Robeco: Rohstoffe im Frühlingshoch?

Rohstoffe als Anlageklasse werden immer beliebter, da die Fundamentaldaten am Markt einen Wendepunkt erreichen, meint Strategieexperte Peter van der Welle.

17.04.2024 | 11:11 Uhr

Zusammenfassung

  1. Im Gegensatz zu Aktien ist bei den Rohstoffpreisen eine Erholung der Industrie noch nicht berücksichtigt
  2. Stockender Rückgang der Inflation stützt Nachfrage nach Rohstoffen zur Absicherung
  3. Das Angebot kann beschränkt sein, während die Lagerbestände wieder aufgefüllt werden

Das Wachstum bei Rechenzentren zur Unterstützung von Künstlicher Intelligenz hat die Nachfrage nach Kupfer für Kabel sowie nach Siliziumchips und Halbleitern, die für die Herstellung der Prozessoren benötigt werden, beflügelt. Dies sorgt für ein Wirtschaftswachstum, das in anderen Bereichen des traditionellen Verarbeitenden Gewerbes gefehlt hat.

Faktoren wie die Nutzung von Rohstoffen als Absicherung gegen Inflation sowie die Angebots- und Nachfragedynamik auf dem breiteren Markt bedeuten, dass ein neuer Frühling für die normalerweise unbeständige Anlageklasse in der Luft liegt, sagt Van der Welle, Strategieexperte bei Robeco Sustainable Multi-Asset Solutions.

„Auf der Technologiekonferenz von NVIDIA im letzten Monat stellte CEO Jensen Huang eine neue Industrielle Revolution in Aussicht“, sagt er. „Während in der ursprünglichen Industriellen Revolution Wasser der Rohstoff zur Erzeugung von Elektrizität war, ist Elektrizität das Mittel zur Erzeugung von Daten-Token in ‚KI-Fabriken‘, wie Huang sie nennt, in der Nachfolge des 21. Jahrhunderts.“

„Mit der zunehmenden Ausbreitung von KI erwartet die Internationale Energieagentur (IEA) für die kommenden Jahre eine jährliche Wachstumsrate von 15 % für diese Datenfabriken.“


Umstellung auf Kupferkabel

„Dies wiederum erhöht die Nachfrage nach Kupfer. Um das Risiko von Stromausfällen zu mindern, hat NVIDIA kürzlich seine Rechenzentren von Glasfasern auf Kupferkabel umgestellt, da diese energieeffizienter sind, eine bessere Kühlung ermöglichen und billiger sind.“

Der größte Teil der Kupfernachfrage stammt traditionell aus dem Bausektor, der sich in letzter Zeit stark erholt hat. Unterstützt wurde dies zum Teil durch die Subventionen im Rahmen des US Inflation Reduction Act sowie durch Steuergutschriften für den Bau von Elektroautofabriken.

„Innerhalb des Sustainable Multi-Asset-Teams haben wir kürzlich unser Engagement in Rohstoffen auf eine Übergewichtung erhöht, einschließlich Industriemetallen wie Kupfer“, sagt Van der Welle. Er nennt drei Gründe für die neue Begeisterung für Rohstoffe, und das liegt nicht nur am Thema KI.


Anzeichen einer Erholung im Verarbeitenden Gewerbe

„Erstens ist der globale Produktionszyklus aus seinem langen Dornröschenschlaf erwacht, und Rohstoffe bieten nun das beste Risiko-Rendite-Potenzial aus anlageübergreifender Perspektive“, stellt Van der Welle fest. „Im Gegensatz zu Aktien ist bei den Rohstoffnotierungen ein umfassender Aufschwung der weltweiten Industrieproduktion noch nicht berücksichtigt. Und die Anzeichen für eine Erholung des globalen Produktionszyklus werden immer vielversprechender.“

Der globale Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe (PMI) und der ISM-Index des US Institute for Supply Management stiegen im Februar beide über die Marke von 50. Dies deutete eine Expansion und das Ende der 16-monatigen weltweiten Rezession in der Industrie an. Frühindikatoren für das Vertrauen der Einkaufsmanager im Verarbeitenden Gewerbe, z.B. die Exporte südkoreanischer Halbleiter zur Verwendung im KI-Bereich, hatten bereits Mitte 2023 darauf hingedeutet, dass die Talsohle in der Industrie näherrückt.


Positive Aussichten noch nicht eingepreist

„Während die Aktienmärkte bereits ein No-Landing-Szenario unterstellen und eine vollständige Erholung des ISM-Indikators für das Verarbeitende Gewerbe auf 60 erwarten, haben die Rohstoffmärkte diese Aussichten noch nicht berücksichtigt“, so Van der Welle weiter.

„Da es sich bei den Rohstoffmärkten um Spotmärkte handelt, die von aktuellen Fundamentaldaten abhängen, bietet eine tatsächliche Erholung der Industrieproduktion mehr Spielraum für Kursgewinne bei Rohstoffen als bei Aktien. Sollte sich der Aufschwung im Verarbeitenden Gewerbe hingegen als Trugschluss erweisen, scheint das Abwärtsrisiko bei Rohstoffen begrenzter zu sein.“

Er verweist darauf, dass die Rezession im Verarbeitenden Gewerbe zwar ungewöhnlich lange andauert, die Tiefe dieser Rezession jedoch moderat ist. So ist der ISM-Index in den letzten 16 Monaten nie unter 45 gefallen. In den vergangenen 40 Jahren haben Rohstoffe nach einem nur leichten Rückgang des ISM-Index im darauf folgenden Jahr im Durchschnitt um 20 % zugelegt. Nach dem Tief im November 2023 sind die Rohstoffpreise insgesamt bis heute um 5 % gestiegen. Im Gegensatz dazu haben globale Aktien einen Vertrauensvorschuss erhalten und haben seither bereits um 20 % zugelegt.


Der Vorteil der stockenden Disinflation

Zweitens besteht die Aussicht, dass der stockende Rückgang der Inflation die Nachfrage nach Rohstoffen als Absicherung gegen den Teuerungsschub, der den Welt in den letzten zwei Jahren heimgesucht hat, aufrechterhält. Im Jahresausblick von Robeco für 2024 wird ein Ende der „makellosen“ Disinflation prognostiziert, da sich die letzte Phase bei der Rückführung der Inflation von 3 % auf 2 % für die Zentralbanken oft als die schwierigste erweist.

Bislang stehen die Zeichen dafür gut. „Im bisherigen Jahresverlauf hat die US-Inflation nach oben überrascht, und der Citi-Inflationsüberraschungsindex für die USA liegt erneut im positiven Bereich. Dasselbe dürfte unserer Meinung in Kürze auch für die G10-Staaten gelten“, so Van der Welle.

„Das Wachstum des verfügbaren Realeinkommens blieb Anfang 2024 um 1,5%-Punkte über dem Anstieg der Arbeitsproduktivität. Dies könnte den Prozess der Disinflation in den USA aufhalten.“

„Darüber hinaus haben sich die Finanzierungsbedingungen gelockert, während das Geldmengenwachstum zurückgegangen ist. Unerwartet hohe Inflationsdaten in den G10-Ländern gehen in der Regel mit positiven Renditen an den Rohstoffmärkten einher. Rohstoffe zeigen somit, dass sie eine wirksame Absicherung gegen unerwartete Inflation sind. Gleichzeitig mildert ihre derzeit niedrige Korrelation (0,32) mit den Aktienmärkten in den entwickelten Ländern das Drawdown-Risiko im Fall eines Einbruchs an den Börsen etwas ab.“


Angebotsengpässe

Drittens ist das gegenüber der steigenden Nachfrage begrenzte Angebot gut für die Preise, wenn es anhält. „Wir gehen davon aus, dass sich die Bottom-Up-Situation verbessern wird, da der Druck von der Angebotsseite bei verschiedenen Rohstoffen bestehen bleibt und mittelfristig eine physische Verknappung zu erwarten ist“, so Van der Welle. „Die Fundamentaldaten auf der Mikroebene sprechen also zunehmend für eine optimistische Einschätzung von Rohstoffen.“

„Wir beobachten eine weitere Drosselung der Ölproduktion durch die OPEC+-Staaten. Bei den Metallen ist das Angebot schwach und birgt weiterhin Abwärtsrisiken aufgrund von unzureichenden Investitionen der Minen, Dürren, schwierigen Lohnverhandlungen in Lateinamerika und Stromausfällen in Südafrika.“

„Darüber hinaus könnten die Angebotsrisiken, die sich aus den Turbulenzen um Israel/Iran, den US-Wahlen im November und einer möglichen russischen Sommeroffensive in der Ukraine ergeben, die in den Rohstoffpreisen enthaltenen geopolitischen Risikoprämien ebenfalls erhöhen.“


Der Rohstoffsektor bleibt anfällig

Die Aussichten für Rohstoffe sind also positiv, auch wenn bei dieser schwankungsanfälligen Anlageklasse immer Vorsicht geboten ist.

„Für Rohstoffinvestoren liegt der Frühling bereits in der Luft, aber die Sommerstimmung ist noch nicht da. Es gibt Risiken, welche die Anlageklasse belasten könnten. Die Futures-Positionierung der Anleger in Bezug auf Rohstoffe ist bereits hoch, und eine harte Landung der Konjunktur bleibt auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten ein nicht zu vernachlässigendes Risiko.“

„Daher könnte die Erholung der weltweiten Industrieproduktion, die notwendig ist, um eine physische Knappheit auf den Rohstoffmärkten zu erreichen, schwächer ausfallen als erwartet.“

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