Die EU-Offenlegungsverordnung ist grundsätzlich eine gute Idee. In der Umsetzung erweist sie sich jedoch als zu komplex und teilweise widersprüchlich. Die Europäische Kommission will das ändern und das Gesetzeswerk praxisnäher gestalten
12.05.2025 | 15:00 Uhr von «Matthias von Arnim»
Die EU-Kommission plant eine umfassende Reform der Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR), um die Vorgaben für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater praxisnäher und gleichzeitig wirkungsvoller zu gestalten. Hintergrund: Seit Inkrafttreten der Verordnung im März 2021 sind Anbieter verpflichtet, Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen transparent offenzulegen. In der Praxis jedoch haben unklare Definitionen und komplexe Berichtspflichten dazu geführt, dass viele Assetmanager, Versicherungen und Pensionsfonds Probleme mit der Umsetzung haben. Die Probleme sind vielfältig. Zum Teil mangelt es an Klarheit und Abgrenzung in den Formulierungen, auf Seiten der Finanzmarktteilnehmer fehlt es teilweise am Verständnis, es gibt Fehlinterpretationen der Regeln, bürokratische Hemmnisse und manchmal auch zu wenig Personal, vor allem bei kleineren Gesellschaften.
Ein Problem ist zudem, dass die bisher gültige Klassifizierung von Fonds in Artikel 6, Artikel 8 und Artikel 9 zwar gut gemeint ist. Die Hürden für eine Artikel 9-Klassifizierung sind allerdings so hoch, dass viele Fondsgesellschaften davon Abstand genommen haben, infrage kommende Fonds so auszuzeichnen. Die Unterschiede zwischen Artikel 8 und Artikel 9 sind, so die Erfahrungen, vielen Anlegern ohnehin nicht klar. Sie in Beratungsgesprächen deutlich zu machen, ist vielen Finanzberatern deutlich zu aufwändig. Gleichzeitig schränkt ein eventueller Wunsch auf Seiten der Anleger, explizit nachhaltig zu investieren, die Auswahl immer mehr ein – siehe oben. Mit anderen Worten: Die Branche muss viel zeitlichen und monetären Aufwand treiben, während der Nutzen aus Sicht der Branche recht übersichtlich bleibt. Immerhin hat die EU-Kommission die offenen Baustellen erkannt und im Frühjahr 2025 einen Vorschlag vorgelegt, der vor allem eine Neudefinition der Produktkategorien sowie klarere Transparenzanforderungen vorsieht.
Kernstück des Reformvorhabens ist die Einführung dreier neuer Produktkategorien: „Sustainable“, „Transition“ und „ESG-Collection“. Unter der Kategorie „Sustainable“ sollen jene Finanzprodukte zusammengefasst werden, die einen klaren positiven Beitrag zu Umwelt oder Sozialzielen leisten. Um dieser Einstufung gerecht zu werden, müssen Anbieter nachvollziehbare Wirkungsindikatoren liefern, etwa die Bezifferung der absoluten CO₂-Einsparungen oder den Anteil erneuerbarer Energien im Portfolio. Produkte der Kategorie „Transition“ richten sich an Branchen wie Stahl, Zement oder Energieerzeugung, die heute noch nicht vollständig klimaneutral arbeiten. Hier verlangt der Kommissionsvorschlag, dass für jedes Investment detaillierte Übergangspläne („transition pathways“) vorgelegt werden, die eine schrittweise Reduktion der CO₂-Intensität innerhalb eines definierten Zeitraums belegen. Verpflichtend sind außerdem aktive Engagement-Strategien, also Dialoge und Abstimmungsverhalten gegenüber den Emittenten. In die dritte Kategorie, „ESG-Collection“ (bisher nur ein Arbeitstitel), fallen, grob gesagt, alle Produkte, die in irgendeiner Form ESG-Faktoren (Environmental, Social, Governance) in ihre Anlageentscheidungen integrieren, aber in keine der beiden zuvor genannten Kategorien passen. Für „ESG-Collection“-Produkte genügt eine transparente Beschreibung, wie ESG-Kriterien in Research, Scoring und Portfoliokonstruktion einfließen. Fonds, die per definitionem und aufgrund ihrer Ausrichtung des Portfolios mit Grün und Sozial gar nichts zu tun haben, bleiben komplett ohne Nachhaltigkeits-Klassifizierung.
Der Zeitplan für den weiteren Regulierungsprozess beginnt mit einer öffentlichen Konsultation im Sommer 2025, in deren Rahmen Marktteilnehmer, Zivilgesellschaft und Wissenschaft umfassend Stellung nehmen können. Im Herbst 2025 wird der Vorschlag im Wirtschaftsausschuss (ECON) des Europäischen Parlaments und im Rat diskutiert, wobei Änderungsanträge eingebracht werden können. Anschließend folgen die Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission im Winter 2025/26, in denen der finale Gesetzestext ausgehandelt wird. Voraussichtlich im Frühjahr 2026 wird die reformierte Verordnung im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt sechs Monate später in Kraft. In der sich anschließenden Umsetzungsphase bis 2027 erarbeiten die europäischen Aufsichtsbehörden EBA, EIOPA und ESMA die technischen Regulierungsstandards (RTS/ITS) zu Methodik, Berichtsformaten und Prüfverfahren.
Das Ziel der Reform ist klar vorgegeben: Mit der klaren Abgrenzung der Kategorien „Sustainable“, „Transition“ und „ESG-Collection“ möchte die Kommission Greenwashing wirksam bekämpfen und den Weg zu einer echten nachhaltigen Finanzwirtschaft ebnen. Für Investoren soll das neue Regelwerk eine deutlich höhere Transparenz bringen und die Auswahl von Produkten mit echten Nachhaltigkeitsambitionen erleichtern. Für die Finanzbranche bedeutet die Reform erneut Arbeit: Produktanbieter müssen ihre Portfolios neu klassifizieren und die notwendige Dateninfrastruktur zur Wirkungsmessung aufbauen. Die EU-Aufsichtsbehörden wiederum wollen schärfer darauf aufpassen, ob die Umsetzung durch die Produkteanbieter korrekt erfolgt. Die Einhaltung der neuen Vorgaben soll durch die nationalen Aufsichtsbehörden regelmäßig überprüft und bei Fehloffenlegung sanktioniert werden.
Diesen Beitrag teilen: