Die Dekarbonisierung unserer Wärme- und Kältenetze ist ein wichtiger Schritt in Richtung Netto-Null. Fernwärmenetze und Wärmepumpen, die mit erneuerbarem Strom betrieben werden, könnten die Lösung sein.
28.04.2025 | 12:10 Uhr
Da der Klimawandel extremere Temperaturen und Wetterlagen mit sich bringt, wird der Mensch immer mehr auf Temperaturregelungssysteme angewiesen sein, um sich wohlzufühlen und produktiv zu bleiben. Umso dringender müssen diese Systeme durch den Einsatz erneuerbarer Energien und effizienterer Technologien dekarbonisiert werden.
Derzeit entfallen etwa die Hälfte des weltweiten Endenergieverbrauchs und 15% der weltweiten Treibhausgasemissionen auf diesen Sektor, der stark von Kohle, Öl und Erdgas abhängig ist. Das liegt zum Teil an den Schwankungen der Nachfrage, die durch wechselnde Tages- und jahreszeitabhängige Temperaturen verursacht werden. Verschärft wird das Problem dadurch, dass Privatpersonen und Unternehmen nur ungern einen Aufpreis für nachhaltigere Wärme- und Kältenetze zahlen wollen. Anders als bei einem schicken neuen Elektroauto gibt es kaum einen sozialen Anreiz, in einen neuen Heizkessel zu investieren.
„Weltweit hat sich der Einsatz erneuerbarer Stromquellen positiv entwickelt, aber im Wärme- und Kältesektor stagniert die Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Das bereitet uns Sorge, da dieser Sektor einen enormen Anteil an der Energiewende hat“, sagt Aurélie Beauvais, Geschäftsführerin von Euroheat & Power, einem europäischen Verband zur Förderung nachhaltiger Fernwärme- und -kältelösungen.
Wärmepumpen als Fernwärme-Lieferant
Eine Kombination aus zwei entscheidenden Technologien kann zur Dekarbonisierung dieses Sektors beitragen. Fernwärmenetze spielen in vielen Ländern, darunter Dänemark, Finnland und Schweden, eine wichtige Rolle bei der Temperaturregelung.
Diese Netze basieren auf einer kollektiven Infrastruktur, bei der Wärme oder Kälte in einer zentralen Energiequelle erzeugt und dann an die Bewohner und Unternehmen in einem bestimmten Gebiet verteilt wird. Kollektive Systeme sind deutlich energieeffizienter als Einzelsysteme; Fernenergienetze verbrauchen bis zu 50% weniger Energie für Heizen und Kühlen als Standardlösungen. Die grössten Effizienzgewinne lassen sich bei denjenigen Systemen erzielen, die an grossmassstäbliche erneuerbare Energiequellen wie Windparks angeschlossen sind.
Ein weiterer Vorteil solcher Systeme ist die Rückgewinnung überschüssiger Wärme, d. h. die Nutzung von Wärme, die bei anderen Prozessen entsteht, zur Wiederverwendung als Energie.
„Kühlprozesse im städtischen Umfeld, wie Kühlhäuser, Supermärkte und Rechenzentren, geben viel Wärme ab, die als Wärmequelle genutzt werden kann“, erklärt Beauvais. „Das Schöne an dieser Methode ist, dass sie eine Ressource nutzt, die sonst verschwendet würde, und das ist sehr effektiv für die Kreislaufwirtschaft.“
Dies führt uns zur zweiten wichtigen Technologie, der Wärmepumpe. Sie wurde im 19. Jahrhundert entwickelt und verteilt Wärme von einer Stelle, z. B. den Entlüftungsanlagen eines Rechenzentrums, zu einem anderen Ort, z. B. einem Heizkörper in einem Haus. Der Prozess kann auch in umgekehrter Richtung stattfinden, dann wird eine Kühlwirkung erzielt.
„Es handelt sich um die ergiebigste effiziente Wärmetechnologie, die je erfunden wurde“, sagt Jan Rosenow, Direktor und Programmleiter Europa des Regulatory Assistance Project, einer NGO, die politische Innovationen im Energiesektor voranbringen will. „Bei der Verbrennung von Brennstoffen kommt es immer zu Energieverlusten, sodass ein Wirkungsgrad von über 100% nicht möglich ist, aber Wärmepumpen bewegen und komprimieren Wärme, die bereits in der Luft, im Boden oder im Wasser vorhanden ist, und transportieren sie dorthin, wo sie benötigt wird.“
Indem sie der Umwelt Wärme entziehen, können Wärmepumpen dreimal mehr Energie erzeugen als für ihren Betrieb benötigt wird, was einem Wirkungsgrad von 300% entspricht.
Grosse Wärmepumpen können als Energiequelle für ein Fernwärmenetz dienen. Ebenso können einzelne Wärmepumpen in Häusern oder Betrieben aufgestellt werden, die nicht an die kommunale Infrastruktur angeschlossen werden können, wie etwa in ländlichen Gebieten. In Skandinavien sind Wärmepumpen laut Rosenow bereits die Standardheizlösung für Häuser, die nicht an ein Fernwärmenetz angeschlossen sind.
Diesen Beitrag teilen: