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Maskenkriege

Maskenkriege
Volkswirtschaft
Maskenkriege
09/2020
Hugo Drochon
Project Syndicate

@ Feedback an Redaktion

In letzter Zeit haben die USA regelmäßig ihren Tagesrekord neu bestätigter COVID-19-Fälle gebrochen. Die Pandemie greift hier inzwischen erbarmungslos auf die südlichen und westlichen Staaten über: Arizona hatte so viele Fälle wie die gesamte Europäische Union, deren Bevölkerung 60 Mal so groß ist.

30.09.2020 | 08:00 Uhr

Was ist da schiefgegangen? Unter anderem haben bestimmte Staaten ihre Beschränkungen zu früh wieder aufgehoben. Kalifornien, eine frühe Erfolgsgeschichte, hat in den letzten Wochen eine Zunahme der Fälle um 90% erlebt und musste einige Lockdown-Beschränkungen wieder einführen. Floridas tägliche Zahl neuer Fälle von rund 5000 in der letzten Juniwoche hatte sich einen Monat später mehr als verdoppelt.

Doch vielleicht am meisten Schuld hat die tiefe Spaltung der Gesellschaft in der Frage der Gesichtsmasken, die sich in den USA zu einer weiteren Front in einem laufenden Kulturkrieg entwickelt hat. In einer aktuellen Meinungsumfrage des Pew Research Center gaben nur 49% der konservativen Republikaner an, dass sie im vergangenen Monat die meiste Zeit über eine Gesichtsmaske getragen hätten; unter liberalen Demokraten lag dieser Wert bei 83%. Im gesamten Land gab es, häufig vor Minimärkten, wütende Konfrontationen zwischen Maskenbefürwortern und Maskengegnern.

Amerikas Polarisierung in der Frage der Gesichtsmasken ging von ganz oben aus. Seit Beginn der COVID-19-Krise hat sich Präsident Donald Trump störrisch geweigert, in der Öffentlichkeit eine Maske zu tragen; einen Reporter, der sich weigerte, seine Maske abzulegen, verspottete er als „politisch korrekt“. Viele gewählte republikanische Amtsträger, darunter etliche Gouverneure von US-Bundesstaaten wie Ron DeSantis in Florida, folgten Trumps Beispiel. Während Trumps inzwischen berüchtigter Wahlveranstaltung in Tulsa im Juni trug kaum jemand eine Maske (und die dortigen Infektionszahlen schossen anschließend in die Höhe). Erst Ende Juli sprach sich Trump angesichts steil fallender Umfragewerte, massiver Ausbrüche in Staaten, wo er gewinnen muss, um im November wiedergewählt zu werden, und angeblich dringender Appelle von Mitarbeitern, sich in seinen öffentlichen Äußerungen darauf zu konzentrieren, das Virus ernst zu nehmen, für das Tragen von Masken aus (ohne selbst eine aufzusetzen).

Im Gegensatz dazu tritt Joe Biden, Trumps mutmaßlicher demokratischer Gegenkandidat im November, in der Öffentlichkeit regelmäßig mit einer Maske auf und hält die Abstandsregeln ein. Darüber hinaus hat Biden erklärt, er würde, wäre er an Trumps Stelle, „alles ihm Mögliche tun, um das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit zur Pflicht zu machen“.

Auch die Gesundheitsbehörden sandten uneinheitliche Signale aus. Sowohl die US Centers for Disease Control and Prevention als auch die Weltgesundheitsorganisation empfahlen das der Bevölkerung zunächst nicht, Gesichtsmasken zu tragen, weil sie eine Verknappung beim medizinischen Personal befürchteten. Doch änderten beide im Gegensatz zu Trump später aufgrund der epidemiologischen Belege ihre Ratschläge.

Auf Bevölkerungsebene gibt es in den USA neben dem missionarischen Libertarismus, der der Ansicht vieler republikanischer Wähler zugrundeliegt, dass Masken „Maulkörbe“ für die persönliche Freiheit und die freie Entscheidung seien, eine starke religiöse Strömung des Widerstands gegen Gesichtsmasken. Ein Bewohner Floridas protestierte, das Tragen einer Maske „werfe Gotts wunderbares Atmungssystem zur Tür hinaus“. Doch hat der Widerstand gegen Masken für fundamentalistische Christen eine tiefergehende Logik: Christen tragen Kreuze; nur Muslime verhüllen ihr Gesicht.

Die Verbindung zwischen Islamophobie und der Feindseligkeit gegenüber der Bedeckung des Gesichts besteht seit langem. Vor zwei Jahren verglich der britische Premierminister Boris Johnson verschleierte muslimische Frauen mit „Briefkästen“, und 2011 führte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy das kontroverse „Burkaverbot“ ein, das es muslimischen Frauen untersagte, in der Öffentlichkeit einen das ganze Gesicht verdeckenden Schleier zu tragen. In Frankreich kam die staatliche Anordnung, in Reaktion auf COVID-19 eine Gesichtsmaske zu tragen, vielen als ironisch, wenn nicht sogar direkt diskriminierend vor. James McAuley von der Washington Post beschrieb es so: „… wollte eine gläubige Muslima die Pariser Metro benutzen, müsste sie ihre Burka abnehmen und durch eine Maske ersetzen“.

Auch wenn die Absicht von Sarkozys Gesetz mit dem Namen La République se vit à visage découvert („Die Republik wird mit unbedecktem Gesicht gelebt“) eindeutig diskriminierend war, kleidete sie sich in eine edlere, bis in die Aufklärung zurückreichende Begründung für das unmaskierte Auftreten im öffentlichen Raum. Damals argumentierten Philosophen wie Jean-Jacques Rousseau, die die durch die aristokratischen bals masqués gekennzeichnete höfische Politik des Ancien Régime ablehnten, dass eine Republik vollständig transparent sein sollte: Wer im öffentlichen Raum agiere, sollte sehen und gesehen werden können. Nur so könne eine wahrhaft demokratische Politik entstehen.

Rousseaus Idee war, dass demokratische Bürger sich öffentlich auseinandersetzen würden; dies würde sie zwingen, die Verantwortung für ihre Ansichten zu übernehmen. Doch zwei jüngste Entwicklungen haben diesen demokratischen Raum in Frage gestellt.

Die erste sind technologische Erfindungen wie die Gesichtserkennung, die der Staat nutzen kann, um seine Bevölkerung zu überwachen und zu steuern. Aus diesem Grund warteten zum Beispiel demokratiefreundliche Demonstranten in Hongkong nicht erst die Pandemie ab, um ihr Gesicht abzudecken.

Zweitens macht die Maskenpflicht, die viele westliche Länder in Reaktion auf COVID-19 eingeführt haben, die Art von Transparenz, die Rousseau vorschwebte, schwer erreichbar. Als im Juni die „Black Lives Matter“-Proteste ausbrachen, deckten die Teilnehmer, die als gute Demokraten normalerweise mit „offenem Gesicht“ demonstriert hätten, dieses ab.

Dieser Mangel an Transparenz kann für Demonstranten, die Freunde oder Mitstreiter jetzt nicht mehr erkennen können, amüsant oder auch frustrierend sein. Doch wenn er auf der anderen Seite passiert – wenn Sicherheitskräfte ihre offiziellen Insignien abnehmen oder verdecken und sich so faktisch der Strafverfolgung wegen Gewalttaten gegen friedliche Demonstranten entziehen, ist die Bedrohung des demokratischen öffentlichen Raums grundlegender Art. Diese Sorgen haben sich mit Trumps Einsatz paramilitärischer Kräfte der US-Bundesregierung zur Unterdrückung der abendlichen Proteste in Portland (Oregon) und seiner Bereitschaft, dasselbe in anderen Städten zu tun, inzwischen verwirklicht.

Letztlich sollten uns die Pandemie und die Proteste an eine simple Wahrheit erinnern: Eine Maske ist immer nur eine Maske. Was für die Demokratie zählt, ist nicht, ob Menschen in der Öffentlichkeit ihr Gesicht verdecken, sondern wer das tut, und warum.

Über den Autor

Hugo Drochon

Hugo Drochon ist außerordentlicher Professor für politische Theorie an der Universität Nottingham und der Verfasser von Nietzsche’s Great Politics.

Copyright: Project Syndicate

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