Capital Group: US-Aktien – Big Tech is back. Doch wie lange?

Capital Group: US-Aktien – Big Tech is back. Doch wie lange?
US-Aktien

Viele der Protagonisten des letzten großen Tech-Bullenmarkts – darunter Alphabet, Apple, Microsoft, Meta und Nvidia – sind in diesem Jahr bei der beginnenden Erholung des Sektors ganz vorn dabei.

27.06.2023 | 09:42 Uhr

Ob sich diese dynamische Entwicklung fortsetzt, kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen. Immerhin: Der technologieorientierte CRSP US Mega Cap Growth Index hat seit dem 18. Mai um mehr als 26 Prozent zugelegt – fast dreimal so viel wie der S&P 500 Index. Was sind die Gründe für die Rally?

„Der Tech-Bereich erlebte 2022 den stärksten Einbruch, sodass es nun eine entsprechend starke Gegenbewegung geben kann. Das ist sicherlich ein wichtiger Faktor“, so Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group. „Man kann außerdem mit einigem Recht sagen, dass viele der betroffenen Unternehmen mehr gelitten haben, als angemessen gewesen wäre, weil ganze Sektoren in einen Abwärtsstrudel gerieten und ein teilweise panischer Abverkauf stattfand.“

Auch die sich ändernden Zinsaussichten sorgen laut Braun für willkommenen Rückenwind. Mitte Juni hatte die US-Notenbank Fed den Leitzins unverändert gelassen. Das habe langfristigen Anlagen Auftrieb gegeben, darunter auch vielen Technologiewerten.

Die schnelle Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI), zum Beispiel des beliebten Chatbots ChatGPT, ist aus Sicht Brauns ein weiterer Faktor, der den Technologiesektor attraktiv macht. ChatGPT, das zu Microsoft und OpenAI gehört, sei in diesem Jahr zur am schnellsten wachsenden Anwendung für Privatverbraucher der Geschichte geworden.

„Man muss sich die einzelnen Unternehmen genau ansehen“, sagt Braun. „Viele von ihnen senken ihre Kosten. Die Gewinnspannen steigen. Teilweise ändern sich auch die strategischen Ziele. Die zentrale Frage lautet dabei: Werden diese Unternehmen profitabel genug sein, um längerfristig in der Erfolgsspur zu bleiben?“

Fokus auf Profitabilität und Effizienz

„Nicht wenige Mega-Cap-Technologie- und Medienunternehmen sind aktuell interessant – aus unterschiedlichen Gründen“, erklärt Braun. „Im letzten Jahr verzeichneten sie starke Verluste, was dazu geführt hat, dass sie heute zurückhaltender und realistischer bewertet werden. Viele von ihnen mussten ihre Wachstumsziele neu definieren. Vor diesem Hintergrund agieren sie jetzt umsichtiger und effizienter.“

Meta Platforms (ehemals Facebook) sei ein prominentes Beispiel. Der Social-Media-Riese habe in den letzten Monaten mehrere Entlassungsrunden hinter sich gebracht und sein digitales Werbegeschäft mit KI-Tools zur Verbesserung seiner Systeme für die Zielgruppenwerbung umgestaltet. Diese und andere entschlossene Schritte hätten dazu beigetragen, dass Meta am 26. April einen Umsatzanstieg von 3 Prozent im Jahresvergleich vermelden und damit eine Phase von drei Verlustquartalen beenden konnte.

Netflix sei ein weiteres Beispiel für das neu entdeckte Kostenbewusstsein. In den letzten Monaten habe der Streaming-Riese mehrere wichtige Schritte hin zu mehr Effizienz unternommen, darunter die Einführung einer werbeunterstützten Serviceebene, effektive Maßnahmen zur Verhinderung der Weitergabe und Mehrfachnutzung von Passwörtern und Planungen zur Beendigung seines DVD-Verleihgeschäfts.

Kann die Tech-Rallye weitergehen?

Auch wenn einzelne technologiefokussierte Unternehmen profitabler würden, besteht aus Sicht Brauns ein grundlegendes Problem: Es deute wenig auf ein robustes und nachhaltiges Umsatzwachstum hin.

„Wir sehen Gewinnspannen über den Erwartungen, weil Unternehmen plötzlich mehr Kostendisziplin an den Tag legen“, erklärt Braun. „Anleger reagieren positiv auf Unternehmen, die sich auf Rentabilität konzentrieren und sie auch erreichen, was in einem Umfeld mit hohen Zinsen eine vernünftige Strategie ist. Die Aktien steigen aber dennoch nicht, weil der Schwerpunkt auf organischem Umsatzwachstum liegt.“

Braun ist deshalb skeptisch in Bezug auf die im historischen Vergleich nach wie vor hohen Technologiebewertungen. Anleger sollten auch die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass sich das wirtschaftliche Umfeld in den kommenden Monaten verschlechtern könnte, etwa wenn die USA in eine Rezession fallen sollten. „Wir brauchen eine sanfte Landung, damit die aktuelle positive Entwicklung nachhaltig ist“, so Braun.

Auswirkungen für Investoren: das Spektrum verbreitert sich

Unabhängig davon, ob der Big Tech Run weitergehe oder irgendwann auslaufe, sei die aktuelle Entwicklung eindeutig Teil eines größeren Trends zu einer Erweiterung der Möglichkeiten seit dem Beginn des Bärenmarktes Anfang 2022. US-amerikanische Tech-Aktien mit hoher Marktkapitalisierung würden heute zwar den Aufschwung vorantreiben, im Gegensatz zum größten Teil der vergangenen Dekade seien sie aber längst nicht mehr das einzig interessante Betätigungsfeld für Anleger.

In den letzten anderthalb Jahren seien zuerst die Inflation und dann die Zinsen stark gestiegen. Vor diesem Hintergrund würden verschiedene andere Sektoren und Regionen einen Aufschwung erleben. Dazu gehören aus Sicht Brauns der Energie-, Gesundheits- und Industriesektor sowie europäische Aktien – die erstmalig seit vielen Jahren besser abschneiden würden als ihre US-Pendants. In verschiedenen Phasen während der letzten 18 Monate seien traditionell wertorientierte und dividendenausschüttende Aktien stärker gestiegen als wachstumsorientierte Werte. „Das sind gute Nachrichten für aktive Investoren“, sagt Braun.

„Früher lautete die Devise am Markt schlicht ,entweder/oder‘. Heute haben wir ein wesentlich ausgewogeneres Umfeld“, so Braun. „Es geht nicht mehr alles nur in eine Richtung. Das Spektrum der Anlageoptionen hat sich erweitert und umfasst Wachstums- und Qualitätsaktien, den Technologiesektor und Industrieunternehmen. Heute eröffnen sowohl zyklische als auch strukturell orientierte Werte gute Chancen. Für Investoren, die bereit sind, ihre Hausaufgaben zu machen, ist dies ein viel attraktiveres Umfeld als zuvor, mit viel mehr Möglichkeiten.“

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