Bestimmungsland-basierte Unternehmensgewinnsteuer. Dabei handelt es sich um eine Ertragsteuer mit Eigenschaften, die an die Umsatzsteuer erinnern. Im Kern geht es darum, die Unternehmen dort zu besteuern, wo ihre Konsumenten sind. Das bedeutet, dass Exporte von Ertragsbesteuerung freigestellt werden und Importe stärker besteuert werden. Trump möchte dadurch das Handelsbilanzdefizit abbauen.

FR: Wie würde sich das auf die deutsche Exportwirtschaft auswirken?

Fuest: Die USA sind unser wichtigster Exportmarkt. Diese Art der Besteuerung wirkt im Grunde wie ein Zoll – mit erheblichen Auswirkungen für die deutschen Exporte.

FR: Wie wahrscheinlich ist denn ein Handelskrieg mit den USA?

 Fuest:  Wir wissen nicht, ob uns ein Handelskrieg mit den USA droht. Trump hat ja schon von einer Erhöhung der Handelskosten für Mexiko und Deutschland um 35 Prozent gesprochen. Wenn die USA diese Maßnahmen unilateral einführen, sinken die deutschen Exporte um 30 Prozent. Das Interessante ist aber, dass die gesamten Exporte Deutschlands nach Berechnungen des ifo Instituts nur um zwei Prozent zurückgehen würden. Das liegt daran, dass aufgrund der Diversifizierung unserer Handelsbeziehungen nur etwa neun Prozent der gesamten Exporte in die USA gehen. Deshalb sind die Auswirkungen auf Deutschland begrenzt.

In einem Handelskrieg wären die Folgen für die USA allerdings massiv: Fast die gesamten amerikanischen Exporte würden ausgelöscht. Das würde, anders als Trump hofft, zu einem Rückgang des BIP von sechs bis sieben Prozent führen. In Deutschland würde der Rückgang nur rund 0,3 Prozent des BIP betragen.

Ich denke also, dass, solange im Weißen Haus rational gedacht wird, es nicht zu einem Handelskrieg kommen wird.

FR:  Der Euroraum hat auch ohne Trump genug Sorgen. Wie hat sich der Brexit auf die Wirtschaftslage ausgewirkt?

Fuest:  Wir hatten 2016 ein moderates Wachstum von 1,8 Prozent, und das wird sich auch in diesem Jahr fortsetzen. Der ifo-Wirtschaftsklima-Index zeigt jedenfalls nach oben. Interessant ist die Situation hinsichtlich der Einschätzung der Wirtschaftslage in Großbritannien. Die Wirtschaftsforscher hatten ja dort als Folge des Brexit mit einem starken Wachstumsrückgang gerechnet. Tatsächlich zeigte sich das BIP vom Brexit nahezu unbeeindruckt. Und das lag vor allem am Konsum der privaten Haushalte, die als Reaktion auf die zu erwartende Inflationssteigerung unter anderem langlebige Konsumgüter angeschafft haben.

Auch kam es infolge des Brexit zu einer permanenten Abwertung des Pfunds um circa zehn Prozent. Wenn man das mit der britischen Importquote multipliziert, ergibt das einen Wohlstandsverlust von drei Prozent.

FR: Wie zeigt sich dieser Wohlstandsverlust an den Kapitalmärkten?

Fuest: Wenn wir den wechselkursbereinigten FTSE100-Index betrachten, sehen wir in den vergangenen 15 Monaten einen leichten Rückgang. Im selben Zeitraum hat aber der S&P 500 auf Dollar-Basis rund 15 Prozent zugelegt. Noch deutlicher zeigt sich der Rückgang bei den in Großbritannien heimischen Unternehmen des FTSE250: Die haben bis Ende März auf Dollarbasis sogar fast acht Prozent abgegeben.

Das alles zeigt, dass der Brexit der britischen Wirtschaft stärker schadet als der europäischen.

FR: Wie geht es mit Großbritannien und der EU nun weiter?

Fuest: Es ist klar, dass die Briten aus dem Binnenmarkt ausscheiden. Jetzt ist die Frage: Gibt es eine Zollunion oder eine Freihandelszone? Die EU will die Zollunion, da das europäischen Unternehmen einen privilegierten Zugang zum britischen Markt verschafft. Die Briten wollen Souveränität in der Handelspolitik. Da sie in einer Zollunion aber nicht frei über die Zölle bestimmen können, lehnen sie diese Lösung ab. Ich vermute, dass wir bestenfalls auf ein Freihandelsabkommen zusteuern.

FR: Was bedeutet das für die Unternehmen?  

Fuest: Das bedeutet zuallererst wachsende Handelskosten und einen niedrigeren Kurs des Pfunds. Es bestehen einige gravierende Unsicherheiten, welche Regeln in Zukunft gelten, was für Unternehmen sowohl in Großbritannien als auch auf dem Kontinent eine hohe Belastung darstellt. Eine Übergangsregelung wäre hier hilfreich.

FR: Wie schätzen Sie die Lage für die deutsche Konjunktur ein?  

Fuest: Der ifo Geschäftsklimaindex ist auf dem höchsten Stand seit 2011, das ist schon ein sehr starkes Konjunktursignal. Und die Erwartungen des Verarbeitenden Gewerbes – also das Zusammenspiel zwischen Lagereinschätzung und Absatzerwartung – für die nächsten sechs Monate deuten tatsächlich auf einen Boom hin. Wir erwarten 1,5 Prozent Wachstum des BIP fürs nächste Jahr, kalenderbereinigt wären das 1,8 Prozent, die Beschäftigung wird sogar ein neues Rekordniveau erreichen.

FR: Das klingt doch recht vielversprechend.

Fuest: In der Tat. Was allerdings vielen Menschen Sorgen bereitet, ist die anhaltende Niedrigzinssituation. Die Realverzinsung lag letztes Jahr noch bei null, dieses Jahr sind es aber minus 1,5 Prozent. Das ist zwar historisch schon vorgekommen, die Frage ist allerdings, wie lange man ein solches Szenario aufrechterhält.

Ich denke, dass die EZB im Herbst etwas unternehmen wird. Sie wird wohl erst die Anleihekäufe abbauen und dann die Zinsen erhöhen. Zum Beispiel könnte sie das Volumen der Anleihekäufe ab 2018 um 10 Milliarden Euro pro Monat verringern.

FR: In anderen europäischen Staaten sieht die wirtschaftliche Lage nicht so rosig aus.

Fuest: Wenn wir uns die wirtschaftliche Entwicklung in den einzelnen EU-Staaten betrachten, sehen wir doch recht unterschiedliche Ergebnisse. In Deutschland hat sich das Pro-Kopf-Einkommen seit Euro-Einführung 2000 um rund 20 Prozent gesteigert. In Frankreich waren es seitdem knapp zehn Prozent und in Griechenland etwa minus drei Prozent. Und obwohl Griechenland immer als Worst-Case-Szenario dargestellt wird, ist die Lage in Italien mit minus sieben Prozent in diesem Punkt wesentlich schlimmer. Das ist in der Geschichte der OECD-Staaten seit dem zweiten Weltkrieg ein einmaliger Vorgang.

FR: Also ist Italien das eigentliche Sorgenkind der EU?

Fuest: Italien war einmal eins europafreundlichsten Länder der EU; mittlerweise lehnt ein großer Teil der Bevölkerung die EU ab. Das Risiko, das ich sehe, liegt darin, dass Cinque Stelle die nächste Wahl gewinnt und den möglichen Austritt benutzt, um Deutschland zu erpressen.

FR: Wieso ist Deutschland in dieser Hinsicht erpressbar?

 Fuest: Das hat seine Ursache in den Target-Salden der nationalen Notenbanken. Die befinden sich derzeit auf einem historischen Höchststand. Italien und Spanien stehen bei der EZB jeweils mit rund 350 Milliarden Euro in der Kreide. Der Saldo Deutschlands beträgt im Gegenzug derzeit mehr als (plus) 800 Milliarden Euro. Wenn Cinque Stelle die Wahl gewinnt, könnte sich der italienische Target-Saldo innerhalb weniger Tage locker verdoppeln. Ein neuer italienischer Ministerpräsident hätte also ein enormes Druckmittel, indem er die Rückzahlung im Falle des Austritts infrage stellt.

 

TARGET2_balances.png

Quelle: Wikipedia

FR: Wohin wird sich denn die Eurozone in Zukunft entwickeln?

Fuest: Es ist entscheidend, die Governance zu verbessen. Die Eurozone beruht ja auf der Idee, dass sich souveräne Staaten an bestimmte Verpflichtungen binden können – zum Beispiel ein Budget-Defizit. Das ist jedoch ein fundamentaler Denkfehler. Souveräne Staaten werden nichts tun, was gegen ihre Interessen spricht. Es liegt nun mal häufiger im Interesse der Euro-Staaten, von diesen Verpflichtungen abzuweichen. Das heißt in der Folge, dass wir die Eurozone so organisieren müssen, dass wir von den Versprechungen der Mitgliedstaaten nicht abhängig sind.

 FR: Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

 

 Fuest: Das lässt sich schön am Beispiel Griechenland beobachten. Tsipras hat sich ja 2012 mit dem Vertrag zum ersten Hilfsprogramm verpflichtet, bis 2014 einen Primärüberschuss von sechs Prozent zu erzeugen. Tatsächlich hat Griechenland das Primärdefizit auf null gebracht – und seitdem dort belassen. Als Schuldner haben sie kein Interesse an Tilgung oder Zinszahlung. In der Folge gab es einen neuen Vertrag: Nun wurde ein Primärüberschuss von 4,5 Prozent bis 2016 festgelegt. Das Ergebnis war jedoch wieder null. Also wurde das Ziel für den Primärüberschuss im dritten Anpassungsprogramm nochmal auf 3,5 Prozent reduziert. 2016 wird vielleicht ein höherer Überschuss erzielt, aber der wird 2017 wohl wieder verschwinden. Das ist natürlich Realsatire.

Es geht aber nicht nur um Griechenland, das ja auch mit großen Problemen zu kämpfen hat. Seit Gründung der Eurozone hat es 168 Verletzungen des Defizitkriteriums gegeben. Konsequenz? Keine.

 FR: Was schlagen Sie als Lösung vor?

Fuest: Europa muss lernen, Erwartungen zurückzuschrauben, und die Staaten müssen in beschränkten, klar abgegrenzten Politikbereichen Kompetenzen abgeben. Geldpolitik lässt sich mit einem klaren Mandat auf die europäische Ebene delegieren, bei der Fiskalpolitik funktioniert das eher nicht.

Entweder wir europäisieren Kompetenzen, dann werden die Nationalparlamente nicht mehr gefragt. Oder belassen sie in der Verantwortung der Staaten und akzeptieren, dass die Haftung auch national ist.

Wir brauchen eine Eurozone, in der im Fall einer Finanzkrise eines einzelnen Mitgliedstaats die Gläubiger haften – und nicht die Steuerzahler anderer Länder. Das war auch ursprünglich so gedacht und hat nur deshalb nicht geklappt, weil die Banken vollgeladen waren mit Staatsanleihen – was auch heute noch der Fall ist. Deswegen sollten Banken auch keine Staatsanleihen ohne ausreichende Hinterlegung von Eigenkapital halten dürfen.

FR: Wie lässt sich das umsetzen?

Fuest: Dafür haben wir ein Fünf-Punkte-Programm erarbeitet, das eine Banken-Regulierung, eine effektivere Schuldenkontrolle, ein klares Mandat für den Euro-Rettungsschirm ESM, die Möglichkeit zur Restrukturierung von Anleihen überschuldeter Mitgliedstaaten sowie die Stärkung der Unabhängigkeit der EZB beinhaltet– aber auch das Verbot der Staatsfinanzierung durch die EZB.

(TG)

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