Wandelanleihen fristen bei vielen Anlegern ein Schattendasein. Zu Unrecht, denn sie bieten mit ihrer Kombination aus Aktie und Anleihen das beste aus zwei Welten. Nach einer Schwächephase in den vergangenen Jahren schwingen sie sich nun auf zu alter Stärke zurückzukehren. Ivan Nikolov, Leiter des Convertible Bonds Teams bei Fisch Asset Management, erklärt warum jetzt ein guter Einstiegszeitpunkt ist.
03.01.2025 | 06:00 Uhr
TiAM FundResearch: Herr Nikolov, die Performance von Wandelanleihen war in den vergangenen Jahren eher mau. Was waren die Gründe dafür?
Ivan Nikolov: Historisch gesehen gab es mehrere Phasen, in denen Wandelanleihen Aktien übertrafen, wie im Jahr 2020, und Phasen erheblicher Underperformance, wie in der jüngsten Vergangenheit. Diese Unterschiede sind jedoch meist nicht auf eine spezifische Bewertung oder Merkmale von Wandelanleihen zurückzuführen, sondern auf die Art der Unternehmen, die Convertibles emittieren, im Vergleich zu den marktführenden Aktien der jeweiligen Periode. Der Bias zu Wachstumsunternehmen der Anlageklasse erweist sich häufig als sehr vorteilhaft: 2020 übertrafen Wandelanleihen Aktien, da Neuemissionen vieler Unternehmen, die von den niedrigen Zinsen und den Covid-Stützungsmaßnahmen profitierten, für Rückenwind sorgten, während zyklischere Teile des globalen Aktienmarktes hinterherhinkten. In den folgenden Jahren versiegte jedoch die Emissionstätigkeit von Wandelanleihen, während globale Aktien, angeführt von einigen herausragenden US-Werten, stark zulegten – die meisten davon hatten keine Wandelanleihen ausstehend. Gleichzeitig wurden viele der Aktien, die 2020 von den Stimulusmaßnahmen profitierten und den Wandelanleihen Rückenwind gaben, stark getroffen. Ähnliche Dynamiken konnten wir auch während der Dotcom-Blase und der globalen Finanzkrise beobachten. Die vergangenen Monate, was sehr erfreulich ist, waren wieder durch einen sehr aktiven Primärmarkt gekennzeichnet - historisch betrachtet auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau -, während die so genannten „Magnificent 7“-Aktien Anzeichen von Schwäche zeigten.
Wie beurteilen Sie nun die aktuellen Aussichten für den Markt für Wandelanleihen in einem Umfeld sinkender Zinssätze und volatiler Märkte?
In Zeiten erhöhter Anspannung an den Finanzmärkten kommen die Vorteile von Wandelanleihen besonders gut zur Geltung. In einer kürzlich erstellten Studie zeigten wir auf, dass in den vergangenen 30 Jahren rund die Hälfte aller Erträge globaler Aktien in den volatilsten Monaten erzielt wurden. Wandelanleihen haben eine natürliche Ausrichtung auf das Wachstumssegment, hinzu kommt eine zunehmende Zahl von Neuemissionen von Unternehmen, die von Megatrends profitieren. In Verbindung mit der eingebauten Konvexität (Kursgewinne bei steigenden Aktienkursen, während Rückschläge durch die festverzinslichen Merkmale der Anleihe abgefedert werden) ermöglicht die Anlageklasse den Anlegern, von zukunftsweisendem Wachstum zu profitieren und sich gleichzeitig vor den typischen starken Kursschwankungen dieser Aktien ein Stück weit abzuschirmen. Die kürzere Zinsduration von CBs im Vergleich zu Investment-Grade- als auch High-Yield-Anleihen hilft ebenfalls, sich in einem unsicheren geldpolitischen Umfeld zu positionieren.
Welche Rolle spielen Übernahmen?
Auch Übernahmeaktivitäten (M&A) haben zuletzt zugenommen. Für Wandelanleihen ist M&A nicht nur ein Katalysator für die Emissionstätigkeit, sondern auch für die Rendite: Wachstumsunternehmen, die Wandelanleihen emittieren, sind häufig Übernahmeziele, und viele Wandelanleihen beinhalten wertvolle Klauseln, die bei Übernahmen beträchtliche Zusatzerträge generieren können, manchmal sogar höher als der Anstieg des Aktienkurses selbst.
Welche Sektoren bieten derzeit die größten Chancen für Investoren in Wandelanleihen und welche Risiken sehen Sie?
Der Wandelanleihenmarkt hat eine natürliche Ausrichtung auf langfristige Wachstumstrends wie beispielsweise Künstliche Intelligenz, steigende Gesundheitsausgaben oder Cybersicherheit, welche eine gewisse Abschirmung der Unternehmensgewinne gegen Konjunkturabschwünge bieten. Da viele solcher Unternehmen über Wandelanleihen investierbar sind, können Anleger dadurch von der mittelfristigen Wertsteigerung der Aktien profitieren. Allerdings könnten sich die Aktienkurse recht volatil entwickeln, da Wachstumswerte oft stark auf kurzfristige Stimmungsänderungen am Markt reagieren. Die Fähigkeit von Wandelanleihen, Verluste zu begrenzen und damit Kapital zu bewahren, wenn Aktien fallen, ist jedoch nicht bei allen Emittenten gleich ausgeprägt. Ein hoher Verschuldungsgrad, ein hoher Cash-Burn und/oder eine problematische Unternehmensführung (Governance) können das Risiko/Ertragsprofil deutlich verschlechtern – dies wird bei mechanisch konstruierten Indizes oft übersehen, die sich auf Emissionsgröße und/oder Preis stützen. Für aktive Manager wie Fisch Asset Management, die über die notwendigen Research-Kapazitäten verfügen und sich zutrauen, sich mit Überzeugung abseits dieser Benchmarks zu positionieren, ergeben sich dadurch mehr Möglichkeiten zur Alpha-Generierung.
Wie unterscheiden sich Wandelanleihen von traditionellen Anleihen und Aktien in einem Portfolio und wie können sie Anlegern helfen, eine ausgewogene Risikostruktur zu erreichen?
Wandelanleihen profitieren von steigenden Aktienkursen, während sie in Stressphasen durch ihre Anleihekomponenten (Kupons und festgelegte Rückzahlungswerte) Verluste abfedern. Diese asymmetrische Ertragsstruktur und die kürzere Zinssensitivität im Vergleich zu Investment-Grade- als auch Hochzinsanleihen machen Wandelanleihen widerstandsfähiger.
Gehören Wandelanleihen in jedes Portfolio?
Wandelanleihen können in den meisten Portfolios während des gesamten Marktzyklus eine sinnvolle Diversifikation und Effizienz bieten. Strategisch können sie die Renditen gemischter Aktien-/Anleihenportfolios erhöhen, und taktisch können sie Investoren helfen, weiterhin in Aktien investiert zu bleiben, während sie sich gleichzeitig gegen einen Teil der Volatilität absichern.
Welche Kriterien legen Sie bei der Auswahl von Wandelanleihen zugrunde? Konzentrieren Sie sich eher auf Small-Cap- oder Large-Cap-Emittenten?
Grundsätzlich präferiert unser Fisch-Wandelanleihen-Team eine Kombination aus Gewinnwachstum sowie starken Bilanzen und Cashflows. Das Unternehmenswachstum sollte die Aktien- und Wandelanleihepreise stützen, während die Bilanzen und Cashflows sicherstellen, dass die Emittenten das Kapital zurückzahlen können, falls das Wachstum nicht wie erwartet eintritt. Wir haben eine ausgewogene Mischung aus großen, mittleren und niedrig kapitalisierten Unternehmen in unserer Auswahl.
Wer emittiert derzeit Wandelanleihen?
Häufig begeben Unternehmen mit starkem Umsatz- und Gewinnwachstum Wandelanleihen, da diese mit niedrigeren Zinskosten einhergehen und es den Unternehmen ermöglichen, ihre Cashflows zu reinvestieren und/oder Aktien zurückzukaufen, wenn sie der Ansicht sind, dass das Wachstum noch nicht vollständig eingepreist ist. Nach einer Durststrecke nach der Pandemie hat die Emissionsaktivität solcher Wachstumsunternehmen in den Bereichen Technologie und Gesundheit wieder zugenommen, was wir ermutigend finden.
Wirken sich geopolitische Risiken wie Handelskonflikte oder der Krieg in der Ukraine auf den Markt für Wandelanleihen aus?
Unsicherheiten rund um Geopolitik und Wahlen sowie gemischte Wirtschaftsdaten stellen weiterhin erhebliche Hürden dar auf dem Weg zu positiven Renditen, halten die Volatilität hoch und verunsichern die Anleger. Wandelanleihen sind davon ebenfalls betroffen, aber ihre konvexe Ertragsstruktur wirkt sich dennoch positiv auf das Verlustrisiko von Portfolios aus. In besonders unsicheren Zeiten ist es daher ratsam, strategische durch taktische Allokationen in Wandelanleihen zu ergänzen.
Welche Rolle spielen die ESG-Faktoren bei der Auswahl von Wandelanleihen in Ihrer Strategie?
ESG-Faktoren sind heute für die meisten Anleger in allen Anlageklassen, einschließlich Wandelanleihen, ein Standardkriterium. Unsere Anlageklasse weist mit einem geringen Anteil der Sektoren Bergbau, Öl und Gas sowie Tabak ein insgesamt günstiges ESG-Profil auf. Bei Fisch Asset Management berücksichtigen wir wesentliche ESG-Aspekte in unserem ganzheitlichen fundamentalen Research-Prozess für alle CB-Strategien. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass insbesondere eine gute Unternehmensführung wichtig ist, um Notlagen und dauerhafte Kapitalverluste in einem schwierigen Umfeld zu vermeiden. Darüber hinaus waren wir einer der weltweiten Pioniere, die vor mehr als 15 Jahren einen speziellen nachhaltigen CB-Fonds lancierten, für den wir einen maßgeschneiderten Best-in-Class/Best-of-Class- Selektionsprozess haben.
Welche Rolle spielt die Convertible-Arbitrage-Strategie noch auf dem Markt?
Convertible-Arbitrage-Hedgefonds spielen eine wichtige Rolle im Markt, da sie ein Gleichgewicht zwischen den Bewertungen am Primär- und Sekundärmarkt von Wandelanleihen-Optionen sicherstellen und für ausreichend Liquidität sorgen. Durch die Nutzung von Bewertungsarbitrage-Möglichkeiten stellen Hedgefonds sicher, dass sich die Preise von Wandelanleihen nicht zu stark von den entsprechenden Aktien und Anleihen entfernen. Auf diese Weise erhöhen Hedgefonds auch die Handelsliquidität, insbesondere in Zeiten hoher Volatilität. Trotz erheblicher Abflüsse traditioneller Wandelanleiheinvestoren ist die Liquidität auf dem Sekundärmarkt derzeit auf einem Rekordhoch.
Haben Sie eine Veränderung des Interesses der Anleger an Wandelanleihen festgestellt?
Viele Wandelanleiheinvestoren haben in den letzten Jahren ihre Allokationen verringert oder sich vorübergehend aus dieser Anlageklasse zurückgezogen. Im Gegenzug haben Asset-Manager erhebliche Abflüsse erlitten. Angesichts des wachsenden Angebots an Wandelanleihen und hoher Volatilität an den Aktienmärkten gibt es gute Gründe, eine starke Trendumkehr zu erwarten. Es ist zwar noch früh, aber wir sehen bereits Hinweise, dass einige Investoren nach neuen Einstiegszeitpunkten in unsere bevorzugte Anlageklasse suchen. Das Interesse der Investoren wird durch das zunehmende Neuemissionsvolumen und die attraktiven Wachstumsprognosen im Vergleich zum breiteren Aktienmarkt geweckt.
Wie sehen Sie die Rolle von Wandelanleihen aus Schwellenländern wie China für europäische Anleger?
Das Emissionsvolumen großer Blue-Chip-Unternehmen aus China ist zuletzt deutlich gestiegen und ist ein gutes Beispiel für die Chancen, die Wandelanleihen bieten können. Die historische Unterbewertung vieler asiatischer Aktien im Vergleich zu ihren westlichen Pendants, zusammen mit soliden Bilanzen und Cashflows, stellt einen Sweet Spot im Hinblick auf die Konvexität dar: Wandelanleihen sind eine effiziente Möglichkeit für Investoren, sich an den Wachstumsdynamiken der Unternehmen und den Impulsgebern in der Region zu beteiligen, während sie vor einem erheblichen Teil der Aktienvolatilität abgeschirmt sind.
Kann KI bei der Analyse von Wandelanleihen helfen?
Im Bereich der Fundamentalanalyse ermöglichen KI-Tools eine schnellere Analyse von Unternehmensinformationen. Dies hilft, die Abdeckung von Emittenten effizient zu erweitern. In Bezug auf Wandelanleihen bedeutet die Dynamik in Verbindung mit ständig wechselnden Treibern dieser Anlageklasse jedoch, dass die nutzbaren Daten fragmentierter sind und insgesamt kürzere Zeitreihen haben, so dass KI-Modelle schwieriger trainiert und somit weniger eingesetzt werden können. Gleichzeitig zeigt dies, dass der tiefgehenden eigenen Analyse in der Anlageklasse eine hohe Bedeutung zukommt.
Wird der Primärmarkt für Wandelanleihen in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle spielen?
Der Primärmarkt ist das Lebenselixier der Anlageklasse. Emissionen erweitern das Anlageuniversum und schaffen mehr Alpha-Chancen für aktive Investoren. Selbst wenn wir einige weitere Zinssenkungen sehen, erwarten wir, dass der aktuelle Emissionstrend aufgrund des bevorstehenden Refinanzierungsbedarfs, hoher Gesamtkapitalkosten und nicht zuletzt auch durch Fusionen und Übernahmen (M&A) anhalten wird. Eine solche Entwicklung konnten wir bereits in der Vergangenheit beobachten.
Welche Rolle spielen die synthetischen Wandelanleihen?
Synthetische Wandelanleihen werden von Investmentbanken emittiert und bieten Zugang zu Aktien anderer Unternehmen. Synthetische Wandelanleihen erweitern damit das Angebot für Wandelanleiheinvestoren. Allerdings sollten die Handelsliquidität am Sekundärmarkt und die Bewertung der eingebetteten Optionen unbedingt berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass das Risiko-/Rendite-Potenzial im Vergleich zu anderen Instrumenten und Anlageklassen tatsächlich vorhanden ist.
Was ist das ideale Umfeld für Wandelanleihen?
Das ideale Marktumfeld für Wandelanleihen ist durch eine erhöhte Emissionstätigkeit und Volatilität gekennzeichnet. Einerseits sollten Neuemissionen von Unternehmen, die von langfristigen Wachstumstrends und -themen profitieren, gut für die Gesamtrenditen sein. Andererseits würde ein ansonsten unsicherer und volatiler Aktienmarkt auch bedeuten, dass Wandelanleihen bessere risikoadjustierte Renditen im Vergleich zu Aktien liefern sollten.
Wandelanleihen gelten als weniger volatil als Aktien, sind aber seit 2022 nicht immun gegen die Auswirkungen der Geopolitik und Zinserhöhungen. Sind Sie optimistisch, dass sich die Anlageklasse in naher Zukunft gut entwickeln wird?
Da Unsicherheit und Nervosität an den Aktienmärkten weiterhin bestehen, bieten Wandelanleihen einen überzeugenden Mehrwert für Investoren, die Wachstumschancen mit einem Puffer gegen Volatilität bevorzugen. Die Unternehmensgewinne und damit auch die Aktienkurse bzw. die Wandelanleihenpreise dürften von langfristigen Zukunftstrends auch weiterhin profitieren. Dieses Wachstum wird jedoch wahrscheinlich nicht geradlinig verlaufen. Derzeit sprechen eine erhöhte Volatilität, steigende Emissionen und M&A-Aktivitäten für taktische Allokationen in Wandelanleihen. Wie immer sollten Investoren diese Anlageklasse mit einem kritischen Blick und einem Fokus auf Qualität beurteilen. Entscheidend ist eine gründliche Due Diligence sowie der Fokus auf die langfristigen Ertragsaussichten.
Wie sind die aktuellen Bewertungen von Wandelanleihen?
Die Bewertungen der eingebetteten Optionen von Wandelanleihen sind derzeit attraktiv. Abflüsse von Long-Only-Asset-Managern in den letzten Jahren und das gestiegene Emissionsvolumen haben zu einer Unterbewertung des Wandelanleihenmarktes geführt (in Bezug auf die implizite Volatilität), was auch daran abgeleitet werden kann, dass dadurch Arbitrage-Hedgefonds angezogen wurden. Das aktuelle 50/50-Verhältnis zwischen Hedgefonds und Long-Only führt zu attraktiveren Bewertungen bei Neuemissionen. Gleichzeitig weisen Arbitrage-Hedgefonds einen deutlich geringeren Leverage auf, als dies vor der Finanzkrise noch der Fall gewesen ist, was insgesamt zu einer höheren Stabilität des Gesamtmarktes führt.
Zur Person:
Ivan Nikolov stieß per 1. Januar 2024 als Co-Head Convertible Bonds zu Fisch Asset Management. Per 1. April 2024 ernennt Fisch Asset Management Nikolov zum Leiter des Wandelanleihen-Teams mit fünf Portfoliomanagern. Das Team verwaltet fünf Strategien über das gesamte Wandelanleihen- sowie Risikospektrum hinweg mit einem Volumen von rund zwei Milliarden Euro. Nikolov blickt auf eine sehr erfolgreiche Karriere als Portfolio Manager bei NN Investment Partners in London zurück. Dort war er für Wandelanleihenportfolios mit einem verwalteten Volumen von mehr als zwei Milliarden US-Dollar mit zuständig. Zuvor arbeitete er vier Jahre lang als Portfoliomanager für Wandelanleihen bei Aberdeen Asset Management. Nikolov absolvierte ein Studium in Wirtschaftswissenschaft und Management mit einem MA und BA an der Universität Oxford.
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